Promibar in München:"Wer's nicht erlebt hat: Beileid!"

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Da freut sich einer: Vorhang auf in den Museum-Lichtspielen für einen Film über Roy Dubowy und seine ehemalige Promi-Bar. (Foto: Catherina Hess)

Die Doku "Roy - eine Legende geht zu Ende" erzählt von einem Wirt und seiner vogelbuntwilden Promibar in München. Dort war vom gemütlichen Absacker bis zur Ekstase alles möglich - selbst Superstars wie Michael Jackson, Peter Ustinov, und Tina Turner ließen sich dort antreffen.

Von Thomas Becker

Als es am späten Montagabend endlich zum Feiern geht, liegt die Hauptperson schon lange im Bett. Zwei ausverkaufte Filmfest-Premieren in den Museum-Lichtspielen hat die Doku "Roy - eine Legende geht zu Ende" hinter sich, die Gäste ziehen nach Mitternacht Richtung Sendlinger Straße, ins Kellergewölbe des Alten Hackerhauses, wo die Macher dieses "Nightclubs mit Bar-Atmosphäre" seit gut einem Jahr das Unmögliche versuchen: das "Roy", diese Plüsch gewordene Legende von einer Bar, wiederauferstehen zu lassen. Netter Versuch, kann aber leider nicht klappen.

Der Mann, nach dem sowohl der Film als auch das Nachfolge-Etablissement benannt sind, gehört wie schon bei der Eröffnungsparty dort im Vorjahr nicht zu den Gästen: Roy Dubowy. Beim Gespräch ein paar Tage vor der Premiere erklärt er warum: "Da kann ich nicht. Abends gehe ich nicht aus." Sagt ausgerechnet der Mann, der jahrzehntelang die Nachtschwärmer der Stadt mit Speis, Trank und Abenteuer beglückte, zu einer Zeit, als es in München nach ein Uhr nachts weder etwas zu trinken noch zu erleben gab.

Im "Roy" konnte man was erleben. Was, wusste man vorab natürlich nicht, aber die Bar in der Herzog-Wilhelm-Straße 30 war eins dieser schon damals rar gesäten Etablissements, in denen vom gemütlichen Absacker bis zur totalen Ekstase alles möglich war, nicht nur am Wochenende, auch an Werktagen. Wer als Novize seinen Mut zusammennahm und beim 2,06 Meter hohen und nur weniger breiten Türsteher Charlie vorstellig wurde, musste sich nicht von oben bis unten mustern lassen, sondern wurde höflich hereingebeten, hinein in eine Welt, die es so sonst nirgends in der Stadt gab. Eine Welt aus Plüsch und viel rotem Samt, aus vogelwilden Dekorationen, mit einem aufgekratzten Völkchen, das man heute wohl divers nennen würde, mit zig Gesichtern aus der Welt des Schlagers, des Pop und des Rock - und mit einem Gastgeber, der auch Frischlingen sozusagen durch Handauflegen das Gefühl vermittelte, dazuzugehören, egal, woher man kam und wie dick der Geldbeutel war. Kurz: ein Wohnzimmer in der Nacht. Der ewige Entertainer Thomas Gottschalk sagt im Film: "Das war so ein bisschen verrucht, wenn man da reinging." Für Monika Gruber war "schon ein normaler Besuch ein Erlebnis - weil man so viel zum Schauen hatte".

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Wohl wahr. Die Geschichte von Roy, die der Bar und des Betreibers, ist eine Geschichte voller Namen, sehr vieler, sehr prominenter Gäste: Michael Jackson, Peter Ustinov, Tina Turner, Mario Adorf, Peter Alexander, Siegfried & Roy, Zubin Mehta, David Copperfield und Claudia Schiffer, Udo Jürgens, Jopi Heesters, Richard Chamberlain, Tony Marshall, Loriot, Franz Beckenbauer, Bata Ilic, Bryan Adams - die Liste der VIPs, die nicht da waren, ist definitiv kürzer. Chris de Burgh, bei dessen Tochter Dubowy den Taufpaten gab, gehörte zum Inventar, als er noch Vorgruppe von Simply Red war. Heute bezeichnet er das "Roy" als "mein zweites Zuhause, und Roy war der Grund, warum die Leute kamen". Herman van Veen schwärmt vom "am besten rasierten Mann der Stadt". Aber wie haben all die Stars in diese doch eher finstere Ecke der Stadt gefunden? Tja, da kommt Monti Lüftner ins Spiel. Aber der Reihe nach.

Der irische Popsänger Chris de Burgh (l.) war ein häufiger Gast in der Bar an der Herzog-Wilhelm-Straße. Wirt Roy war Pate von de Burghs Tochter. (Foto: Robert Haas)

Roy Dubowy kommt am ersten Weihnachtstag 1949 zur Welt, wächst in Bogenhausen mit einem Bruder auf, später zieht Mutter Helene in die Herzog-Wilhelm-Straße - und eröffnet 1958 dort das Café Dubowy. Klein-Roy kommt nach der Schule vorbei, um mitzuhelfen - und findet Spaß an dem Beruf. Er macht eine Lehre als Koch und Hotelkaufmann, was ihm später zupasskommt: "Ich hatte wunderbare Mitarbeiter, aber wenn Engpässe waren, musste ich mitkochen." Noch heute schwärmen ehemalige Gäste wahlweise von der schärfsten Gulaschsuppe der Stadt, von den legendären Wiener-Würstl-Pyramiden oder von Fleischpflanzerln nachts um drei.

