Trachtenläden:Kleider ohne Leute

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An Stoffen mangelt es in den Trachtenläden im Kreis Ebersberg nicht. Schneiderinnen wie Traudi Huber von Tracht & Handwerk Stacheter in Baiern warten darauf, dass das Geschäft mit der Traditionsmode wieder anläuft. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ob Dirndl oder Janker: Der Wegfall von Oktoberfest und größeren Familienfeiern trifft auch diejenigen hart, die für passende Mode sorgen. Worauf die Ausstatter in dieser schwierigen Zeit setzen.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Lange Gesichter vielerorts, als klar war, dass auch dieses Jahr die großen bayerischen Feiern nicht stattfinden werden. Nicht nur die Wiesn, sondern auch die anderen mehr oder weniger großen Volksfeste wurden nach und nach abgesagt. Problematisch nicht nur für Gastronomen und Hoteliers, sondern auch für diejenigen, die für die passende Mode sorgen - die Trachtenläden.

"Bombastisch" sei etwa die Nachfrage gesunken, sagt Gabriele Spirito von Bosso Trachten in Forstinning, "über 60 bis 70 Prozent." Neben der Wiesn habe man auch Besucher der Volksfeste wie in Stuttgart oder Erding ausgestattet - all diese Zusatzeinnahmen brechen nun weg. "Das ist ganz schrecklich", so Spirito. Derzeit kommen dank Kommunionen und Firmungen neue Aufträge herein, die ganz großen Dirndl- und Lederhosen- Bestellungen lassen aber noch auf sich warten.

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Erfahrungsgemäß, so Spirito, legten sich mittlerweile jüngere genau wie viele ältere Kundinnen einmal im Jahr ein neues Dirndl zu. "Wenn der Mann in die Lederhosen nicht mehr reinpasst, dann steht er immer kurz vor knapp auf der Matte", erzählt sie. In den vergangenen Jahren habe aber auch bei Jugendlichen und Kindern das Interesse an Trachten zugenommen, wenn etwa die Zehn- bis Zwölfjährigen zum ersten Mal mit ihren Freunden aufs Volksfest dürfen. Einen Trend will Gabriele Spirito noch nicht ausmachen: Von Glitzerdirndl bis Spitzenblusen, von grün bis weinrot ist derzeit alles dabei.

Junge Leute heiraten gern in Tracht

Auch bei den Glonner Landmoden spürt man die Nachwehen von Corona. "Natürlich fehlen die Feste, das ist ganz klar", sagt Sabine Hirsch, Geschäftsführerin von Mittendrin Tracht & Pracht. Nach dem jüngsten Lockdown lief das Geschäft aber ganz gut an: Kommunionen, Firmungen und ein paar Hochzeiten würden nun nachgeholt. "Aber es kann nicht sein wie vorher", schränkt Hirsch ein. Hochsaison sei in ihrem Geschäft normalerweise um den 1. Mai und zur Wiesn-Zeit - das fehle nun eben, genauso wie das Rosenheimer Herbstfest.

Derzeit kommen dank Kommunionen und Firmungen neue Aufträge herein, die ganz großen Dirndl- und Lederhosen-Bestellungen lassen aber noch auf sich warten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Trotzdem könne man derzeit zufrieden sein, so Sabine Hirsch. Viele Kunden kämen auch aus München, dem Münchner Umland oder aus der Rosenheimer Richtung. Auch sei es in den vergangenen Jahren immer mehr Mode geworden, besonders bei den jungen Leuten, in Tracht zu heiraten; und auch zur Firmung ziehen Mädchen gerne Dirndl und Jungs Lederhosen an. "Es gibt einen Trend, der auf Corona zurückzuführen ist", erklärt die Mode-Expertin. "Weil die Hersteller damit rechnen, dass viele Feste ausfallen, machen sie Trachten auch alltagstauglich - ein Mix aus traditioneller Tracht und Freizeitmode."

Bei Tracht & Handwerk Stacheter aus Baiern merkt man ebenfalls einen Nachfrageeinbruch. Hier stehen vor allem Hochzeiten im Vordergrund. "Viele festliche Brautkleider und die Ausstattung der dazugehörigen Familienangehörigen gehen uns ab", sagt Inhaberin Traudi Huber. Zum Teil hatte der Laden mehr als 60 weiße Brautkleider zu nähen, diese Nachfrage ist jetzt wegen der vielen abgesagten oder verschobenen Feste erst mal zurückgegangen. Huber erzählt von Paaren, die ihre Eheschließung teilweise dreimal verschieben mussten wegen Corona - ein unglaublicher logistischer Aufwand, bei Feiern mit bis zu 300 eingeladenen Gästen.

Die Wartezeit auf ein Dirndl ist kürzer geworden

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Bestimmt zwanzig Mal sei es auch passiert, dass eine Hochzeit wegen anderen Umständen abgesagt wurde. "Da hat dann die Braut gesagt, ich brauche jetzt ein Umstandskleid", so Traudi Huber. Statt auf große kirchliche Trauungen setzen derzeit viele auf die standesamtliche Hochzeit, für die man sich dann besonders schön einkleidet, etwa indem die Weste passend zum Dirndl gestaltet wird. Langsam, aber sicher würden sich die Leute aber auch trauen, die Feiern für das kommende Jahr zu planen. Ein Gutes hat das Ganze jedoch: Wartet man bei den Stacheter Trachten normalerweise bis zu einem halben Jahr auf sein maßgeschneidertes Dirndl, kann man es jetzt bereits in zwei Monaten erhalten.

"Die ganze Trachtenbranche trifft das stark", sagt Mariele Litzlfelder von Litzlfelder Münchner Strickmoden aus Anzing über den Wegfall größerer Feste. Ihr Laden, der auch viele Geschäfte in ganz Bayern, Österreich und Südtirol beliefert, ist vor allem auf Familienfeste wie Goldene Hochzeiten oder runde Geburtstage ausgerichtet. Im Gegensatz zu Trachtenläden, die etwa mitten in der Münchner Innenstadt sind, würde es jedoch den Geschäften auf dem Land besser gehen, so Litzlfelder. "Im ländlichen Bereich tragen die Menschen Tracht mehr im Alltag", erklärt sie, "in München kaufen die Menschen sie zu 90 Prozent zu besonderen Anlässen."

Mariele Litzlfelder, Alexander Probst, und Veronika Pals (von links) sind im Anzinger Trachtenkramer bereit für die Kunden. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Vor allem Trachten-, Kapuzen- und Walkjacken seien derzeit gefragt. Auch merke man den Wegfall der Testpflicht seit ein paar Wochen. "Die Menschen freuen sich, wieder Eins-zu-eins-Beratung zu bekommen", so Litzlfelder. Die Kunden seien jedoch noch verhalten, und es sei nicht vergleichbar mit den Jahren zuvor.

Mariele Litzlfelder setzt nun stark auf den Herbst. "Jeder will was Neues haben und sich auch etwas Neues gönnen", glaubt sie. Auch seien viele Firmungen und Kommunionen in den Herbst verschoben worden. Litzlfelder will aber auch das Positive der vergangenen Monate hervorheben. "Viele Menschen haben gezielt regional eingekauft, um die lokalen Geschäfte zu unterstützen", erzählt sie. Noch nie habe man etwa so viele Gutscheine zu Weihnachten verkauft wie im vergangenen Jahr. "Man hat gemerkt, dass da ein Zusammenhalt ist", so Mariele Litzlfelder, "und dass die Leute auf die regionalen Unternehmen schauen."

© SZ vom 03.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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