Vor wenigen Wochen ist in der SZ ein Artikel darüber erschienen, dass die Integration von geflüchteten Kindern in Brückenklassen nicht gut funktioniert. Dazu hat es in meinem Bekanntenkreis viele Diskussionen gegeben. Ich bin ja selber Lehrerin für Englisch und Deutsch in einer solchen Brückenklasse und habe mir auch meine Gedanken dazu gemacht.
Beginnen möchte ich mit einem Satz, den ich von einer sehr klugen und fleißigen ukrainischen Schülerin gehört habe, als wir über Integration sprachen. Sie ist 13 Jahre alt und eine von meinen Lieblings-Schülerinnen. "Man erwartet von uns, dass wir uns schnell in die deutsche Gesellschaft integrieren, wir möchten das aber nicht", hat sie gesagt. Das war für mich eine Überraschung, aber es ist Tatsache. Nicht alle Schülerinnen und Schüler möchten die deutsche Sprache lernen und integriert werden. Stattdessen warten viele eigentlich nur darauf, dass sie in ihre Heimat zurückkehren können.
Die kommissarische Rektorin der Mittelschule Taufkirchen, die in jenem SZ-Artikel erwähnt wird, nennt unter anderen Gründen dieses als Argument, warum die Integration nicht so gut läuft. Ich glaube, dass es sogar der Hauptgrund dafür ist, dass ukrainische Kinder und Jugendliche sich mitunter verweigern. Motivation ist immer der Schlüssel zum Erfolg. Viele sehen ihre schulische Zukunft ausschließlich in der Ukraine.
So lernen sie im Online-Unterricht ihrer Heimatschule, der jeden Nachmittag für drei bis fünf Stunden angeboten wird, aktiv mit, während sie sich in den Brückenklassen zurückhalten. Ein 14-jähriger Junge, der technisch sehr begabt ist, hat mir einmal gesagt: "Ich möchte Programmierer werden, dafür brauche ich Englisch und kein Deutsch. Meine Zukunft ist in der Ukraine, und ich werde dort arbeiten und Steuern bezahlen. Das ist mein Ziel."
Trotzdem haben viele Schülerinnen und Schüler schon ganz ordentlich Deutsch gelernt. Oft können sie sich bereits gut unterhalten. Einige schreiben Mathe-Tests auf Deutsch sogar besser als deutsche Mitschüler. Natürlich hängt das auch von individueller Begabung und Motivation ab.
Nicht vergessen darf man zudem, dass viele der Kinder und Jugendlichen seit weniger als zehn Monaten Deutsch lernen. Einige sind erst Wochen nach dem Krieg hier angekommen, andere sind nicht gleich in die Schule gegangen. In Anbetracht dieser ganzen Umstände finde ich eigentlich, dass die Schülerinnen und Schüler insgesamt gute Fortschritte machen.
Am Ende ist das Konzept der Brückenklassen vielleicht nicht perfekt, aber es ist realistisch. Die geflüchteten Kinder müssen hier in die Schule gehen, sie müssen Deutsch, Mathe und Englisch lernen. Im Regelunterricht kann das aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse nicht funktionieren.
Natürlich wäre es schön, wenn die Brückenklassen ein bisschen kleiner wären. Ich habe 22 Schüler in einer Klasse, sie sind zwischen elf und 17 Jahre alt, das Niveau variiert von der Förderschule bis zum Gymnasium. Das ist nicht einfach. Aber für kleinere Gruppen mit mehr Differenzierung fehlen die Lehrer. Doch die meisten Schulleitungen bemühen sich um innovative Lösungen. So besuchen an einigen Schulen die Kinder zum Beispiel neben den Brückenklassen auch den Regelunterricht und haben dort mehr Kontakt zu deutschen Lehrern und Schülern. An den anderen Schulen wird den Kindern empfohlen, nachmittags das örtliche Jugendzentrum zu besuchen, um neue Freunde zu finden und Deutsch zu üben. In einem Gymnasium werden deutsche Eltern als Lehrassistenten für Mathe ehrenamtlich eingesetzt. Das hilft, die Klasse in kleine Gruppen zu teilen.
Es gibt kein perfektes Rezept für diese Situation. Aber ich bin dankbar für dieses Konzept, das für die geflüchteten ukrainischen Schüler entwickelt wurde, denn es ist im Interesse der Kinder, auch wenn diese das nicht immer gleich verstehen.
Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Von dort aus arbeitet sie ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.