Freie Wähler im Landkreis Ebersberg:"Distanzieren ist ein Quatsch."

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Distanzieren oder nicht? Die Solidarität der Freien Wähler-Gruppierungen mit ihrer Partei scheint unerschütterlich zu sein. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Mit ihrem Beschluss, sich in Abgrenzung zur Landespartei umzubenennen, steht die Zornedinger Ortsgruppe allein da. In anderen Kommunen reagieren FW-Vertreter mit Unverständnis.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

"Distanzieren ist ein Quatsch." Toni Ried ist sehr bestimmt in seiner Wertung. Persönlich oder mit dem eigenen Ortsverband den Freien Wählern den Rücken zu kehren, das hält der Vorsitzende der Ebersberger Ortsgruppe für Unsinn. Anlass für diese Klarstellung ist eine aktuelle Entscheidung der Freien Wähler in Zorneding, eine "Abgrenzung zur Partei" zu ziehen. Beschlossen in einer Sondersitzung, hat diese Entscheidung die dreiköpfige Gemeinderatsfraktion aus Wilhelm Ficker, Martin und Franz Lenz am vergangenen Donnerstag im Gremium verkündet.

Künftig wolle man wieder "unter der Bezeichnung Freie Wählergemeinschaft Zorneding/Pöring, abgekürzt FWG" auftreten. Anlass dafür sei "die aktuelle Situation und bereits frühere Äußerungen aus der Partei der Freien Wähler", heißt es in einer schriftlichen Begründung der Entscheidung. Einen dezidierten Bezug zu Parteichef Hubert Aiwanger, seinen zuletzt vielfach zitierten rechtspopulistischen Äußerungen und der Affäre um ein menschenverachtendes Flugblatt, das mit ihm in Verbindung gebracht wird, stellte Fraktionschef Ficker zwar nicht her, jedoch lässt der sich unschwer aus dem Statement der Fraktion herauslesen.

"Das ist lang her"

Solch ein Schritt einer im FW-Landesverband organisierten Wählergruppierung ist bisher bayernweit nicht bekannt geworden, und die Befragten im Landkreis Ebersberg zumal reagieren darauf mit einer Mischung aus Verwunderung und Unverständnis. "Ich sehe da überhaupt keinen Grund dafür", bekräftigt Toni Ried. Er selbst finde " so ein Flugblatt", wie es mit FW-Chef Aiwanger in Verbindung gebracht wird, "nicht gut", und natürlich distanzierten er und seine Mitstreiter im Ortsverband sich "vom Inhalt solcher Dinge immer. Wir sind ja Menschen, die sich nicht ideologisch einfärben lassen. Aber die Geschichte hat doch darauf abgezielt, ihn niederzumachen." Aiwanger sei damals, als jenes Pamphlet entstanden war, "15 oder 16 gewesen, das ist lang her". Er glaube, dass viele Menschen kein Verständnis dafür hätten, kurz vor der Wahl solche Dinge aufzubringen und "einen Menschen so fertig zu machen".

Toni Ried sieht keinen Grund dafür, sich ebenfalls von Hubert Aiwanger zu distanzieren. (Foto: Christian Endt)

Auch bei den Freien Wählern in Poing sind bisher keine Abwanderungstendenzen zu beobachten, der Ortsvorsitzende der Freien Wählergemeinschaft, Dritter Bürgermeister und FW-Kreisgeschäftsführer Günter Scherzl kritisiert wie Ried den öffentlichen Umgang mit Aiwanger. Im Ort definiere man sich aber über die Gemeindepolitik, "wir sehen uns als Kraft der politischen Mitte", welche sachliche und am Kommunalen orientierte Politik mache und so in die Landespolitik hineintrage, nicht andersherum. Solch eine Abgrenzung wie die Kollegen in Zorneding "würde ich nicht machen", sagt er, obwohl er der Meinung sei, Aiwanger hätte in der Sache "klarer kommunizieren müssen. Hätte er gesagt, das war eine Jugenddummheit, dann hätte es diese Hängepartie nicht gegeben. Aber so bleibt immer etwas hängen."

