Gedenken in Freising:Ein Mob von 3000 Personen zog durch die Innenstadt

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80 Zuhörer hatte Peter Floßmann vom Bund der Antifaschisten bei seiner Ansprache zum Gedenktag der Reichspogromnacht. (Foto: Marco Einfeldt)

Auch in der Kreisstadt gab es eine Pogromnacht. Der Bund der Antifaschisten erinnert daran bei einer Kundgebung.

Von Thilo Schröder, Freising

Rund 80 Menschen haben am Samstagnachmittag am Freisinger Kriegerdenkmal der Ereignisse der Pogromnacht gedacht. Das schätzte die Polizei. Aufgerufen hatte der Kreisverband Freising-Moosburg der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). In der Nacht des 9. November 1938 waren in Deutschland und Österreich Hunderte Juden ermordet, mehr als tausend Synagogen sowie Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe zerstört worden.

Verschiedene Organisationen warben für die Veranstaltung, darunter die Freisinger Ortsgruppe von Fridays for Future (FFF). Wie Klimaschutz und Antifaschismus für sie zusammenhängen? "Es gibt bei uns einen unausgesprochenen Grundkonsens gegen Rechts", sagte FFF-Sprecherin Klara Wrusch. "Fridays for Future setzt sich ja für Klimagerechtigkeit ein", ergänzte Mitaktivistin Fanny Wirth, mit Betonung auf Gerechtigkeit. Es gehe um "Solidarität mit allen Menschen", rechte Parteien wie die AfD leugneten zudem den Klimawandel.

Eine mutmaßlich rechtsgerichtete Kundgebung fand doch nicht statt

Im Vorfeld der Gedenkfeier kursierte in den sozialen Netzwerken die Ankündigung, eine "ominöse 'Solidaristische Volksvertretung', bei der NPD-Nähe vermutet wird", habe ebenfalls eine Versammlung am Kriegerdenkmal angemeldet. Viele Demonstrationsteilnehmer hatten sich offenkundig darauf eingestellt und Pappschilder mit teils provokanten, antifaschistischen Botschaften mitgebracht: "Nazis auf den Mond, weil da keiner wohnt!", "Keinen Millimeter nach rechts" und "Egal ob braun oder blau, euch Nazis braucht doch keine Sau!" stand dort geschrieben.

Doch die mutmaßlich rechtsgerichtete Kundgebung war abgesagt und um eine Woche verschoben worden, verlautete aus Teilnehmerkreisen. Gleich zu Beginn der etwa einstündigen Veranstaltung verkündete der Organisator der Gedenkfeier, Peter Floßmann, diese "freudige Nachricht", das Publikum applaudierte. "Die spielen nicht nur mit uns Katz und Maus, sondern auch mit den Behörden und der Polizei." Diese bestätigte auf Nachfrage nur die Absage, von einem neuen Demodatum wisse man nichts. Die Gruppierung "ist uns auch neu", so der Einsatzleiter.

Üblicherweise organisiert der Stadtrat und Politikwissenschaftler Guido Hoyer (Linke) zur Gedenkfeier einen Rundgang entlang der Gebäude jüdischer Familien, die von den Pogromen heimgesucht wurden. Weil Hoyer aber verhindert sei, werde der Rundgang dieses Mal am kommenden Sonntag nachgeholt, sagte Floßmann. Um dem persönlichen Gedenken dennoch Raum zu geben, las er später Gedichte von jüdischen NS-Überlebenden vor.

Im November 1938 zog in Freising ein wütender Mob durch die Innenstadt

Zunächst schilderte Floßmann aber, wie sich der Antisemitismus im Dritten Reich zunehmend verschärfte. Bereits 1933, im Jahr der Machtergreifung der NSDAP, seien Juden diffamiert und erste anti-jüdische Gesetze verabschiedet worden. Am 15. September 1935 folgten die Nürnberger Rassegesetze. Die Reichsprogromnacht habe schließlich erahnen lassen, wozu die Nationalsozialisten fähig waren. "Dort wurde das Bürgerliche, das Strafgesetzbuch außer Kraft gesetzt", so Floßmann, und habe den Weg bereitet für den späteren Millionenmord.

Der Pogrom tobte auch in Freising. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zog ein wütender Mob von 3000 Personen durch die Innenstadt. Jüdische Bürger wurden öffentlich an den Pranger gestellt, ihre Geschäfte beschmiert und zerstört. Laut Floßmann gab es am 10. November 1938 eine Versammlung der Freisinger NSDAP. "Danach zogen sie mit Sprechchören durch die Stadt und riefen, dass die Juden aus Freising verschwinden sollen." Am Ende der Veranstaltung kam Floßmann auf gegenwärtige gesellschaftspolitische Entwicklungen zu sprechen: auf rechtsgerichtete Bewegungen wie Pegida; auf "die Partei mit dem A", wie er die AfD nennt. "Wir werden als Antifaschisten jetzt erst recht dagegen antreten", sagte er. "Wir werden nicht zulassen, dass jahrzehntelanges Engagement zerstört wird." Mit Blick auf die Kommunalwahl im März betonte er, "wir brauchen keine AfD im Stadtrat. Freising ist eine weltoffene Stadt. Freising ist bunt, der Freisinger Stadtrat ist bunt, da ist bereits für jeden was dabei."

© SZ vom 11.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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