Energiewende:Stadt, Land, Energiewende

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PV-Anlage mit Vorbildcharakter. Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetags, wünscht sich mehr solcher lokaler Projekte. (Foto: Merlin Wassermann)

Die Energiewende muss kommen - doch was bedeutet das für die ländlichen Regionen? Auf einer Pressekonferenz stellt der Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Uwe Brandl, dazu ein Positions- und Forderungspapier vor.

Von Merlin Wassermann, Markt Schwaben

Der Nebel hatte den Landkreis an diesem Mittwochmorgen noch fest im Griff, doch am Nachmittag schien dann zum Glück die Sonne. So konnte die Pressekonferenz - mit anschließender Besichtigung der PV-Großanlage bei Markt Schwaben - die "Positionen des ländlichen Raums" zur "klimafreundlichen und krisensicheren Stromversorgung" im besten Licht präsentieren.

Geladen hatte der Bayerische Gemeindetag. Präsident Uwe Brandl und Stefan Graf, Direktor des Energiereferats, fanden sich in Haus, ganz in der Nähe der PV-Anlage, auf dem Hof der Familie Schomer ein. Sie stellten ein Positions- und Forderungspapier vor, das sich an die Bayerische Staatsregierung und an die Bundesregierung richtet.

"Wir brauchen gravierende Verbesserungen bei der Wertschöpfung vor Ort"

Man reagiere damit auf die großen Herausforderungen, die auf den ländlichen Raum im Zuge der Energiewende zukämen. Da der komplette Stromsektor Deutschland bis 2035 treibhausneutral sein soll, müssten dafür wöchentlich unter anderem PV-Anlagen auf der Fläche von 160 Fußballfeldern und circa 1000 Wohngebäuden installiert werden. Der Flächenbedarf ist demnach groß und Fläche ist vor allem auf dem Land zu haben.

Die Gemeinden seien auch grundsätzlich bereit, den Bedarf bereitzustellen, um genügend Strom zu produzieren, so Brandl. "Allerdings brauchen wir gravierende Verbesserungen bei der Wertschöpfung vor Ort." Noch gebe es keinen Anspruch auf eine Beteiligung der Bürger an der Stromgewinnung.

Nicht umsonst hat man sich bei der PV-Anlage in Markt Schwaben getroffen. Wie Markus Henle berichtet, wird die größte Solaranlage des Landkreises vom Eberwerk betrieben, dessen Geschäftsführer er ist. Von den Bürgern wurde die Anlage durch eine Genossenschaft mitfinanziert und der Strom wird an die Kunden des Eberwerks, also vor Ort, abgegeben. "Lokales Wertschöpfen sorgt auch für lokale Akzeptanz", so Henle. Schließlich sei die Bereitschaft in der Bevölkerung, große Flächen zu PV-Anlagen umzunutzen, deutlich höher, wenn selbige Bevölkerung in den Nutzen eingebunden wird.

Teilhabe, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit seien für die Energiewende wichtig

Für den Bayerischen Gemeindetag hat das Vorbildcharakter. "Teilhabe" ist einer der drei großen Oberpunkte, die die Arbeitsgruppe Energiewende/Klimaschutz für das Positionspapier erarbeitet hat. Dazu gehöre etwa auch, dass Land und Bund die Gründung von gemeindlichen Energiewerken unterstützen, oder dass die Rekommunalisierung von Verteilnetzen erleichtert wird.

Ein weiterer zentraler Punkt auf dem Weg zu den erneuerbaren Energien lautet für den Gemeindetag "Selbstbestimmung". "Die Gemeinden wissen am besten, wo die Anlagen hinpassen", so Brandl. Die Planungshoheit sollte deswegen bei ihnen bleiben. "Wir müssen liefern", ergänzt dazu Stefan Graf. "Aber die Gemeinden wollen selbst entscheiden, wo die Anlage hingeht." Nach dem bottom-up Prinzip sollen die Gemeinden Potenziale feststellen und den Planungsverbänden melden.

Gleichzeitig wünscht sich die Arbeitsgruppe - bestehend aus Bürgermeistern und Fachleuten aus der Energiebranche - dass über Bayern hinweg eine Potenzialanalyse durchgeführt und systematisch ermittelt wird, welcher Sektor tatsächlich wie viel Strom liefern kann, auch unter Berücksichtigung der Naturverträglichkeit. Damit ist der dritte große Punkt, "Gerechtigkeit", angesprochen.

"Wenn der ländliche Raum Flächen stellt", so Graf, "dann sollte die Stadt das auch tun." Die Forderung nach PV-Anlagen auf Dächern und bebauten Flächen sollten deswegen möglichst hoch gehalten werden, möglicherweise müsse auch der Denkmalschutz hier angepasst werden. Zudem fordert der Gemeindetag, dass die Kosten des durch die erneuerbaren Energien getriebenen Verteilernetzausbaus bundesweit umgelegt wird.

Auch an anderen Stellen sehen Brandl und Graf Verbesserungsbedarf. So daure es beispielsweise viel zu lange, bis die Baugenehmigung für eine neue PV-Anlage erteilt würde - so wie in Markt Schwaben. "Das Genehmigungsverfahren hat zweieinhalb Jahre gedauert", weiß Markus Henle zu berichten. "Leider."

Der Gemeindetag stellt zehn Forderungen an Land und Bund

Der Gemeindetag stellt aufgrund dessen zehn Forderungen, die er als zentral erachtet, um die Energiewende ohne zu große Interessenskonflikte im ländlichen Raum zu ermöglichen. Punkt eins beschreibt etwa, dass der Freistaat "auf Grundlage des zukünftigen Strombedarfs kurz-, mittel- und langfristige bayernweite Ausbauziele für die erneuerbaren Energien [...] benennen und diese mit dem dafür erforderlichen Netzausbau effizient verschränken muss".

Punkt drei wiederum verlangt, dass für PV- und Windkraftanlagen "aufgrund ihrer Bedeutung für den Klimaschutz auf naturschutzrechtliche Ausgleichspflichten verzichtet werden muss". Geht es nach dem Willen des Gemeindetags, sollten PV-Anlagen - wie Windkraftanlagen - zukünftig auch in Landschaftsschutzgebieten grundsätzlich möglich sein.

Ob die bayerischen Gemeinden alles, was für die Energiewende nötig ist, im Kreuz haben? Uwe Brandl bejaht das: "Sie müssen es haben." Welche der Punkte des Gemeindetags bei Land und Bund tatsächlich auf offene Ohren stoßen, bleibt indes im Nebel.

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