Filmfest München:Anziehend abstoßend

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Um den Figuren von Deix gerecht zu werden, entschied sich Rosenmüller für einen Animationsfilm. (Foto: Pandora Film)

Marcus H. Rosenmüller zeigt beim Filmfest München seinen ersten Animationsfilm. "Rotzbub" ist eine Hommage an den österreichischen Karikaturisten Manfred Deix. Der derbe Spaß war ziemlich herausfordernd für den erfahrenen Regisseur.

Von Dirk Wagner, München

Die Figuren des österreichischen Karikaturisten Manfred Deix sind wahrlich keine Schönheiten. Sie aber wegen ihrer hervorgehobenen Makel als hässlich zu bezeichnen, verkennt die Liebenswürdigkeit, die solchen nur allzu menschlichen Figuren mit ihren adipösen Leibern, ihren schiefen Zähnen oder ihrer Gesichtsakne innewohnt. Eine Liebenswürdigkeit, die selbst im österreichischen Durchschnittsort Siegheilkirchen hervor sticht, wo sich die Titelfigur aus Marcus H. Rosenmüllers neuem Film "Rotzbub" Mitte der Sechzigerjahre gegen Alt-Nazis, Moralisten und schweigende Duckmäuser behaupten muss.

Er ist nämlich verliebt in ein Mädchen, das von der Dorfgemeinschaft als "Zigeuner" abgelehnt wird. Als das Mädchen mit ihrer Mutter im Wirtshaus einkehrt, muss der Rotzbub miterleben, wie ihnen die Bedienung verwehrt wird. "Eigentlich sitzen die Weiberleit bei uns in der Kucherl", lautet eine Begründung für die Ausgrenzung. Eine andere Begründung ist die stolz kultivierte Fremdenfeindlichkeit in Siegheilkirchen, dessen Rathaus noch immer ein Hakenkreuz ziert. Der Maler, der selbiges einst malte, soll das Stadtbild nun mit einer neuen Fassadenmalerei "modernisieren".

Grünliche Fürze und platzende Pickel

Inmitten solcher Ewiggestriger, die die erotischen Zeichnungen des Kunst-begabten Rotzbubs als "widerliche Anleitung zur Selbstbefleckung" abtun, gibt es aber auch den Bar-Betreiber Poldi, der auf eine gescheiterte Rockkarriere zurückblickt, die in Wahrheit nie begonnen hatte. "Träum weiter", sagt der mal zum Rotzbub und ergänzt den Satz liebevoll: "Und hör nie damit auf!" Oder dessen Stammgast Marek, den Rosenmüller als Figur so stark fand, dass ihr weitaus mehr Platz eingeräumt wurde, als ursprünglich geplant.

Um den Figuren von Deix im Film gerecht zu werden, entschied sich Rosenmüller für einen Animationsfilm, der auf dem Filmfest München seine Deutschlandpremiere hatte. "In meinen bisherigen Filmen entstand vieles erst im Schneideraum", erklärt Rosenmüller die neuen Herausforderungen seines ersten Animationsfilms: "Für die Animation muss jeder Schnitt schon vorher festgelegt werden." Außerdem arbeitet er gerne mit den Schauspielern zusammen, deren Ideen er berücksichtigt, sagt er. "Bei der Animation bestimmst du alles selber: welche Socken jemand trägt, bis hin, wie der Ort konkret aussieht, in dem der Film spielt."

Der kleine Titelheld ist kunstbegabt und hat eine Vorliebe für erotische Zeichnungen - was nicht jedem im Dorf gefällt. (Foto: Pandora Film)

Dafür gelingen Rosenmüller und seinem Co-Regisseur Santiago López Jover auch Filmeinstellungen, die im Realfilm gar nicht möglich wären. Etwa, wenn sie die Geburt des Rotzbubs vom Inneren des Mutterleibs aus darstellen. Aber auch derbe Ekeligkeiten lassen sich animiert viel anschaulicher darstellen: grünliche Fürze, fliegende Fäkalien oder der platzende Pickel eines Jungen bei der Betrachtung einer erotischen Zeichnung. Als würde hier der Pickel stellvertretend abspritzen.

Solcher Humor ist freilich nicht für jeden geeignet, so wie es auch Menschen gibt, die Deix' Figuren abstoßend finden. Wer aber dessen bösen österreichischen Humor mag, der letztlich auch Filme wie "Muttertag" oder "Die wilde Maus" prägte, wird "Rotzbub" lieben. Zumal der Film auch klanglich ein Genuss ist. Dafür sorgt der Musiker und Komponist Gerd Baumann, der dafür Songs aufnahm, die durchaus in den Sechzigern hätten entstanden sein können. Mit einer Prise Hendrix, und einem Hauch Pink Floyd. Und mit Gastsängern wie Ernst Molden, Matze Brustmann von Balloon Pilot oder Peter Horn von Bananafishbones. Sowie mit Musikerkollegen wie Georg Hübner an der Violine, mit dem Baumann jüngst erst das gemeinsame Album "Pelikula" veröffentlicht hat.

"Ich glaub, ich hätte selber gerne in den Sechzigern gelebt. Drum konnte ich in der Musik auch Sachen ausleben, die ich damals gerne gemacht hätte", sagt Baumann über seinen neuen Soundtrack, den er ebenfalls auf Schallplatte veröffentlichen will.

"Rotzbub", zu sehen beim Filmfest München: Samstag, 10. Juli, 19 Uhr, Gasteig, und 21.30 Uhr, Kino am Olympiasee, jeweils in Anwesenheit des Regisseurs. Infos und Tickets unter filmfest-muenchen.de .

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