Jeder müsse sich sein eigenes Bild machen, sagt Ludwig Maurer

Ludwig Maurer, Bürgermeister von Hohenlinden und Vorsitzender der Unabhängigen Wähler Hohenlinden (ÜWH), verweist zunächst auf die lange Tradition seiner Wählergruppe. Sie sei bereits 1978 im Zuge der Gebietsreform gebildet worden, deutlich vor der Gründung der FW-Landesvereinigung also. Auseinandersetzungen über eine klarere Abgrenzung habe es in der Vergangenheit immer wieder gegeben, unabhängig von Personen allerdings. Im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse aber habe man überhaupt nicht diskutiert, "da hat es keine Anfrage dazu gegeben, auch das Gegenteil wäre ja möglich gewesen". Und schließlich müsse sich jeder sein eigenes Bild machen. Die Unabhängigen unterstützten zwar die Freien Wähler auf Landkreisebene - Maurer sitzt für die Fraktion im Kreistag - "aber hier im Ort wollen wir uns für die Belange der Hohenlindener einsetzen".

Maria Hörtrich ist Landtagskandidatin im Landkreis Ebersberg und stellvertretende Vorsitzende der Jungen Freien Wähler Bayern. Sie stehe "zu 100 Prozent" hinter den Freien Wählern, sagt sie. (Foto: Christian Endt)

Maria Hörtrich, die für die FW im Landkreis Ebersberg als Direktkandidatin bei der Landtagswahl in knapp einer Woche antritt, ist auch stellvertretende Vorsitzende der Jungen Freien (JFW) Wähler Bayern und Mitgründerin der Kreisvereinigung Oberland. Ihr sei kein Ortsverband außer Zorneding bekannt, der eine ähnliche Entscheidung im Zuge der aktuellen Ereignisse getroffen hätte, erklärt sie. Bei den Jungen Freien Wählern sei zwar über die Ereignisse um Aiwanger gesprochen worden, es sei aber von Anfang an klar gewesen, "dass wir zu 100 Prozent hinter den Freien Wählern im Land stehen". Das heiße nicht, "dass wir die gleichen Ansichten haben, aber das ist ja Demokratie". Man streite ja immer wieder mit der Mutterpartei, aber sachlicher Streit sei ja auch nichts Schlimmes. Dass aber in einem Wahljahr "auch mal schärfere Ausdrücke fallen, finde ich normal". Sie selbst stehe hinter Aiwanger, hätte aber "die Dinge auch anders formuliert". Aber die Offenheit sei es ja, die die Freien Wähler ausmache, das drücke sich schließlich auch Doppelstruktur von Verband und Vereinigung aus.

"Das Schöne ist, dass wir nicht glattgebügelt sind"

Wer sich von der Landesvereinigung abgrenze oder löse, argumentiert der Vaterstettener Ortsvorsitzende und neue Kreisvorsitzende der Freien Wähler Klaus Färber, schneide sich damit ins eigene Fleisch. Durch die Bindung an die Parteiorganisation, mit der die Ortsgliederungen ja im Landtag ihre Vertretung habe, komme man an viele Informationen, die für die früher Freie-Wähler-Gruppen vor der Vereinsgründung nicht zugänglich gewesen seien. "Da wurde man abgespeist", erinnert er sich. Keine ideologische als vielmehr eine pragmatische Entscheidung ist seinen Worten zufolge also die Mitgliedschaft im Landesverband, "wir haben keinen Parteienschirm oben drüber, das Schöne ist, dass wir nicht glattgebügelt sind". So habe er auch aktuell keinen Diskussionsbedarf gesehen. Dass ihm nicht alle Äußerungen passten, sei eine andere Sache. "Wenn die Zornedinger meinen, dass sie nicht mehr mit dem Landesverband leben können, dann ist das ihre Entscheidung und kein Weltuntergang", sagt der Kreisvorsitzende. "Einen Flächenbrand wird es jedenfalls nicht geben."

Die Ortsgruppen der Freien Wähler in Vaterstetten, Zorneding, Poing und Ebersberg sind Mitglied im Landesverband der Freien Wähler, dessen Vorsitzender ist ebenso wie bei der Landesvereinigung Hubert Aiwanger. 960 Orts- und Kreisverbände sind unter dem Dach des Landesverbands zusammengefasst, der 1978 gegründet wurde. Die Freien Wähler als Parteienkonstrukt wurden erst 1997 gegründet, um als solche an Wahlen teilnehmen zu können und sind Teil der Partei Freie Wähler im Bund. Mitglieder in der Vereinigung können im Gegensatz zum Dachverband nur natürliche Personen sein.

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