Zwischen Welten:Hilfe mit Musik

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Emiliia Dieniezhna (Foto: Bernd Schifferdecker)

Unsere ukrainische Kolumnistin hat das Wohltätigkeitskonzert einer Band aus Charkiw besucht und mit dem Sänger und Songschreiber darüber gesprochen, warum die Musiker ihre Heimat nicht verlassen haben.

Von Emiliia Dieniezhna

Am Sonntag habe ich ein Konzert der ukrainischen Band Papa Karlo und Freunde besucht. Schon bei der Fahrt mit dem Bus zum Kulturzentrum bei der Ukrainischen Kirche in München war ausgelassene Faschingsstimmung zu spüren. Viele Kinder und Erwachsene hatten sich verkleidet. Ich wollte auch feiern, aber ich wusste, dass das Treffen mit der Band für ein Interview nicht ganz leicht sein würde.

Die Gruppe kommt aus Charkiw, einer Stadt im Osten der Ukraine, die zu trauriger Berühmtheit gelangte, weil sie ständig von Russland bombardiert wird. Die Musiker sind in ihrer Heimat geblieben, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Mit ihrer Hilfe für Kriegsopfer begannen sie bereits 2014, als Russland die Krim annektierte. Ich wollte in München nicht nur ihre Musik hören, sondern auch darüber reden, wie sie in Charkiw leben können.

"Papa Karlo", eine Band aus Charkiw, die in München ein Wohltätigkeitskonzert gegeben hat, um von den Spenden Kriegsopfer zu unterstützen. (Foto: Vlad Plis/oh)

Die Wohltätigkeitstour von Papa Karlo dauert zwei Wochen und trägt den Titel "Charkiw-Stahlbeton". Das soll das Durchhaltevermögen der Stadt und ihrer Bevölkerung symbolisieren. Für mich ist das auch ein Symbol der Band. Es scheint, dass die Mitglieder umso stärker werden, je aggressiver Russland die Ukraine attackiert.

Der Solist und Songschreiber Vasyl Ryabko erzählte mir, dass auf Initiative der Band seit Kriegsbeginn Menschen aus den besonders gefährlichen Gebieten in Sicherheit gebracht werden. Oft unter direktem Beschuss der russischen Armee. Am 16. März vorigen Jahren, also ganz am Anfang des Krieges, als die Angriffe besonders stark waren, hatte Ryabko mit dem freiwilligen Helfer Anton Chrustaliow versucht, Menschen aus der Stadt zu holen. Chrustaliow sei erschossen worden, als Vasyl nur einige Meter von ihm entfernt stand. Der Musiker erzählt, wie deprimierend es sei, dass so viele Freunde und Bekannte im Krieg sterben müssen. Das Einzige, was ihm helfe, sei, weiterzumachen und Menschen in Sicherheit zu bringen.

Ryabko wird oft gefragt, warum er und seine Band-Kollegen das Land nicht verlassen haben, außer jetzt für ihre Tour, auf der sie Spenden für die Armee und Zivilisten sammeln. Seine Antwort sei immer dieselbe: "Wir machen das für unsere Familien, unsere Kinder und uns selbst. Solange wir das machen können, wird uns das den Sieg näherbringen."

Natürlich hat sich der Krieg auf Kreativität und Repertoire der Band ausgewirkt. Papa Karlo singen ukrainischen Rock'n'Roll, Blues, Country und Pop-Musik. Sound und Texte allerdings sind kompromissloser geworden. Es wird mehr geflucht. Ryabko sagt, es sei kaum möglich, nur nette Wörter zu benutzen, "wenn eine Rakete in dein Haus fliegt und dein Leben oder das Leben deiner Stadt zerstört". In diesem Punkt kann ich ihn ganz gut verstehen. Nicht zu schimpfen, wenn es um den russischen Angriffskrieg geht, ist auch für mich schwierig.

Seit Kriegsbeginn singen Papa Karlo auch in der U-Bahn, in den Bunkern und selbst an der Front bei Charkiw. Deshalb darf die Band ihre Fans nicht im Voraus, sondern erst in allerletzter Minute informieren, wann und wo sie spielen wird, damit die russische Armee den Auftritt nicht mit Raketen attackiert.

Die Wohltätigkeitstour von Papa Karlo neigt sich nun dem Ende zu. Von München aus geht es über Polen zurück in die Ukraine. Das von den Zuschauern gespendete Geld aus dieser Tour wird für den Kauf von Prothesen für ukrainische Kriegsverletzte und Strom-Generatoren für Zivilisten und Soldaten gespendet.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Von dort aus arbeitet sie ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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