Traditionelle Wirtshäuser:Der kulinarische Schatz des Goldachtals

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Der Schex ist ein stattliches Wirtshaus mit markantem Eckbodenerker, der sich über die gesamte Gebäudehöhe erstreckt. (Foto: Stephan Goerlich)

Das Gasthaus "Zum Schex" in Sankt Wolfgang wurde im 16. Jahrhundert erbaut und diente ab 1756 als Gerichtsgaststätte. Das Ambiente lässt sich bewundern, während man die vielfach ausgezeichnete Küche genießt

Von Thomas Daller, Sankt Wolfgang

Eingebettet zwischen sanft geschwungenen Hügeln, die sich zu den Gatterbergen hin erstrecken, liegt das Tal der Goldach mit der Gemeinde Sankt Wolfgang im Landkreis Erding. Die Einheimischen bezeichnen die Region stolz als "Toscana Oberbayerns". Und stolz sind sie in Sankt Wolfgang auch auf das Gasthaus "Zum Schex", das zu den besten in Bayern zählt. Das hat Wirt und Küchenmeister Anton Silbernagl schriftlich: Seit 1985 beteiligt er sich am Wettbewerb "Bayerische Küche", den der Freistaat alle drei Jahre veranstaltet. Er war immer unter den ersten 50 in Bayern. Jedes mal hat er Gold gewonnen und zwei mal wurde er Bezirkssieger als beste bayerische Küche in Oberbayern.

Der Schex ist ein stattliches Wirtshaus mit markantem Eckbodenerker, der sich über die gesamte Gebäudehöhe erstreckt. Erbaut wurde es im 16. Jahrhundert, als noch die Reichsgrafen von Haag über die Gegend herrschten. Das Haus war einst im Besitz des hier ansässigen Chorherrenstiftes, der Schex kann mit historischer Bausubstanz und originalem Interieur aufwarten. Es verfügt auf der Westseite über einen von Kastanien umgebenen Wirtsgarten, im Obergeschoss befindet sich der Festsaal, der Platz für mehr als 300 Gäste bietet. Die historische Gaststube im Erdgeschoss mit Erker, altem Steinboden und Kachelofen ist ein Kulturdenkmal: Im 18. Jahrhundert, als Kurfürst Karl Albrecht, der spätere Kaiser Karl der VII., Sankt Wolfgang zur Hofmark erhob, und dem Ort die niedere Gerichtsbarkeit, das Vogteirecht verlieh, wurde in dieser Stube Gericht gehalten. Eine schwere spätgotische Balkendecke mit kunstvollem Flechtwerk auf den Durchzügen befindet sich darin, die noch nie restauriert wurde, weil sie beim Bau mit Ochsenblut versiegelt wurde. Auf einem der Balken steht heute noch die fromme Ermahnung an die damaligen Richter: "O Richter richte recht / Gott ist Herr und du bist Knecht / gleich wie du Mensch wirst hier richten mich / so wird Gott auch richten dich". Datiert ist die Inschrift aus dem Jahr 1756.

Mehr als 300 Gäste haben bei Veranstaltungen im großen Festsaal Platz, wenn anders bestuhlt werden kann als in Corona-Zeiten. Dort findet auch das alljährliche Politikerderblecken statt. (Foto: Stephan Görlich)

Von dieser Wirtsstube gehen zwei Räume ab: Zum einen die Weinstube, die 40 Jahre lang als Bürgermeisterzimmer diente, weil Anton Silbernagls Großvater auch Bürgermeister von Sankt Wolfgang war. Zum anderen die dunkel getäfelte Kuchlstubn der ehemaligen Küche unter einem mächtigen Kreuzgewölbe. Gekocht wird darin nicht mehr, die Speisen werden in einem modernen Anbau zubereitet.

Hier werden die Schweinshaxen täglich frisch im Holzofen gebraten und nebenan in der eigenen Metzgerei wird noch selber gewurstet. Im Kühlschrank reifen die Lenden von heimischen Ochsen und Färsen sieben Wochen lang bei einem Grad plus, damit das schön marmorierte Fleisch noch saftiger und mürber wird. Silbernagl hat vor seiner Koch- noch eine Metzgerlehre absolviert, er wählt das Fleisch, das er zubereitet, mit sehr viel Sachverstand aus. So nimmt er für seine Kalbsschnitzel nur Fleisch aus der Kalbssteakhüfte, weil es das zarteste und beste sei. Anton, den alle nur "Done" oder "Schex" nennen, legt besonderen Wert auf die regionale Küche. Er kauft Fleisch von drei Metzgern und den Jägern aus der näheren Umgebung hinzu, Kräuter und Gemüse bekommt er immer frisch bei einem Biogärtner im Isental, den er seit Jahrzehnten kennt und schätzt. Frischen Fisch bezieht er aus Rosenheim. Die Küche ist saisonal ausgerichtet. Aktuell stehen beispielsweise Reherl oder Schwammerlsuppe mit Knödel auf der Tageskarte.

