Schule in der Coronakrise:Vorsichtige Rückkehr zur Normalität

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Schrittweise sollen in den kommenden Wochen die Schüler zurück in die Schule gehen. Die Schulen müssen sich dafür Hygienekonzepte überlegen (Symbolbild). (Foto: dpa)

Aktuell nehmen nur Schüler in Abschlussklassen am Präsenzunterricht teil. Von nächster Woche an kommen Viertklässler dazu sowie die Jahrgangsstufen, die 2021 ihren Abschluss machen. Das geht nur, wenn strenge Hygienevorschriften eingehalten werden.

Von Thilo Schröder und Nadja Tausche, Freising

Die Lehrer stehen um die Aula herum, die Schüler sollen sich in der Mitte hinsetzen, dabei Abstand halten: "Ein ganz bizarres Bild, wie im Gefängnis", beschreibt Klara Wrusch die Situation am ersten Tag nach Ende der coronabedingten Schulschließungen im Domgymnasium in Freising. Das war am 27. April. Fast alle tragen Mundschutz, wie die 18-Jährige berichtet, anfangs auch im Unterricht, inzwischen vor allem auf den Gängen. Es gebe Markierungen und zugeteilte Toiletten. Abgesehen vom Toilettengang sei aber kaum Bewegung möglich. "Wir sitzen nur auf dem Platz, auch in der Pause", schildert sie. "Wir dürfen das Schulhaus nicht verlassen. Austausch findet nur mit den direkten Sitznachbarn statt." In den Kursen des Abschlussjahrgangs säßen höchstens 15 Personen. Ja, der Infektionsschutz sei sehr wichtig, sagt die Abiturientin. "Trotzdem ist es schwierig, sich umzugewöhnen. Ich hoffe, dass ein bisschen mehr Normalität zurückgewonnen werden kann."

Aktuell nehmen nur Schüler in Abschlussklassen am Präsenzunterricht teil. Von der kommenden Woche an kommen Viertklässler dazu sowie die Stufen, die im kommenden Jahr ihren Abschluss machen. Ab 18. Mai folgen die fünften und sechsten Klassen, ab Mitte Juni sollen alle Stufen zumindest zeitweise wieder in der Schule sein - das hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag bekannt gegeben. Kerstin Rehm, Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), hält das schrittweise Vorgehen für eine gute Lösung: "So wird ein Ansatz von Normalität eingeführt", sagt sie. Allerdings gilt für einige Klassen ein wochenweiser Wechsel: In der einen Woche kommen die Schüler in die Schule, in der nächsten steht Online-Unterricht an. Gerade im Grundschulbereich sei das eine Herausforderung, sagt Rehm: Lehrer, die dort oft in Teilzeit arbeiten, müssten sich pro Tag zwei Lernkonzepte überlegen.

Ein bizarres Bild, wie im Gefängnis - so beschreibt Schülerin Klara Wrusch den ersten Schultag nach den coronabedingten Schließungen. Wie viele andere trägt sie in der Schule Mundschutz. (Foto: privat)

"In der Schule geht es auch um das Menschliche, Warme", sagt Rehm. In Zeiten von Corona ist das schwieriger

Auch Manfred Röder, Direktor des Domgymnasiums, hält es für sinnvoll, nicht alle Stufen gleichzeitig mit dem Präsenzunterricht starten zu lassen. "Es geht nicht anders, als wochenweise zu unterrichten", sagt er: Alle Klassen gleichzeitig in Kleingruppen zu unterrichten wäre am Domgymnasium nicht möglich, weil die Räume fehlen. Bisher scheinen die Hygienevorschriften an den Schulen eingehalten zu werden. Am Domgymnasium seien die derzeit 62 Schüler sehr diszipliniert, sagt Röder: "Es ist spürbar, dass wir gemeinsam an dem Ziel Abitur 2020 arbeiten." Die Schüler sollen sich hier nur hintereinander und im Abstand von eineinhalb Metern durch das Schulhaus bewegen, manche Korridore würden nur in eine Richtung beschritten, damit sich die Schüler nicht entgegenkommen. Masken seien keine Pflicht, so Röder, würden aber trotzdem an der Ausgabe am Eingang verteilt.

