Nachruf:Edgar Liegl ist tot: "Er wird fehlen"

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Edgar Liegl, Mitbegründer des Scharfrichterhauses in Passau, vor der namensgebenden Figur. (Foto: Armin_Weigel/picture-alliance / dpa)

Der Mitbegründer des Passauer Scharfrichterhauses ist mit 84 Jahren gestorben. "Jeder muaß amoi gehn", hat er selbst gesagt. Aber er hätte so gerne noch ein Buch über das Flanieren geschrieben.

Von Sabine Buchwald

Aus Lust am Widerstand gegen die Herrschaftsverhältnisse gründeten Edgar Liegl und Walter Landshuter 1977 in Passau das berühmte Scharfrichterhaus. Sie schufen für Bruno Jonas, Sigi Zimmerschied und viele andere Wortakrobaten eine Bühne, auf der die - besonders in den Anfangsjahren sehr streitlustig - gegen Gott und die Welt wettern konnten. Das erzeugte Unbehagen in der von katholischer Kirche und CSU geprägten Drei-Flüsse-Stadt, in der auch die örtliche Presse stramm auf der Seite der Mächtigen stand.

"Die Himmelskonferenz", das erste Theaterstück von Jonas und Zimmerschied, löste allergrößte Empörung in Passau aus. Der Vorwurf, Blasphemie zu unterstützen, lastete lange auf allen Beteiligten, doch Liegl und Landshuter ließen sich nicht unterkriegen. Das Duo L & L, wie Liegl es nannte, schrieb deutsche Kabarett-Geschichte. Kleinkunstbühnen seien damals noch Orte der Provokation, der Gegenöffentlichkeit gewesen, sagte Liegl rückblickend in einem SZ-Interview. Sie seien besessen gewesen von der Idee, die kulturpolitischen Verhältnisse in Passau zu verändern.

Liegl war in den Siebzigerjahren kaufmännischer Leiter eines Autohauses, doch stand ihm der Sinn nach ganz anderem. Während Landshuter in dem von Liegl und dessen damaliger Frau günstig erworbenen, aber renovierungsbedürftigen Scharfrichterhaus blieb, zog es ihn nach München. Nach kurzer Zeit fühlte er sich weniger als Niederbayer denn als Schwabinger. Er begann, Politik zu studieren und wurde dann selbst Dozent, unter anderem für "Kultur- und Medientheorie" an der FH, der heutigen Hochschule München. Er genoss das freigeistige Flair der Großstadt, legte sich Seidenschals um den Hals und beobachtete oft schlendernderweise die Menschen. Seine Liebe zum Theater, zur Literatur und Philosophie wirkte auf andere ansteckend. Ein "Leichtfuß, eine Frohnatur, ein Springinsfeld" sei Liegl gewesen, sagt Landshuter, so ganz anders als er selbst.

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"Finanziell war die Anfangszeit schwierig, aber es war auch wichtig für uns, ihn in München zu haben", resümiert Landshuter weiter. Liegl knüpfte Verbindungen zu Kabarettisten und Musikern, die er dann nach Passau holte. Fast jedes Wochenende fuhr er zurück in seine alte Heimatstadt und brachte seine Leichtigkeit mit.

1983 riefen Landshuter und Liegl den Kabarettpreis "Scharfrichterbeil" ins Leben. Der erste Preisträger war der damals 18 Jahre alte Hape Kerkeling, dem Liegl das schwere Beil in die Schülerhände drückte. Zum 40. Wettbewerb im Dezember 2023 kam Kerkeling noch einmal ins Scharfrichterhaus. Ausdrücklich ließ er Liegl grüßen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein konnte.

Dass Liegl nun nie mehr dabei sein wird, trifft das Team im Scharfrichterhaus sehr. "Er wird fehlen, es ist für uns absolut traurig", sagt der heutige Scharfrichterhaus-Betreiber Matthias Ziegler. Ihm hat Liegl nach und nach die Immobilie mit Bühne, Gasthaus und Kino verkauft. "Er hatte immer einen Adorno-Spruch auf den Lippen", sagt Walter Landshuter, für den Tod aber nur einen lakonischen Satz übrig: "Jeder muaß amoi gehn". Am Morgen des 4. Januar ist Edgar Liegl dann doch für alle überraschend gegangen.

Im Februar wäre er 85 Jahre alt geworden. Ein Buch über das "Flanieren" hat er nicht mehr geschafft. Seinem Wunsch entsprechend wird er in Passau beigesetzt. Im Scharfrichterhaus liegt ein Kondolenzbuch aus.

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