Massaker in Italien:Marx entschuldigt sich für Umgang mit Kriegsverbrechen

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Kardinal Reinhard Marx bat um Verzeihung für Umgang mit Kriegsverbrechen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der ehemalige Münchner Weihbischof Matthias Defregger ließ 1944 als Hauptmann der Wehrmacht in den Abruzzen 17 Menschen erschießen.

Für Kriegsverbrechen, an denen der spätere Weihbischof Matthias Defregger in Italien beteiligt war, hat sich der Münchner Kardinal Reinhard Marx bei den Nachfahren der Opfer entschuldigt. Während eines Empfangs am Sonntagabend bat er um Verzeihung für den Umgang des Erzbistums mit der Tat. Man habe sich nicht der Wahrheit gestellt.

Am 7. Juni 1944 hatte ein Kommando der deutschen Wehrmacht 17 willkürlich ausgesuchte männliche Bewohner des Dorfs Filetto di Camarda in den Abruzzen hingerichtet und den Ort verwüstet - als Vergeltungsmaßnahme für einen Partisanenüberfall. Den Befehl ausführen ließ der damalige Hauptmann und spätere Weihbischof im Erzbistum München und Freising, Matthias Defregger, der bis zu seinem Tod 1995 in Pöcking am Starnberger See lebte.

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Marx empfing eine Abordnung aus Filetto, die am Wochenende zu Gast in Pöcking war. Die beiden Gemeinden bemühen sich seit einiger Zeit um Versöhnung. Der Kardinal bedauerte bei der Begegnung, dass Defregger nach dem Krieg nicht den Mut gefunden habe, zu seiner Schuld zu stehen. Unzulänglich gewesen sei auch das Agieren von Marx' Vorgänger Kardinal Julius Döpfner mit der Aufarbeitung des Kriegsverbrechens.

Matthias Defregger war ab 1968 Weihbischof in München. (Foto: dpa)

Ein Bericht des Spiegel über die Vergeltungsaktion für einen Partisanenüberfall und über Defreggers kirchliche Karriere nach dem Krieg löste im Sommer 1969 einen internationalen Skandal aus, der die Justiz in Deutschland und Italien beschäftigte. Zu einer Anklage kam es aber nicht. Defregger berief sich auf Befehlsnotstand und beteuerte zeitlebens seine Unschuld.

Für die Hinterbliebenen der Erschossenen ließ er Spenden sammeln und in den Abruzzen mit weiteren Geschenken verteilen. Die Augsburger Historikerin Marita Krauss wertet diese Zuwendungen nach Auswertung von Archivakten des Erzbistums als Versuch der Zeugenbeeinflussung. "Man wollte ein bisschen Ruhe haben - so geht das nicht", urteilte nun Marx. Nach Einstellung der Ermittlungen brach der Kontakt zwischen München und Filetto zunächst ab.

Defreggers spätere Heimatgemeinde Pöcking hat die Historikerin Krauss vergangenes Jahr beauftragt, die Rolle der Wehrmacht und des damaligen Berufsoffiziers Defregger in Filetto zu untersuchen. Seither wird am Starnberger See die Rolle des einstigen Weihbischofs beim Massaker unter anderen Gesichtspunkten gesehen - was sich unter anderem in der Umbenennung des Weihbischof-Defregger-Wegs in Filetto-Weg zeigte.

Die Gemeinde Pöcking arbeitet die Gräueltaten von Matthias Defregger auf: Ein nach dem Kleriker benannter Weg bekommt daher einen neuen Namen. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Nachfahren der Opfer bedankten sich bei Marx für die Entschuldigung und das Eingeständnis. Darunter auch Gradito Alloggia (78). Seine Mutter war mit ihm hochschwanger, als sein Vater 1944 von den Deutschen hingerichtet wurde. Die Vergeltungsaktion der Wehrmacht in seinem Dorf sei eine "völlig überflüssige Sache, die nur Hass erzeugt hat", gewesen, so Alloggia.

Vergangenes Jahr hatte eine Delegation aus Pöcking mit Bürgermeister Rainer Schnitzler erstmals an der Gedenkfeier für die Opfer in Filetto teilgenommen. Zum 80. Jahrestag des Massakers am 7. Juni 2024 wollen sie das wiederholen.

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