Contra-Kommentar:Kritik, die nach hinten losgeht

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Ebenso deplatziert wie ein Betonblock als Symbol für den Mauerfall, ist die Aktion der Grafinger Jugendlichen, die den Gedenkstein mit Graffiti beschmiert haben.

Kommentar von Andreas Junkmann

Zugegeben, es war schon ein etwas merkwürdiges Bild, als sich in Thomas Huber, Andreas Lenz und Angelika Niebler die gesamte Ebersberger CSU-Prominenz über einen grauen Betonblock im ansonsten grünen Grafinger Stadtpark gelehnt und fröhlich in die Kamera gegrinst hat. Dass das keine parteipolitische Inszenierung sondern ein unabhängiges Gedenken an 30 Jahre Wiedervereinigung war, diese Meinung dürfte Grafings Bürgermeister Christian Bauer (CSU) tatsächlich exklusiv haben. Zumal es sich die vier Politiker außerdem nicht nehmen ließen, vier Bäume als "wachsende Denkmäler" in die Erde zu setzen und ihre vier Namen obendrein auf eine golden schimmernde Plakette eingravieren zu lassen. Es wäre sehr verwunderlich gewesen, hätte diese spontane Aktion zum Tag der Deutschen Einheit nicht für berechtigte Kritik über die Stadtgrenzen hinaus gesorgt. Wäre die CSU weniger eitel gewesen und hätte aus ihrer Idee eine Stadt-Veranstaltung gemacht, man hätte die Mauer zum Beispiel in ein Geschichtsprojekt der örtlichen Schulen integrieren und sich gemeinsam deren Gestaltung überlegen können.

Doch ebenso deplatziert wie ein Betonblock als Symbol für den Mauerfall, ist die Aktion der Grafinger Jugendlichen, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Gedenkstein mit Graffiti beschmiert haben. Zwar hat Thomas Huber selbst gesagt, er könne sich vorstellen, dass sich dort junge Künstler mit der Spraydose verewigen; dass das nur wenige Stunden später in Sachbeschädigung gipfeln würde, hatte der Landtagsabgeordnete aber wohl nicht geahnt. Nichts anderes ist es aber, was sich die Jugendlichen in der Nacht auf Dienstag geleistet haben. Mit ihrer Aktion haben sie gezeigt, dass sie zwar oft den Anspruch für sich reklamieren, politisch zu sein, dass sie aber nicht verstanden haben, wie Politik funktioniert. Statt das Gespräch zu suchen, haben sie Fakten geschaffen. Statt nachzudenken, haben sie gehandelt. Und genau das ist es doch, was sie eigentlich kritisieren wollten.

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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