Pandemie im Landkreis:Kreisklinik Ebersberg ist gerüstet für den Corona-Winter

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Geschäftsführer Stefan Huber resümiert die vergangenen Monate, erklärt den Drei-Stufen-Plan und wagt einen Blick auf das, was kommen könnte.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Es sind weniger die Betten, sondern die Beatmungsgeräte. Das ist laut Stefan Huber, Geschäftsführer der Kreisklinik in Ebersberg, wohl die größte Erkenntnis aus den anfänglichen Corona-Monaten im Frühjahr. Demnach ist das Szenario, dass für neu aufgenommene Patientinnen und Patienten keine Betten mehr zur Verfügung stehen, nicht das tragende Problem für Krankenhäuser in der herrschenden Pandemie. Die Krux liegt vielmehr darin, dass die zur Verfügung stehenden Beatmungsgeräte irgendwann nicht ausreichen könnten oder es nicht genügend Pflegepersonal gibt, um diese zu bedienen beziehungsweise alle Corona-Patienten und Verdachtsfälle zu versorgen. Mit Hilfe eines Drei-Stufen-Plans will die Kreisklinik dafür sorgen, dass ein solches Worst-Case-Szenario niemals eintritt - aktuell befindet sich die Klinik in Stufe Zwei, wie Geschäftsführer Huber erklärt.

Wenn ein Covid-19-Patient beatmungspflichtig wird, dann dauere die Beatmung in aller Regel 21 bis 30 Tage an, so Huber. Das seien Erfahrungswerte - und eine "ungewöhnlich lange" Zeit, so der Klinik-Chef weiter. Bei Beatmungsfällen, die nicht coronabedingt sind, liege der Durchschnitt bei etwa sieben Tagen, selbst zehn Tage seien schon sehr viel. "Das bindet Ressourcen", erklärt Huber. Und das gleich in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist damit ein Beatmungsgerät gleich drei Wochen in Beschlag und steht nicht für andere Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Zum anderen benötigt es eine Pflegeintensivkraft oder eine Pflegekraft, die eine spezielle Einweisung in die Bedienung des Geräts und die Versorgung eines beatmungspflichtigen Patienten durchlaufen hat. In der Ebersberg sind laut Huber 40 Vollzeit-beschäftigte in der Lage, die Beatmung bei bis zu 25 Patienten zu überwachen.

In der Klinik gibt es mittlerweile bis zu 27 Behandlungsplätze für Covid-19-Patienten und Verdachtsfälle sowie bis zu 25 Beatmungsplätze - im Frühjahr, als die erste Corona-Welle ins Rollen kam, waren es 17 Behandlungsplätze und 20 Beatmungsgeräte. Huber erklärt, dass es derzeit die Bereiche Intensivstation, zentrale Notaufnahme und Corona-Aufnahmestation gibt, in denen auf der einen Seite Corona-Patienten und auf der anderen Seite Verdachtsfälle behandelt werden. Um diese Aufteilung personell stemmen zu können, wurde eine Station geschlossen, nämlich die Akutgeriatrie. Dass die Wahl auf diese Station gefallen ist, war Huber zufolge naheliegend, weil sich die Patienten dort hauptsächlich aus den Bereichen der Inneren Medizin und der Unfallchirurgie zusammensetzten. "Die Patienten können also auch auf den jeweiligen Stationen gut versorgt werden - einzig das Zusatzprogramm, dass auf der Akutgeriatrie angeboten wird, muss leider teilweise entfallen."

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Am Donnerstagabend waren vier Corona-Patienten an ein Beatmungsgerät angeschlossen - am Mittwoch war es einer. Fünf Infizierte wurden auf der Intensivstation behandelt, acht weitere auf der Normalstation. Außerdem gab es vier Verdachtsfälle. Durch die bereits ergriffenen Maßnahmen ist das laut Huber "keine Situation, die uns heute personell überfordert, aber sie fordert uns". Die Zahlen würden sich beinahe stündlich verändern.

Sollten die 27 Behandlungsplätze einmal nicht mehr ausreichen, erklärt Huber, würde Stufe Drei des Plans ausgerufen: Eine zweite Station müsste geschlossen werden, um weiteres Personal umverteilen zu können. Dann müssten auch planbare, nicht lebensnotwendige Operationen verschoben werden, weil für solche Eingriffe nicht mehr genügend Personal zur Verfügung stehen würde. "In der Situation sind wir aber Gott sei Dank noch nicht und ich hoffe, dass eine solche auch nie eintreten wird", so Huber. Sollte es dennoch der Fall sein, wäre es für alle in der Klinik eine massive Belastung - aber es würde funktionieren. Stufe Eins galt über die Sommermonate hinweg: regelhaft weniger als zehn Covid-Patienten und Verdachtsfälle auf einer gesonderten Station behandeln, Covid-19-Tests durchführen, ein Besuchskonzept, Security. Huber betont, wie flexibel sich das gesamte Personal in der aktuellen Notsituation verhalte, "da kann ich nur den Hut ziehen und ich bin sehr dankbar".

