SZ-Adventskalender:Harte Arbeit und Herzenswünsche

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Das ist für Papa: Janatgul Y. hat ein Zimmer für den Besuch seiner Kinder vorbereitet und hofft, dass sie bei ihm einziehen können. (Foto: Stephan Rumpf)

Seinen drei Söhnen will Janatgul Y. ein guter Vater sein. Den beiden Jüngeren will er bei sich in der Wohnung ein schönes Zuhause und Geborgenheit bieten. Doch es fehlt ein Stockbett und ein großer Kleiderschrank.

Von Berthold Neff

Krieg, Krieg und schon wieder Krieg: Janatgul Y. kommt aus einem Land, das schon lange vor seiner Geburt in ständigem Aufruhr war. Als er noch ein Kind war und zur Schule hätte gehen können, wenn es denn eine gegeben hätte in dem kleinen Dorf in der Nähe von Dschalalabad, fielen die sowjetischen Truppen in Afghanistan ein, und auch in seinem Dorf in der Provinz Nangarhar an der Grenze zu Pakistan ließen die Panzer und Kanonen kaum ein Haus stehen.

Später, als die Sowjetunion ihre Truppen 1989 abzog, erschütterte ein Bürgerkrieg das Land. Die Taliban befanden sich unaufhaltsam auf dem Vormarsch, und es war klar, wie sie das Land verändern würden. 1996 war es so weit. Sie führten eine kompromisslose Scharia ein, wie sie die Welt bis dahin noch kaum gesehen hatte. Mädchen und Frauen durften außerhalb ihrer Häuser nicht mehr arbeiten, sie schlossen alle Mädchenschulen, zerstörten Fernseher und Musikinstrumente und ordneten an, dass sich jeder Mann einen langen Bart wachsen lassen muss.

Janatgul Y., im Frühjahr 1972 geboren, als sich im fernen München die Menschen auf die Olympischen Spiele vorbereiteten, sah spätestens seit der Machtübernahme der Taliban für sich keine Zukunft mehr in Afghanistan. Vater und Mutter waren gestorben, die Schwester und die beiden Brüder schlugen sich durch, so gut es eben ging. "Ich schaffte es nach Pakistan und von dort mit dem Flugzeug nach Deutschland." 1996 wurde er in Deutschland als Kriegsflüchtling anerkannt und begann, sich hier ein neues Leben aufzubauen, mit harter Arbeit.

Zunächst arbeitete er bei Burger King in Trudering, wo er auch seine Frau kennenlernte, eine Inderin. 2003 heirateten die beiden, bekamen drei Söhne, heute sind sie zehn, 16 und 19 Jahre alt. Janatgul Y. schuftete von früh bis spät und lernte nicht nur im Selbststudium Deutsch, mit einem Lehrbuch vom Flohmarkt, sondern auch Hindi, die Muttersprache seiner Frau, die auch zur Muttersprache der Kinder wurde.

Nach sieben Jahren bei der Fast-Food-Kette wagte er den Schritt in die Selbständigkeit, legte sich für 1000 Euro einen Hendl- und Imbisswagen zu, den Kaufpreis stotterte er in Monatsraten ab. Von sieben Uhr morgens bis kurz vor Mitternacht war er damit unterwegs, oft an der Putzbrunner Straße, aber auch in Markt Indersdorf. Wenn er endlich nach Hause kam, fiel er todmüde ins Bett. Die Ehe zerbrach, 2021 folgte die Scheidung, Janatgul Y. musste ausziehen und schlug sich in Unterkünften für Wohnungslose durch. Mit seiner Gesundheit ging es in dieser Zeit weiter bergab. Es rächte sich, dass der große, starke Mann, der so viel gearbeitet hatte, um seine Familie durchzubringen, Raubbau an seinem Körper betrieben hatte. Ein Herzinfarkt jagte den nächsten, Thrombosen kamen hinzu, er musste den Hendlwagen aufgeben, wurde zum Sozialfall.

Ein Stockbett, ein Kleiderschrank und Fahrräder

Und dennoch, trotz aller körperlichen Beschwerden, er wollte keine Almosen, auch nicht vom Staat. Seit einem Jahr arbeitet er als Fahrer für einen Zulassungsdienst, verdient knapp mehr als der Bürgergeldsatz, also nicht genug, um den Unterhalt für die Kinder zu leisten. "Das schmerzt mich sehr", sagt Janatgul Y., denn er will ihnen ein guter Vater sein. Die beiden jüngeren Buben würde er gern in seine 54 Quadratmeter große Wohnung in Neuaubing aufnehmen, auch die Kinder selbst wollen das. Die Wohnung hält er gut in Schuss, ein Foto an der Wand, das ihn mit seinem ältesten Sohn an der Seite des damaligen Oberbürgermeisters Christian Ude zeigt, nimmt einem prominenten Platz ein.

Heute absolviert der Junge eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn als Mechaniker, der zweitälteste macht eine Lehre als Textilverkäufer und der kleine mit seinen zehn Jahren will, Stand heute, S-Bahn-Fahrer werden. Damit die Kinder bei ihm wohnen können, benötigt Janatgul Y. ein Stockbett und einen größeren Kleiderschrank. Und wenn dann noch Geld übrig bliebe für Fahrräder, wäre dies das höchste der Gefühle. Sie könnten zu dritt München und Umgebung erkunden und gleichzeitig etwas für die Gesundheit tun. "Das wäre mein Herzenswunsch", sagt Janatgul Y.

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"Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V." Stadtsparkasse München IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00 BIC: SSKMDEMMXXX

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