Nun gut, Markus Söder würde es nicht gern hören, dass jemand das Münchner Filmfest "die kleine Schwester" der Berlinale nennt. Aber was soll man sonst dazu sagen, nachdem er all seine schönen Millionen-Versprechungen wieder zurückgenommen hat? Arme Stiefschwester? Von der (Wahl-)Kampfansage gegen das einzige deutsche A-Festival, die Bayerns Ministerpräsident einst ausgesprochen hat, ist lang schon nichts mehr übrig. Die Pandemie hat das Münchner Filmfest zusätzlich arg gezaust. 2020 fiel es ganz ins Wasser, 2021 sorgte viel zu viel Regen dafür, dass die mehrheitlich als Open Airs geplanten Screenings nicht so viel Zauber entfachen konnten, wie sie verdient hätten.
Nun aber, da die große Schwester Berlinale sich allen Widrigkeiten zum Trotz stolz präsentiert hat, keimt Hoffnung. Zwar war die Auswahl der Filme begrenzter. Zwar fiel der eine oder andere Star auf den letzten Metern doch aus, weil er positiv getestet wurde wie Ehrenbär-Trägerin Isabelle Huppert, oder Isabelle Adjani, die als Kontaktperson fernblieb. Zwar waren sämtliche Partys abgesagt. Und trotzdem konnten eben Filme auf der großen Leinwand vom Publikum entdeckt und Branchentreffen in kleineren Gruppen zelebriert werden. Das war nicht nur für die Berlinale selbst wichtig, um nicht abgehängt zu werden von den anderen großen europäischen Festivals, die im Sommer, unter Corona-milderen Bedingungen stattfinden wie Cannes, Venedig und sogar das sehr viel kleinere Locarno, dem Carlo Chatrian vorstand, bevor er an die Spree wechselte.
Dieses Wiedererstehen der Berlinale an ihrem alten Platz (2021 gab es eine Online-Version, die förmlich verpuffte) und mit immerhin rund einem Drittel ihrer früher üblichen Zuschauerzahlen, war auch für all die kleineren Festivals in Deutschland ein Hoffnungsschimmer. Die Hauptstadtpolitik musste dafür noch einmal tief in den Sondertopf greifen - und sie tat es in Gestalt der neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Wahlkreis Augsburg). Dass man sich als Fan des Münchner Filmfests beim Anblick der diesjährigen Berlinale-Plakate denn auch noch an die Heimat erinnert fühlen konnte, war Zufall. Denn die angeheuerte Agentur spielte auf den poppig bunten Postern mit dem Motiv der Brille - durch deren B-Form in diesem Fall der Berliner Bär blickte. Und ähnlich prangte sie eben schon jahrelang als viel veräppeltes und umso einprägsameres Filmfest-Logo auf sämtlichen Litfaßsäulen an der Isar. So machte die Berliner Brille also doppelt Werbung: für Berlin und für München. Und das ist doch schön.