An der geltenden Praxis gibt es aber auch Kritik. Das Tragen von Masken den ganzen Schultag über sei "nicht praktikabel", findet Rehm. Sie befürchtet außerdem, dass die Maßnahmen psychologische Schwierigkeiten mit sich bringen: "In der Schule geht es auch um das Menschliche, Warme" - dass nun zum Beispiel Gruppenarbeit oder ein Sitzkreis kaum möglich seien, widerspreche dem Gedanken eines Miteinanders, einer Klassengemeinschaft. Den Unterricht für Grundschulkinder wieder starten zu lassen, sieht die BLLV-Kreisvorsitzende kritisch. "Das bereitet mir richtig Kopfzerbrechen", sagt sie: Kinder hätten das natürliche Bedürfnis, einander nahe zu sein und sich zu umarmen, aber auch miteinander zu raufen - "das müssen wir dann alles unterbinden". Dass es Schüler gibt, die mit dem Präsenzunterricht für Abschlussklassen nicht einverstanden sind, weiß auch Röder. "In der Schülerschaft gibt es die gleiche Diskussion wie in der Gesellschaft generell", sagt er: Manche fänden die Maßnahmen zu lasch, andere wiederum hielten sie für übertrieben. Es sei aber möglich, dass sich Schüler, die mit Risikopatienten in einem Haushalt wohnen, beurlauben lassen, betont er.

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Für die Abschlussklassen startet am Montag teilweise im Schichtbetrieb wieder der Unterricht. Die Schulleiter sind erleichtert. Unterdessen glühen die Drähte ins Landratsamt, weil Desinfektionsmittel noch fehlen.

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In den Schulen wünscht man sich mehr Unterstützung bei Hygienekonzepten

Wie es nun weitergeht, da sind für Thomas Dittmeyer, Schulleiter der Grund- und Mittelschule Zolling, noch einige Fragen offen. Was etwa das angekündigte "schmale Angebot vor Ort" für die zweiten und dritten Klassen bedeute, wisse er nicht. Für schwierig hält Dittmeyer vor allem auch die kurzfristigen Anweisungen. Um sich Hygienekonzepte zu überlegen, fordert er, genau wie Rehm, Unterstützung von medizinischem Personal: Etwa bei der Frage, wie oft man die Tische reinigen müsse. "Wir machen, so viel wir können", sagt er - aber immer mit der Frage im Hinterkopf, ob das ausreiche, um die Gesundheit von Schülern und Lehrern zu schützen. Die Verantwortung sei groß, auch was die Lehrer betreffe: Denn die dürfen ihm zufolge zwar zu Hause bleiben, wenn sie selbst als Risikoperson gelten - nicht aber, wenn sie mit einer solchen im Haushalt wohnen.

Ihre Schulen gäben sich wirklich Mühe, Hygiene- und Abstandsregeln im Schulalltag umzusetzen, dem stimmen Andreas Hauner, Abiturient am Domgymnasium, und Kreisschülersprecher Kilian Winhart, Schüler des Josef-Hofmiller-Gymnasiums, zu. Doch ob strenge Standards nach der geplanten Rückkehr aller Schulklassen nach Pfingsten aufrechterhalten werden können, bezweifeln sie. "Da werden Hygiene-Einbußen kommen", sagt Winhart. "Eine Maskenpflicht im Unterricht, wenn man die ganze Zeit spricht, ist unrealistisch. Und wenn nur einer krank ist, muss ja der ganze Kurs in Quarantäne." Hauner, dessen Bruder mit Vorerkrankungen zur Risikogruppe gehört, hat sich nach einem langen Gespräch mit Schulleiter Manfred Röder für den Präsenzunterricht entschieden. "Ich verpasse ja sonst die wichtige Abiturvorbereitung. Es sind auch alle sehr solidarisch. Aber das Risiko bleibt natürlich."

© SZ vom 06.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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