Filmfest München:Das Kino blüht im Regen auf

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Das 38. Filmfest München hatte kein Glück mit dem Wetter. Dennoch kamen 25 500 Besucher zu den Vorführungen, die größtenteils im Freien stattfanden. Der beliebteste Film hatte ein Thema, das gut zu den Regenbögen in der Stadt passte.

Von Bernhard Blöchl

Es regnet, und die Menschen lachen. Sie sitzen unter transparenten Schirmen und schauen Premierenfilme auf der Leinwand vor dem See. Es gibt La-Ola-Wellen im Publikum, ganz ohne Fußball, ohne Massen. Tanzende Menschen im Regen gibt es auch. Bewegung hält warm. Warm ums Herz ist ohnehin den meisten, so scheint es, und so darf man dem Filmfest nach dem regenbogenfarbenen Abschlusstag gratulieren: Das Experiment, ein Festival light (70 statt 180 Filme) zum Großteil unter freiem Himmel zu feiern, ist nicht ins Wasser gefallen. Auch wenn es ab und an danach aussah. Das Experiment war ein Gewinn für die Stadt.

Seit 1. Juli gab es jeden Tag Live-Veranstaltungen, an so vielen unterschiedlichen Orten wie noch nie in der Filmfestgeschichte, vom hübschen Garten des Institut français über den Bahnwärter Thiel mit seinem Impro-Charme bis zu den großen Open-Air-Kinos im Westpark und am Olympiasee. 130 Publikumsvorführungen an zehn Tagen - noch vor wenigen Monaten hätte diese Nachricht unvorstellbare Glücksgefühle heraufbeschworen.

"Das Kino lebt - endlich wieder", sagt Festivalchefin Diana Iljine

Klar, die Wettergötter meinten es nicht gut mit einem Festival, das im Juli eigentlich beste Karten hat. Nur Zyniker sagen im Rückblick: Das hat man nun davon, wenn man die wetterfeste Wohnung verlässt und sich wieder in die echte Welt stürzt. Aber genau darum ging es dem Team um Diana Iljine und Christoph Gröner: Das Filmfest sollte - nach der Absage im Vorjahr - wieder stattfinden. Pandemiebedingt zum Großteil im Freien. Live. Spürbar. An vielen Orten. Das ist gelungen, Gewitter hin, Schauer her.

Etwa 25 500 Besucher zählte man am Ende (Präsenzbesucher in München, die Nutzer der Digitalangebote nicht mitgezählt). Die Zahl ist schwer zu interpretieren. Der Vergleich mit 2019 verbietet sich, damals kamen in zehn Hitzetagen etwa 70 000 in die Festivalkinos. Die Chefin jedenfalls zieht ein positives Fazit, spricht gar von einem "Fest der Filmkultur": "Wir haben uns der großen Herausforderung gestellt, in unsicheren Zeiten ein Festival zu planen", ließ Iljine mitteilen. "Und es hat funktioniert. Trotz Corona, trotz einer Wetterlage, wie wir sie noch nie beim Filmfest hatten - es war einfach magisch zu sehen, wie das Publikum sich zurückgemeldet hat und zeigt: Das Kino lebt - endlich wieder!"

Als beliebtester Film hat sich ein Dokumentarfilm entpuppt, einer mit hoher gesellschaftlicher Relevanz: "Trans - I Got Life" zeigt sieben Transgender-Menschen in ihrem Identitätskonflikt, begleitet sie auf ihren Wegen zu sich selbst. Der Film der beiden Münchnerinnen Imogen Kimmel und Doris Metz wurde am Ende dieser 38. Ausgabe mit dem Publikumspreis von Bayern 2 und der Süddeutschen Zeitung dekoriert. Er hatte während des Filmfests die besten Bewertungen beim Publikums-Online-Voting erhalten. Für die LGBTQ*-Szene ein großer Tag der Freude: Während in München der Christopher-Street-Day gefeiert wurde und auch die Allianz-Arena in Regenbogenfarben erstrahlte, diesmal wirklich, gewann "Trans" diesen wichtigen Preis. "Das sind Menschen, die um Sichtbarkeit ringen", sagte Imogen Kimmel bei der Preisgala im Carl-Orff-Saal, "dass das ankommt, ist total fantastisch."

Die hoch dotierten Preise gingen an französischsprachige Produktionen. So wurde Dominik Molls Werk "Die Verschwundene" als bester internationaler Film mit dem Arri-Osram-Award ausgezeichnet (50 000 Euro). Mit dem Cinevision-Award für den besten internationalen Nachwuchsfilm wurde "La nuit des rois" von Philippe Lacôte geehrt (15 000 Euro).

Die Preise für die deutschen Filme, die das Festival 2021 mehr denn je prägten, verteilten sich auf mehrere Produktionen. Den Kritikerpreis Fipresci bekam (erneut) die HFF-Absolventin Mareille Klein ("Dinky sinky") für "Monday um zehn". Die Förderpreise Neues Deutsches Kino gingen an Nikias Chryssos (Regie, "A Pure Place"), Franziska Stünkel (Drehbuch, "Nahschuss") und Miriam Düssel (Produktion, "Mein Sohn"). Den Schauspielerpreis erhielt Martin Rohde für seinen Auftritt in "Heikos Welt".

Auch das Historiendrama "3 ½ Stunden" wurde ausgezeichnet

Bereits während des Festivals wurde Robert Krauses Historiendrama "3 ½ Stunden" (Regie: Ed Herzog) als beste TV-Produktion mit dem Bernd-Burgemeister-Fernsehpreis geehrt. Außerdem wurde noch der Fritz-Gerlich-Filmpreis an "Topside" von Celine Held und Logan George verliehen sowie der One-Future-Preis an "Nahschuss" von Franziska Stünkel.

Filme, über die gesprochen wurde, waren ferner Tim Fehlbaums Science-Fiction-Thriller "Tides", Marcus H. Rosenmüllers Animationsfilm "Rotzbub", "Home", das Regiedebüt der Margot-Hielscher-Preisträgerin Franka Potente, Helene Hufnagels Liebeskomödie "Generation Beziehungsunfähig" (der Film wurde gleichzeitig in Kinos bundesweit gezeigt) und der Eröffnungsfilm "Kaiserschmarrndrama". Zwar gingen da die Meinungen auseinander, ob denn ein potenzieller Mainstream-Hit wie der siebte Teil der Rita-Falk-Krimi-Verfilmungen das Filmfest München eröffnen sollte. Doch nur so kam man in den Genuss, englische Untertitel zum österreichisch-bairischen Fluchen und Schimpfen der Hauptfiguren lesen zu dürfen. Ein ziemlich lässiges Zusatzvergnügen, das es so wohl nur in München gab und geben wird. Im leichten Nieselregen, sei's drum.

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