Sänger Hermann van Veen war auch da. Wie Claudia Schiffer, David Copperfield, Franz Beckenbauer, Zubin Mehta und viele andere Promis. (Foto: Imago/Lindenthaler)

Als Bub ist Roy noch Laufbursche, bringt oft Essen hoch in den ersten Stock. Dort war die Schallplattenfirma Ariola beheimatet, Monti Lüftner war Lehrling und für die Betreuung der Stars zuständig. Dass er mal dem Konzern-Vorstand von Bertelsmann angehören und Superstars wie Bob Marley, Whitney Houston, Cat Stevens und Tina Turner an die Mitte der 70er viertgrößte Plattenfirma der Welt binden würde, war nicht absehbar. Dubowy erinnert sich: "Alle waren's da: Adamo, Dalida, Horst Wendlandt, Jimmy Makulis, ich kann gar nicht alle aufzählen. Das hat mir gefallen, all diese Künstler. Jean Thomé, groß und stark, dem habe ich immer drei Koteletts raufgebracht. Oder Jan & Kjeld: "Sing ein Lied, sing ein Lied, little Banjo Boy". Ich habe Autogramme unterschreiben lassen, durfte an die Schubladen ran, alles suchen. Ich hatte da oben Narrenfreiheit, und so ist das alles entstanden."

Mitte der Siebzigerjahre wird umgebaut, es wird bunt, aber so richtig! Das "Roy" war ein einzigartiger Kosmos, eine paradiesvogelbunte Parallelwelt. Dubowy sagt: "Wer nichts investiert, kann nichts ernten. Im Lokal sollte nichts billig sein - das wäre an der falschen Stelle gespart. Ich war die ganze Zeit über in der Arbeit und da wollte ich es schön haben. Meine Mitarbeiter wurden einheitlich gekleidet, es war eine herzige Stimmung. Eine Freude, keine Arbeit. Ich bin nie mit Widerwillen zur Arbeit, meine Mitarbeiter auch nicht. Wunderbar waren die alle." Im Film erzählen viele von der Zeit im "Roy": die herrlich kracherte Garderobiere Hanni, der sanfte Türsteher-Riese Charlie Lohr, und dass es hinter der Küche die besten Parties gab, bleibt auch nicht unerzählt. Musikkabarettist André Hartmann fasst zusammen: "Wer's nicht erlebt hat: Beileid!"

Roy Dubowy mit seinem Nachfolger in der Bar, Günther Grauer. (Foto: Catherina Hess)

1998 gibt Roy Dubowy die Bar auf und zieht an den Gardasee, Günther Grauer, der Starnberger Gastronom, Schlagersänger und Faschingsprinz der Saison 2000/2001, übernimmt, verwandelt das "Roy" in einen Schlagerpalast, modernisiert den Laden 2006. Aber der besondere Zauber, die Seele des Hauses, lässt sich halt nicht restaurieren. Im Herbst 2020 ist es vorbei: Der Mietvertrag wird nicht verlängert, das Haus soll abgerissen werden, was bis heute nicht geschehen ist.

Filmproduzent Franz Meiller greift die Idee von BR-Produktionsleiter Thomas Hock auf, eine Doku über das "Roy" zu drehen. So entstand ein melancholischer Rückblick auf eine untergegangene Epoche des Münchner Nachtlebens. Die ersten Szenen sind hart, denn zu sehen ist das, was vom Glamour übrig ist: eine in Schwarz-Weiß gefilmte Baustellentristesse, eine Dokumentation des Verfalls. "Da konnte man Tapeten sehen, die waren über 60 Jahre alt. Die habe ich wiedererkannt", erzählt Dubowy bei der Vorpremiere, "am berührendsten waren aber die Szenen, als ich meine Mutter gesehen habe. Da kamen Erinnerungen hoch, große Emotionen." Auch Wehmut? "Nicht unbedingt. Die schönen Bilder bringen gute Erinnerungen. Die ein oder andere Träne floss aber schon", sagt er und muss nochmal kräftig schnäuzen.

Es ist schön am Gardasee. Dennoch ist er oft und gerne in München

Gut sieht er aus, trägt weißes Polo-Hemd zur Jeans, erzählt vom Leben ohne das "Roy", in Torri del Benaco: "Ein kleines Dörfchen, da habe ich alles: Seeblick, großes Haus, nettes Personal - wunderschön! Aber in München bin ich genauso gern. Auch um ins Kino zu gehen. Sonst muss ich bis nach Verona fahren - das kann ich mir zeitlich nicht leisten. Darum ist München so schön." Überhaupt sei hier "alles bequemer: Es gibt eine U-Bahn, die schöne Nachbarschaft, die Ärzte, die Freunde, Familie, ich habe ein sehr schönes Domizil hier, zudem eine Hausverwaltung - und einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, den ich immer noch pflege. So schön es am Lago di Garda ist: Ich bin gern in München".

Nur beim alten "Roy" war er nie mehr. Aus Selbstschutz? "Überhaupt nicht. Auch wenn ich früher in der Firma Probleme hatte, habe ich die nicht mit nach Hause genommen. Ich kann gut abschalten, konnte auch, nachdem ich aufgehört hatte, einen Punkt machen. Es war ja mein Wunsch aufzuhören. 30 Jahre lang immer bis morgens um vier. Um sechs bin ich erst heimgekommen, oft um neun wieder aufgestanden: Das war schon hart. Aber ich hab's gern getan. Und immer hundert Prozent, was viele nicht tun, leider. Viele nehmen diesen Beruf locker und leicht - ist er nicht. Dienstleistung! Dienen und leisten!" Und das neue Roy im Hackerhaus? "Kenne ich nicht. Hat mit dem alten nichts zu tun."

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