Ortsjubiläum:Die Erben eines edlen Bajuwaren

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In der "Königsurkunde" von 1040, unterzeichnet von Heinrich III., wird die Grafschaft Steinhöring erstmals als territorialer Begriff genannt. Hobbyhistoriker Thomas Grundmann von Holly (links) und der Leiter des Festausschusses Christian Schächer präsentieren stolz die Replik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

1200 Jahre Steinhöring: Im Juni gibt es eine Festwoche mit Lustbarkeiten für jedes Alter und einer historischen Ausstellung. Gezeigt werden Repliken von Urkunden sowie erstmals von Funden aus Reihengräbern.

Von Michaela Pelz, Steinhöring

Vorsichtig öffnet Hobbyhistoriker Thomas Grundmann von Holly die große Dokumentenrolle. Zwar handelt es sich um Repliken, die Originale lagern im Hauptstaatsarchiv, aber es ist der Inhalt, auf den es ankommt. Denn was dort steht, sorgt dafür, dass vom 13. bis 17. Juni ganz Steinhöring auf den Beinen sein und der Ort zum Besuchermagnet avancieren wird.

Auf dem ersten Dokument, aus den "Traditionen" des Hochstifts Freising, ist eine Schenkung vermerkt: Ein Kirchenmann namens Mahali übereignet Bischof Hitto das vom Vater ererbte "Steinheringa". Datum: 9. April 824. So gibt es den Ort also offiziell seit 1200 Jahren. Verglichen damit, nimmt sich das 150-jährige Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr, das ebenfalls gefeiert wird, fast bescheiden aus.

Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 824. Zu finden ist sie in den 'Freisinger Traditionen'. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch bewohnt war die Gegend rund um die "Siedlung der Leute des Steinher", benannt nach einem Edlen der Bajuwaren aus der Merowingerzeit, bereits vor der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes. Das bezeugen Funde in Form von Waffen, Schmuck oder Geschirr aus dem Neolithikum sowie aus Bronze-, Urnenfelder- und Römerzeit.

Einen Eindruck davon verschaffen während der Festwoche ganz besonderer Exponate - oder besser deren Repliken. Unter anderem handelt es sich dabei um ein Kurzschwert, eine Gürtelgarnitur und Ohrringe. Diese Nachbildungen befinden sich derzeit in der Obhut von Hans und Beatrix Bodmeier, deren Bauvorhaben nämlich hat die Preziosen 1976 überhaupt erst ans Tageslicht befördert.

Prachtvolles Detail einer Gürtelgarnitur - das Grab stammt wohl aus dem Jahr 630 nach Christus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als beim Ausschachten menschliche Knochen gefunden wurden, stoppte man umgehend die Arbeiten. Die alarmierten Fachleute legten zunächst den Bereich frei, auf dem das Haus entstehen sollte. Nur eine gute Woche habe die Verzögerung gedauert, erinnert sich Beatrix Bodmeier, dann habe man weiterbauen können. "Um den Rest des Reihengräberfelds hat man sich dann 1977 gekümmert."

Da gab es reichlich zu tun: 255 Individuen waren es am Ende, begraben schätzungsweise zwischen 650 und 630 nach Christus. Angesichts weiterer ähnlicher Bestattungsorte in der Region gilt das Reihengräberfeld als Hinweis auf eine ehemalige römische Handelsstraße, die auch später noch genutzt wurde.

Oben die Replik des Sax, wie es bei den Ausgrabungen gefunden wurde. Unten eine Nachbildung, wie das Kurzschwert tatsächlich einmal ausgesehen haben könnte. Das Grab ist auf etwa 630 nach Christus datiert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Interessant sind vor allem die Grabbeigaben. In mehr als 50 der Männergräber fand man ein "Sax". Da dieses Kurzschwert praktisch jeder trug, hätten es sogar noch mehr sein können. Man denkt, dass die restlichen Waffen wohl von Grabräubern entfernt wurden.

Woran diese sich möglicherweise aufgrund der verwendeten christlichen Symbole nicht trauten, sind die goldenen Ohrringe aus dem Frauengrab Nummer elf. Solche Schmuckstücke byzantinischer Machart waren zu jenen Zeiten sehr kostbar und wurden längst nicht jeder Verstorbenen mit auf den letzten Weg gegeben. Also denkt man, dass die frühere Trägerin (im Alter zwischen 40 und 60 Jahren) von Rang und Namen war.