Verantwortlich für die optimale Planung der Kapazitäten an der Klinik ist Peter Lemberger, der neben seiner Funktion als Chefarzt für Anästhesie und den operativen Teil der Intensivmedizin Pandemiebeauftragter ist. "Wir sind gut vorbereitet", sagt er. Sollten die Patientenzahlen tatsächlich ansteigen, so könnte die Klinik nicht lebensnotwendige Operationen zunächst stufenweise reduzieren. Schon jetzt mache sich aber bemerkbar, dass einige Patienten solche Eingriffe von sich aus verschieben. Lemberger sieht darin grundsätzlich kein Problem. Allerdings warnt er davor, Schmerzen zu verharmlosen. "Ein Notfallpatient ist ein Notfallpatient" - und solche sollten in jedem Fall die Klinik aufsuchen. "Im Frühjahr haben wir es erlebt, dass Herzinfarkte verschleppt wurden, weil die Betroffenen aus falscher Angst zu Hause geblieben sind", so der Mediziner.

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Eine Sache, die immer wieder zu internen Diskussionen führt, ist Huber zufolge die Frage: Besucher ja oder nein? Die aktuelle Regelung erlaubt pro Patient täglich einen Besucher zwischen 15 und 18 Uhr für je eine Stunde, inklusive Einhalten der Maskenpflicht und sämtlicher anderer Hygienevorschriften. Das Problem: Einige halten sich nicht an die geltenden Regeln. Regelmäßig gebe es Fälle, in denen Besucher und Besucherinnen die zeitliche Besuchsbegrenzung überschreiten, oder in denen die Maske im Krankenzimmer abgenommen wird. "Aber die Hygieneregeln enden nun einmal nicht im Patientenzimmer", sagt Huber. Auch käme es vermehrt vor, dass das Pflegepersonal zu Diskussionen genötigt werde, weil ein Angehöriger nicht einsehen will, dass ein Besuch an diesem Tag nicht mehr möglich ist, da der Patient bereits einen Besuch empfangen hat.

Laut Huber sind solche Fälle mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden. Und sie stellen auch ein gesundheitliches Risiko für das Personal dar. "Wir sind sowieso schon an den Kapazitätsgrenzen - da können wir weder Diskussionen führen noch uns einem zusätzlichen Risiko aussetzen." Zwar würden in der Klink Reihentestungen durchgeführt; für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit direktem Patientenkontakt stehe einmal pro Woche ein Test zur Verfügung, für alle übrigen alle 14 Tage. In den meisten Fällen werde auf Labortests zurückgegriffen, innerhalb von 24 Stunden lägen die Ergebnisse vor. Huber ist froh über diese kurze Wartedauer; er kenne Kliniken, die vier oder fünf Tage auf Testergebnisse für ihr Personal warten müssen.

Trotzdem sehe er keine andere Möglichkeit, als ein komplettes Besuchsverbot auszusprechen, sollten sich die Vorfälle mit uneinsichtigen Besuchern verschärfen - Geburts- und Palliativstation ausgenommen. Noch setzt der Klinikchef auf einen Appell: "Wir bitten um Verständnis in der Bevölkerung, dass in einer solchen Sondersituation, wie sie derzeit herrscht, sich bitte alle an die Regeln halten müssen."

Es ist aber etwas anderes, das dem Klinik-Chef mehr Sorgen bereitet: der Personalmangel. Ein Problem, mit dem sich alle Kliniken konfrontiert sehen. Mit dem Drei-Stufen-Plan sei die Klinik bestmöglich für etwaige steigende Fallzahlen gewappnet. Aber: Sollte es größere Krankheitsausfälle beim Personal geben, beispielsweise auch, weil Mitarbeiterinnen selbst Covid-19-positiv sind oder als Kontaktpersonen ersten Grades eingestuft werden, dann, so Huber, "haben wir ein Problem, das wäre gravierend". Ein Unsicherheitsfaktor, der nicht zu planen ist.

© SZ vom 21.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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