Erbaut wurde es im 16. Jahrhundert. Alte Fotografien und Dokumente wie von dieser Hochzeit schmücken die Wände des Gasthauses. (Foto: Stephan Goerlich)

Die Auswahl ist groß, von der Bauernente über gebackenen Kalbskopf, Ochenbackerl und Tafelspitz hin bis zum Zanderfilet. Die alten regionalen Rezepte hat er noch von seiner Mutter Elisabeth, die sie selbst wiederum von ihrer Mutter hatte. Die war Köchin beim Spöckmeier, damals das beste Restaurant in München. Hinzu kommen eigene Ideen wie das Carpaccio von der hausgeräucherten Gänsebrust, seine Trilogie vom Ochsen oder Saiblingsnockerl. Selbstverständlich gebe es auf der Tageskarte auch immer etwas Vegetarisches, nicht nur die obligatorischen Kasspatzen, sondern saisonal frische Gerichte.

Der Schex ist ein Familienbetrieb. Neben seiner Frau Anita unterstützen ihn auch seine Töchter Juliane, Lena, Laura und Lisa sowie rund 25 Mitarbeiter. Sie sind ein bestens eingespieltes Team. Bei Hochzeiten oder beim legendären Starkbierfest dürfen auch mal 300 Gäste nicht lange auf ihr Essen warten.

Was der Nockherberg für die Münchner ist, ist dieses Starkbierfest beim Schex für den Landkreis. Hier ist das Derblecken Chefsache. Gastwirt Anton Silbernagl bereitet in seiner Fastenpredigt die Anekdoten auf, die er das ganze Jahr über am Stammtisch aufgeschnappt hat, würzt das Ganze mit ein paar hintersinnigen Pointen und serviert es den Gästen auf seine charmante Art. Dabei bleibt er immer fair und humorvoll. Beleidigte Leberwürste stehen nicht auf der Speisekarte. Es ist immer wieder ein rhetorischer Seiltanz, den Done beim politischen Derblecken meistert. Denn eine Brauerei beispielsweise, die sich für ihr Starkbierfest einen Gastredner holt, ist aus dem Schneider, wenn sich der im Ton vergreift - dann lädt man ihn im nächsten Jahr halt nicht mehr ein. Aber wenn der Wirt persönlich zu sehr ins Fettnäpfchen tritt, trink der pikierte Gast halt künftig sein Bier woanders. Zahnlos darf er aber auch nicht lästern, sonst wird es langweilig. Und diesen spitzbübischen Witz beherrscht der Schex, nicht nur beim Starkbierfest, sondern auch im alltäglichen Umgang mit seinen Gästen. Wenn irgendwo in der Gaststube oder im Wirtsgarten schallend gelacht wird, ist meist der Done nicht weit. Auch seine Frau Anita hat einen trockenen Humor. Einem Stammgast, der solche Scherze zu schätzen weiß, serviert sie schon mal die Schwammerlsuppe mit der Bitte, er möge gleich zahlen; wegen der Schwammerl, man wisse ja nie ...

Diese altbayerische Gemütlichkeit, das gute Essen und auch die Gaudi, die man hier findet, lockt auch überregional Gäste an. Beispielsweise Regisseur Franz Xaver Bogner, der in Ebersberg gebürtig ist und durch Serienklassiker wie "Irgendwie und sowieso" bekannt wurde. Hier hat er sich für den Titel einer weiteren Serie inspirieren lassen: "Der Kaiser von Schexing" geht auf den Schex in Sankt Wolfgang zurück. Gedreht wurde im Nachbarort Isen.

Wer nun statt Kaiser von Schexing als Gast König beim Schex sein will, sollte gerade am Wochenende reservieren. Seit der Wiedereröffnung nach der coronabedingten Pause ist der Wirtsgarten immer gut gelaufen. Aber wenn man vorher anruft, findet sich immer ein Platz beim Schex.

© SZ vom 02.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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