Übung macht den Meister, heißt es doch so schön - wie aber ein Meister werden, wenn es nichts zum Üben gibt? Auch die Auszubildenden und ihre Betriebe im Landkreis Ebersberg werden durch die Corona-Krise vor große Herausforderungen gestellt.
"Eine Pauschalregelung gibt es nicht", sagt Korbinian Kugler über den Umgang mit Azubis im Gastgewerbe. Kugler ist stellvertretender Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga und beschäftigt auch selbst in seiner Gaststätte "Kugler Alm" in Ebersberg einen jungen Menschen in Ausbildung. "Es gibt mehrere Möglichkeiten", so Kugler mit Blick auf den derzeitigen Lockdown. "Entweder nimmt der Azubi jetzt Urlaub, oder er wird im Betrieb beschäftigt - auch wenn es andere Aufgaben sind." Kugler beispielsweise bietet Gerichte zum Mitnehmen an, und so kann der Azubi bei der Vorbereitung in der Küche helfen, Lagerräume ordnen oder Inventur machen. "Von ein paar Kollegen weiß ich, dass deren Auszubildende auch die normale Arbeitszeit erfüllen", sagt Korbinian Kugler. "Zur Zeit müssen zum Beispiel die Biergärten winterfest gemacht werden."
Koch- und Hotel-Lehrlinge könnten auch weiterhin ihrer gewohnten Ausbildung nachgehen, so Kugler, da Hotels für Geschäftsreisende geöffnet haben und viele Küchen weiterhin Speisen zum Mitnehmen anbieten. Korbinian Kugler kann der derzeitigen Situation auch etwas Positives abgewinnen. "Man hat als Betrieb auch Verantwortung, den Auszubildenden theoretische Unterweisungen zu geben", sagt er. "Dazu habe ich jetzt mehr Zeit, ohne den Druck, dass gleich Gäste kommen und das Haus voll ist."
In der Gastronomie-Branche sei es schon in den vergangenen Jahrzehnten schwierig gewesen, Nachwuchs zu finden. Die Corona-Krise verschärfe dies jetzt noch. "Früher hieß es, die Gastro ist krisensicher. Da sind wir jetzt eines Besseren belehrt worden", sagt der Chef der Kugler Alm. Diese Unsicherheit schlage sich auch auf die Bewerberzahlen nieder. Die Berufsschulen, so Kugler, hätten einen deutlichen Rückgang an Bewerbern für die Koch-Ausbildung zu verzeichnen, beim Hotel- und Restaurantfach verhalte es sich ähnlich. "Die Zahlen haben sich knapp halbiert in den letzten Jahren", sagt Korbinian Kugler. Koch oder Gastronom seien weiterhin anspruchsvolle Jobs. "Man muss mental und körperlich fit sein", so Kugler.
Die Kirchengemeinden im Landkreis hatten liebevoll Pläne geschmiedet, um den Gläubigen an Weihnachten trotz Corona schöne Gottesdienste bieten zu können. Die neuen Lockdown-Regeln haben vieles durcheinandergeworfen - und ihnen nun viel Stress und Arbeit bereitet
Dass in Berufsschulen angesichts der Pandemie dieselbe Unsicherheit und angespannte Lage herrscht, wie in anderen Schularten, weiß auch Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger zu berichten. "Ich gehe davon aus, dass Eltern große Sorgen haben, ihre Kinder derzeit in die Berufsschulen zu schicken", so Schwaiger. Auch bei Betrieben, die derzeit keine Praktikanten beschäftigen können, würde es zu Engpässen kommen. "Jeder Betrieb wartet darauf, dass die Arbeit erledigt wird", sagt Johann Schwaiger.
Im Landkreis Ebersberg habe man zum Glück viel in Sachen Berufsorientierung gemacht, sodass dieses Jahr genauso viele Auszubildende wie im Vorjahr in ihre Lehrlingszeit starten konnten - auch ohne Praktika. "Ich glaube schon, dass viele junge Menschen durch diese Projekte zielgerichteter an die Berufswahl herangehen", so der Kreishandwerksmeister. Grundsätzlich habe sich seiner Meinung nach etwas bei den Jugendlichen geändert, weil sie sehen, dass ein gewisser Druck da ist. Auf Dauer sei der derzeitige Zustand jedoch nicht tragbar für die Ausbildung. "Eigentlich müssen junge Menschen sich in Praktika ausprobieren, in die Betriebe rein und dort die Luft schnuppern", sagt Schwaiger. "Nur in der Theorie zu bleiben ist kein Dauerzustand." Er schätzt, dass es auch den ein oder anderen Lehrling geben wird, der dann doch merkt, dass der Beruf nicht das Richtige für ihn ist.
Auch beim Berufsförderungswerk München (BFW) mit Hauptsitz Kirchseeon muss man in Zeiten von Corona umdenken. "Wir haben im März unsere Ausbildung komplett auf Online-Learning umgestellt", so BFW-Sprecher André Stiefenhofer. Seit Pfingsten sei man aber wieder im Präsenzunterricht. Die Einrichtung bietet Umschulungen für Menschen mit Erkrankungen oder Assistenzbedarf in ganz Südbayern; Stiefenhofer spricht von aktuell sechs- bis siebenhundert Rehabilitanden.
Um Abstände wahren zu können, müsse man Kurse manchmal auf mehrere Räume verteilen, teils wird die Veranstaltung dann per Video übertragen. "Praktika zu machen ist gerade schlecht", so Stiefenhofer. Die Vermittlung hier sei vorübergehend auf Pause gestellt. "Das Problem ist, dass die Rahmenausbildungspläne Praktika vorschreiben", sagt er. Doch die zuständige Industrie- und Handelskammer sei sehr kulant, schiebe etwa Prüfungstermine nach hinten, damit die Azubis keine Nachteile durch Corona haben. Valide Zahlen, was die Praktika in den einzelnen Branchen betreffe, gebe es erst im nächsten Frühjahr, so Stiefenhofer. Doch könne man sagen, dass in der Baubranche eigentlich kein Einbruch zu merken ist, jedoch im kaufmännischen Bereich kaum Praktika vermittelt werden könnten. Grundsätzlich gäbe es auch so gut wie keine Praktika im Gesundheitsbereich mit körperlichem Direktkontakt; Azubis, die sich zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit ausbilden lassen, haben hingegen keine Probleme.
