In den Neunzigern gab es einen Hit, da fragte sich die US-Sängerin Paula Cole: "Where have all the cowboys gone?" Wo sind die ganzen Cowboys hin? Nicht weniger dramatisch raunt es derzeit durch die Rathäuser des Landkreises Ebersberg: Wo sind all die Ingenieure hin? Unter anderem dieser Berufsstand wird nämlich derzeit im Öffentlichen Dienst händeringend gesucht. Manche Stelle ist schon seit mehreren Monaten vakant, Bewerbungen: Null.
Im Zornedinger Rathaus ist die Personalnot gerade im Bauamt ein großes Thema. Zwei Stellen sind schon seit etwa sechs Monaten nicht besetzt; eine Verwaltungsstelle im Bauplanungsrecht und eine für einen Techniker beziehungsweise Ingenieur, beide im gehobenen Dienst angesiedelt. "Bautechniker und Ingenieure bekommen in der freien Wirtschaft einfach weitaus höhere Entgelte", sagt Daniel Komnick, Geschäftsleiter im Rathaus, "und gleichzeitig eine ganz andere Work-Life-Balance." Während man in manchen Unternehmen oft vier von fünf Tagen Home-Office machen könne, sei bei der Arbeit im Rathaus eine gewisse Präsenzpflicht nötig.
Im Zornedinger Rathaus setzt man auf externe Dienstleister und Quereinsteiger
Was passiert, wenn die Stelle nicht besetzt werden kann? "Andere Kollegen müssen die Aufgaben dann übernehmen", erzählt Komnick. Auch sei das Miteinbeziehen externer Dienstleister eine Möglichkeit, von der man immer wieder Gebrauch mache. Diese müssten allerdings immer wieder neu eingearbeitet und betreut werden. Auch habe man gute Erfahrungen mit Quereinsteigern gemacht. Problem hier: Sie können nur in eine höhere Entgeltgruppe gestuft werden, wenn sie sich nachqualifizieren. Das wird zwar angeboten und gefördert vom Rathaus Zorneding - aber es dauert.
Auch für den Bürger hat die Personalnot an Rathäusern Konsequenzen. Manche Projekte verzögern sich, so Komnick, wie etwa derzeit die Neuaufstellung eines Flächennutzungsplans. Eigentlich sei das die Hauptaufgabe von einem Sachbearbeiter über ein Jahr oder länger. Solange das keiner übernehmen kann, heißt es: Warten. "Sowas liegt dann", so der Geschäftsleiter.
Dabei hat ein Arbeiten im Rathaus durchaus seine schönen Seiten, zählt Komnick auf: die enge Zusammenarbeit mit den Bürgern und der Politik, vielfältige persönliche Fortbildungsmöglichkeiten, die Möglichkeit, sich die Arbeitszeit relativ frei einteilen zu können. "Man ist gut im Ort integriert, und es herrscht ein sehr persönliches Miteinander", sagt er. Doch das erste Lockmittel bleibe nun mal das Entgelt, an dem von Seiten des Rathauses wenig geschraubt werden kann. Wer im Öffentlichen Dienst arbeitet, verdient etwa im deutlich günstigeren Lebensumfeld Mecklenburg-Vorpommern genauso viel wie im hochpreisigen Bayern. Einzig die so genannte Ballungsraum-Zulage kann in Ebersberg noch zusätzlich zu dem bundeseinheitlichen Tarif gezahlt werden. "Und das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein", so Komnick.
Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Jan Paeplow (CSU), Bürgermeister des Marktes Kirchseeon. Nicht nur für das Bauamt sei es immer wieder schwierig, qualifiziertes Personal zu finden, auch nach Azubis suche man derzeit lange. Pro Jahr werde ein Auszubildender im Rathaus eingestellt, der sich zuerst zum Verwaltungsfachangestellten ausbilden lässt und danach spezialisiert wird, etwa für das Sozialamt, das Bürgerbüro oder die Kasse. "Seit ein, zwei Jahren bekommen wir dafür deutlich weniger Bewerbungen", so Paeplow. Doch nicht nur das Finden guter Mitarbeiter sieht er als eine Aufgabe - sondern auch das Halten. Immer wieder würden Rathausangestellte von Anrufen berichten, bei denen andere Kommunen versuchen, sie abzuwerben - auch landkreisübergreifend. "Aber ich finde, wir sind da gut aufgestellt in Kirchseeon", sagt Paeplow. "Wir haben ein gesundes Arbeitsklima, und ich hoffe, dass es so bleibt."
In Vaterstetten kann die Bauberatung nur noch eingeschränkt angeboten werden
Die Konsequenzen des Fachkräftemangels im Rathaus zu spüren bekommen auch die Vaterstettener. Im Bauamt fehlt qualifiziertes Personal, so dass die Bauberatung vom 10. bis 21. Oktober nur noch eingeschränkt angeboten werden kann. Wie es in einer Pressemitteilung heißt, findet auch Parteiverkehr in diesem Zeitraum nicht statt.
Bildung im Landkreis:Plädoyer für die Berufsausbildung
Was soll zuerst gebaut werden, das Poinger Gymnasium oder die Berufsschule in Grafing? Unternehmer aus Ebersberg beziehen nun klar Stellung.
Gleich zehn offene Stellen hat das Rathaus Poing derzeit aufzuweisen. Manche wurden sogar schon mehrmals ausgeschrieben, wie etwa der Posten als Klima- und Umweltschutzbeauftragter oder als Digitalbeauftragter. "Das sind sehr wichtige Stellen, die wir gerne besetzen würden", betont Muriel Brodbeck, Geschäftsleiterin in der Gemeinde Poing. "Aber der Bewerbermarkt ist leer gefegt." Wenn sich jemand melde, dann sei er meistens fachfremd oder anders qualifiziert.
Weil die Themen Klimaschutz und Digitalisierung jedoch wichtig seien, würden sie trotzdem angeschoben. Vor allem für die Angestellten im Rathaus bedeutet das mehr Arbeit. "Die Digitalisierung treiben wir auch ohne speziellen Mitarbeiter voran", berichtet Brodbreck. "Das geht eben langsamer." Dem einzelnen Mitarbeiter, so die Geschäftsleiterin, ringen diese zusätzlichen Aufgaben viel Zeit ab. Trotzdem hat es Poing geschafft, kürzlich als erste Kommune im Landkreis die Auszeichnung "Digitales Amt" zu erhalten.