In knallig-orangener Arbeitskleidung läuft Franz Eder seinen Acker entlang. Daneben reihen sich etwas mehr als 30 in Holzstämme gesägte Gesichter entlang der Straße: Von heiteren bis finsteren Blicken ist bei den Figuren alles dabei. Einige von ihnen sind bis zu zwei Meter hoch. Die längeren wiegen gut und gerne mal bis zu 150 Kilogramm. "Den musste ich mit dem Lader herheben", sagt Eder über eine Skulptur am äußeren Rand der Reihe.
Der 66-Jährige ist der Schöpfer eben jener Holz-Figuren - sie sehen aus wie die berühmten Moai-Figuren auf der chilenischen Osterinsel: üppige Statuen aus Stein mit übergroßen Köpfen, die früher Teil großer Zeremonie-Anlagen waren. Nur haben die Skulpturen von Franz Eder keinen weiten Ozean und keine Vulkanlandschaft um sich herum - auf eine frische Meeresbrise müssen sie im Gegensatz zu ihren Vorbildern in Chile verzichten. Dafür bietet sich ihnen ein Blick auf die Alpen: Eders Moai-Figuren stehen in Kirchdorf, unweit der Grenze zwischen den Landkreisen Ebersberg und Mühldorf.
Die Idee für die Schnitzereien kam von einem Bekannten, erinnert sich Eder. Frisch zurück aus dem Urlaub von der Osterinsel war dieser überzeugt, die Figuren könne Franz Eder doch auch leicht nachbauen. Und in der Tat: Die Umsetzung lief so gut, dass mehr als 40 Moai-Figuren dabei entstanden sind. Die meisten von ihnen stehen nun bei Kirchdorf, einige wenige hat er auf seinem Hof ein paar Kilometer weiter in Maitenbeth aufgestellt, andere hat er verkauft. Vor etwa zwei Jahren, während der Coronapandemie, hat er die meisten der Figuren angefertigt.
Die Arbeit mit dem Holz ist für Eder Entspannung. "Da ist der Kopf frei", erzählt der Rentner. Der gelernte Automechaniker hat die meiste Zeit seines Berufslebens als Vorfeldaufsicht am Münchner Flughafen gearbeitet. Heute verbringt er seine Zeit häufiger im Forst. Das Material für seine Werkarbeiten kommt von einem Waldgrundstück, das ihm gehört. Auch der Acker, auf dem die Skulpturenschau zu sehen ist, ist seiner.
"Am besten eignet sich Erle", erklärt Eder. Für seine Holzarbeiten nutze er aber auch mal Fichte oder Birke. Erle sei allerdings besonders faserfrei, lasse sich daher gut bearbeiten. Die feinen Schnitte gelingen so besser, erzählt er. Wichtig sei auch die Feuchtigkeit im Holz. Das helfe ebenfalls beim Sägen. Für einen kurzen Moment verschwindet Eder auf einem Weg zwischen seinem Acker und dem Wald. Zurück kommt er mit einem Stück Baumstamm auf seinem Lader.
Er lädt Stamm und Holzplanke am Straßenrand ab, dann greift er zur Motorsäge. Alle Figuren, die Franz Eder anfertigt, entstehen mit der Motorsäge. Der 66-Jährige schiebt die Holzplanke unter den Stamm und beginnt mit der eigentlichen Arbeit: Zuerst wird die Kopfdecke geformt. Danach folgen Proportionen für Stirn, Augen und Mund. Die Augenhöhlen werden tief ausgesägt. Jede seiner Figuren ist auf diese Weise entstanden, und zwar genau hier, direkt am Waldrand. "Meine Frau ist nicht begeistert, wenn ich daheim schneide", sagt Eder und schmunzelt.
Etwa vier Stunden kann es dauern, bis er eine Figur fertig hat, für manche braucht er auch einen ganzen Tag. Das sei immer mal anders, erklärt Eder. Der Charakter der Figuren lässt sich einfach mit ein paar Schnitten beeinflussen. Und das Gute: "Verschneiden kann man sich eigentlich nicht", sagt der 66-Jährige, als er mit der Säge gerade an der Stirnpartie ansetzt. Jedes Gesicht sehe eben anders aus, wie auch in der Natur. Einigen Moais verleiht er eine kantige Kopfform und grimmige Augen. Andere wiederum sind rundlicher angefertigt, wirken offen und freundlich. Die Figuren würden mit der Zeit an Schönheit gewinnen, sagt Eder. Dafür sorge die Witterung.
Die Moais sind aber längst nicht das Einzige, was Franz Eder zu sägen weiß. Auf seinem Hof in Maitenbeth finden sich allerlei verschiedene Holzarbeiten, alle selbst gemacht - von Bänken über kleinere Dekofiguren bis hin zu menschengroßen hölzernen Weihnachtsbäumen.
Und die sind besonders begehrt. Nachhaltig und wiederverwendbar seien die Bäume nämlich, sagt Eder. In den vergangenen Jahren seien die Bäume auf Weihnachtsmärkten am Flughafen oder in der Ziegenmeierei aufgestellt worden. Mehrere hundert Euro kostet ein Baum. Acht Stück habe Eder sogar in die USA verkauft, erzählt er. Der Aufwand bei der Anfertigung der Bäume ist allerdings auch entsprechend groß. Einen Christbaum innerhalb eines Tages fertigzustellen, das sei unmöglich - allein schon, weil man beim Sägen unglaublich viel Kraft aufwenden muss.
Bis zu vier Sägen benötigt Eder, um einen der Bäume fertigzustellen. Denn wenn sich das Öl der Säge erhitzt, hinterlässt es früher oder später schwarze Spuren im Holz. Daher muss beim Schnitzen darauf geachtet werden, früh genug wieder abzusetzen und die Säge zu wechseln. Was schließlich bei den Arbeiten an Resten übrig bleibt, wird später zu Brennholz - gleiches gilt für seine Moai-Figuren. Und was sägt Franz Eder nun am liebsten? Schwer zu sagen, wahrscheinlich macht's die Mischung.