Corona-Proteste:Spaziergänger im Kreis Ebersberg auffällig unauffällig

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Montagsspaziergänger unterwegs in Grafing. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In Grafing, Ebersberg und Markt Schwaben gibt es Spaziergänge gegen die Corona-Maßnahmen. Am Tag danach gibt es Kritik.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Montagsspaziergänger unterwegs in Grafing. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dass sich das Wort Demonstration von der lateinischen Vokabel für zeigen herleitet, ist zwar Allgemeinwissen - dennoch scheint das nicht für alle Demonstrationen zu gelten. In drei Landkreiskommunen fanden am Montag sogenannte Corona-Spaziergänge statt, also Demonstrationen gegen die Infektionsschutzmaßnahmen. Diese waren gut besucht, in Grafing nahmen bis zu 300, in Ebersberg etwa 80 und in Markt Schwaben rund 70 Personen teil. Nur: Wer nicht wusste, warum die ganzen Leute unterwegs waren, hätte das Ganze auch für einen verspäteten Sankt-Martins-Umzug halten können.

Etwa in Grafing, der größten Anti-Corona-Veranstaltung im Landkreis. Auf 18 Uhr ist im Internet für die Veranstaltung auf dem Marktplatz eingeladen worden. Gut eine Viertelstunde vorher beginnt die Polizei Präsenz zu zeigen, mehrere Streifenwagen und Mannschaftsbusse fahren vorbei und beziehen Position in den Seitenstraßen. Nach und nach füllt sich der Platz; dass hier aber gegen oder für etwas demonstriert werden soll, ist nicht zu erkennen: Die Anwesenden tragen weder Transparente, Plakate oder Fahnen, noch sind demonstrationstypische Parolen zu hören. Zumindest nicht von den Teilnehmern des "Spaziergangs", denn es gibt auch eine Gegendemo: Acht junge Leute, die - wie sich an der mitgeführten Antifa-Fahne und den gelegentlichen Rufen nach internationaler Solidarität unschwer erkennen lässt - eher dem linken politischen Spektrum angehören.

Gegendemonstranten mit Antifa-Fahne werden von Polizei auf die Regularien hingewiesen und vom Rest abgetrennt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Welche Agenda die Teilnehmer der weitaus größeren Veranstaltung verfolgen, wird zumindest aus dieser selbst nicht klar. Statt dem üblichen Kundgebungsmaterial tragen einige Lichterketten umgehängt, andere Laternen oder LED-Kerzen. Auch wollen die Teilnehmer offenbar keine klassische Demo abhalten: Als sich kurz nach 18 Uhr immer mehr Personen am Marktplatz einfinden, bittet die Polizei per Lautsprecherdurchsage, einen Versammlungsleiter zu benennen - daraufhin setzen sich die versammelten Leute in Bewegung. Es geht einmal rund um die Grafinger Innenstadt, erst die Griesstraße nach Süden entlang, dann wieder zurück Richtung Zentrum und nach gut einer Stunde versammelt man sich dann vor der Ägidiuskirche. Während der ganzen Zeit sind immer noch keine Parolen zu hören oder keine Plakate zu sehen - außer von der Gegendemo, die in einem von der Polizei verfügten Abstand hinter den "Spaziergängern" folgt. Auf dem Kirchenvorplatz versucht noch jemand, die Nationalhymne anzustimmen. Weil sonst keiner mitsingen mag, bleibt es aber beim Anfang einer Strophe - es ist übrigens ganz harmlos die dritte. Wenig später zerstreut sich die Versammlung, die Leute gehen alleine oder in kleinen Gruppen ihrer Wege.

Gut eine Stunde lang dauert der Rundgang durch Grafing. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Sehr ähnlich - wenn auch ohne Gegendemo - verlaufen die "Spaziergänge" in Ebersberg und Markt Schwaben: Die Teilnehmenden versammeln sich, gehen eine Runde durch die Kreisstadt, beziehungsweise Marktgemeinde, und dann ist auch wieder Schluss. Die Polizeiinspektionen Ebersberg und Poing berichten im Nachgang über keine Konflikte mit den Demo-Teilnehmern, man habe nicht einschreiten müssen. Dass das bemerkenswert ist, liegt daran, dass solche "Spaziergänge" andernorts in den vergangenen Tagen und Wochen durchaus eskaliert waren - im Landkreis Ebersberg indes bleibt alles friedlich.

Eine unangemeldete Demo Anfang Januar in Ebersberg. Seit Wochen versammeln sich auch hier regelmäßig Kritiker der Corona-Politik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kritik an den Veranstaltungen gibt es dennoch, so etwa vom Bündnis "Bunt statt Braun" gegen Rechtsradikalismus im Landkreis. Neben einem Appell an die Solidarität - etwa mit Krankenhauspersonal, Wirten und Einzelhändlern - in der Krise und einer Absage an Egoismus, gibt es vor allem Zweifel an der Motivation der Veranstalter: "Die überregionalen Initiatoren der Corona-Proteste nutzen die Pandemie als Vorwand, um Unruhe zu stiften, die Demokratie zu gefährden und die Gesellschaft zu spalten (...) Eine Gemeinschaft mit den im Verborgenen bleibenden Organisatoren, die gezielt das Versammlungsrecht umgehen und ihre Identität verschleiern möchten, führt in die Irre."

Sehr ähnlich positioniert sich der SPD-Kreisverband, man schließe sich dem Aufruf von "Bunt statt Braun" an: "Die Menschen, die sich diesen Aktionen anschließen, stellen sich gegen die Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie. Gleichzeitig arbeiten im Ebersberger Krankenhaus pflegerisches und ärztliches Personal am Limit", schreibt Kreisvorsitzende Doris Rauscher in einer Pressemeldung. Man stehe "auf der Seite der gewissenhaften Mehrheit der Bevölkerung" und distanziere sich von "den sogenannten Spaziergängern".

Dies empfehlen "Bunt statt Braun" wie die SPD auch allen anderen: "Diesen 'Demonstrationen' sollte jede Bürgerin, jeder Bürger fernbleiben", fordern Erstere, "halten Sie sich von diesen anti-demokratischen Organisatoren fern", appelliert Doris Rauscher.

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