Die goldenen Ohrringe mit christlichen Motiven wurden in Byzanz gefertigt und einer wahrscheinlich vornehmen Dame auf ihrem letzten Weg mitgegeben (Grabdatierung etwa 650 nach Christus). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

So wird durch diese Ausstellungsstücke das Leben und Schicksal der Menschen aus längst vergangenen Zeiten greifbar und anschaulich. Dieses Ziel hat auch das Jahresprojekt der Grundschule Steinhöring, wo man sich in sämtlichen Fächern mit der Bajuwarenzeit beschäftigt. Zuvor absolvierte das Kollegium extra eine museumspädagogische Fortbildung im Bajuwarenhof Kirchheim. Während der Festwoche gibt es auf dem Pausenhof unter der Federführung der Gruppe Nors Farandi historische Handwerksvorführungen. So haben nicht nur die jüngsten Steinhöringer Gelegenheit, Geschichte anschaulich zu erleben.

Doch das vom Festausschuss rund um Leiter Christian Schächer auf die Beine gestellte Programm hat noch zahlreiche weitere Höhepunkte für alle Altersstufen zu bieten - von der Postkutschenfahrt bis zum Tanzvergnügen. Inhaltlich wolle man, so Schächer, vor allem die Ortsgeschichte beleuchten. "Unser Ziel ist es, das Dorfleben zu zeigen: Was hat Steinhöring geprägt?" Hier gebührt eine Erwähnung der Adelsfamilie von Delling zu Hueb, der indirekt das, leider fehlinterpretierte, Wappentier zu verdanken ist.

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Die Verkehrslage wird zur Sprache kommen und die Bedeutung, die der Route zwischen München und Salzburg bereits zukam, als es in Steinhöring noch jene bedeutende Poststation gab, die ebenfalls im Wappen verewigt ist. Auch die Eisenbahn wird eine Rolle spielen und ebenso der Einrichtungsverbund.

So sah der Ort einmal aus - diese historische Postkarte zeigt Steinhöring. (Foto: Christian Endt)

Errichtet von 1925 bis 1929 auf dem Lagerbierkeller der Brauerei Höfter als Altenheim für Pfarrer und Pfarrhaushälterinnen, entstand dort nach diversen Besitzwechseln das erste "Lebensborn"-Entbindungsheim der SS. Nach dem Krieg wurde daraus ein überregional bekanntes Kinderkrankenhaus, bis man es 1971 zum Betreuungszentrum umfunktionierte.

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Trotz des riesigen Schatzes an historischen Informationen, die der Initiator des Heimatvereins, Grundmann von Holly, schon seit Ende der 80er zusammengetragen und bereits 1999 in eine Gemeindechronik gegossen hat, ist diesem wichtig, dem Publikum mit all den Nachbildungen "vor allem etwas fürs Auge" zu präsentieren. "Es geht nicht darum, dass die Menschen viel lesen sollen. Alles wird erklärt, aber kurz."

Im Vordergrund stünde vielmehr das Zusammenkommen, ergänzt er. "Das hatten wir schon lange nicht mehr." Und Schächer, der auch Zweiter Bürgermeister ist, stellt klar: "Unser Ziel ist ein schönes Fest für Steinhöring." Und die Gemeinschaft der aktuell knapp 4200 Bürgerinnen und Bürger scheint auf dem besten Weg dorthin. Schon jetzt im Vorfeld sind viele auf unterschiedlichste Weise in das Jubiläum involviert, nachdem das Konzept beim Vereinskartell und bei der Bürgerversammlung vorgestellt worden war. Das genaue Programm wird demnächst bekannt gegeben.

Eindeutig zu erkennen: "Steinheringa" auf der Königsurkunde von 1040. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und was ist nun mit dem zweiten offiziellen Schriftstück, im Format 58 mal 48 Zentimetern, das die Organisatoren so sorgsam hüten? In der Urkunde vom 1. Januar 1040, unterschrieben von König Heinrich III., wird Steinhöring erstmals "Grafschaft" genannt. Auch das Kloster Ebersberg findet dort Erwähnung. Als in ebendieser Grafschaft befindlich.

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