Verkehrsprojekt in Bayern:Jetzt kommt die Klage gegen den Brenner-Zulauf

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Der Bahnverkehr ist schon jetzt eine Belastung für die Region: 146 Güterzüge fahren derzeit täglich durch Aßling. 2040 werden voraussichtlich täglich 230 Güterzüge durch den Landkreis Richtung Brenner unterwegs sein - den aktuellen Planungen zufolge aber zum Großteil nicht mehr durch den Hauptort. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Bahn hat nach massiver Kritik die ausgewählte Trasse für den Brenner-Zulauf nochmals überprüft. Die Bewertung bleibt aber unverändert: Die Auswahltrasse "Limone" sei am verträglichsten für die Region. Gegner des Projekts wollen nun auf jeden Fall vor Gericht ziehen.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Läuft alles nach Plan, könnten im Jahr 2040 die ersten Züge auf der Neubaustrecke durch den Landkreis Richtung Brenner rollen. Und zwar auf der Auswahltrasse "Limone", die in einem großzügigen Bogen abseits der bestehenden Strecke durch die Landschaft bei Aßling führt. Bereits im Juli hatte sich die Bahn für diese Trasse entschieden, und an dieser Entscheidung habe eine erneute intensive Überprüfung nichts geändert, wie das Unternehmen nun erklärt hat. Es handle sich um die beste und verträglichste Trasse für die Region, die auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten werde, so die Überzeugung der Bahn-Vertreter. Letzteres wird wohl in den nächsten Jahren wichtig werden, denn die Gegner der Trasse haben bereits angekündigt, vor Gericht zu ziehen: "Eine Klage wird nicht ausbleiben", so Susanna Koller von der Bürgerinitiative Brennernordzulauf Landkreis Ebersberg.

Dass die Bahn nochmals in die Trassenüberprüfung eingestiegen war, war die Reaktion auf massive Kritik aus der Region an der Entscheidung für "Limone". Mit Argumenten unterlegt hatte diese Kritik insbesondere der Aßlinger Ingenieur Andreas Brandmaier, seiner Einschätzung zufolge gab es unter anderem Ungereimtheiten bei der Bewertung des Lärmschutzes und bei der Punktevergabe im Kriterienkatalog der Bahn. Diese versprach, sich mit den Kritikpunkten nochmals auseinanderzusetzen und die Trasse Limone ebenso wie die von vielen Anwohnern in den Dörfern bevorzugte Auswahltrasse Türkis, die sich näher an der Bestandsstrecke hält, erneut zu überprüfen.

(Foto: SZ-Karte: Mainka/Mapcreator.io/HERE/Deutsche Bahn)

Das Ergebnis dieser Überprüfung haben die Fachleute von der Bahn am Donnerstagabend Politikern und anderen Vertretern der Region präsentiert und am Freitag nochmals in einem Pressegespräch erläutert. Man habe die fachliche Beurteilung der Teilkriterien Lärm und Erschütterungen unter Beteiligung externer Gutachter einem "Stresstest" unterzogen, dabei seien sowohl die Neubau-, als auch die Bestandsstrecke betrachtet worden. "Die Ergebnisse bestätigen unsere Methode", so Matthias Neumaier, DB-Gesamtprojektleiter. Die Trasse Limone habe den Vorteil, dass geschlossene Siedlungen umfahren würden, zudem verlaufe ein Teil der Strecke in Einschnitten beziehungsweise Tunnelabschnitten.

Der Bundestag wird voraussichtlich 2025 entscheiden

In der Summe sei eine große Entlastungswirkung für die Menschen entlang der bestehenden Strecke zu erwarten. Dort verkehrten derzeit täglich 146 Güterzüge, davon 54 in den Nachtstunden zwischen 22 und 6 Uhr. Mit der Neubaustrecke Limone wären es im Jahr 2040 nur noch 28, davon zehn in den Nachtstunden. 202 Güterzüge würden hingegen über die neuen Gleise geführt. Projektabschnittsleiter Dieter Müller unterstrich, dass die Bewertung der Trassen im Auswahlverfahren anhand von Kriterien erfolgt sei, die zuvor unter Beratung der Universität Innsbruck und gemeinsam mit den Teilnehmern des Dialogforums festgelegt worden seien. Bei den Beschlüssen verschiedener Gremien, etwa des Ebersberger Kreistags und nun auch des Landtags, handle es sich um "politische Wünsche", sagte Neumaier, diese deckten sich aber nicht unbedingt mit den rechtlichen und planerischen Vorgaben für ein derartiges Großprojekt. Eine detaillierte Auseinandersetzung der Bahn mit den Kritikpunkten aus der Region ist auch im Internet zu finden unter www.brennernordzulauf.eu.

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Seit mehr als einem halben Jahr werben die Gegner der Trasse "Limone" für einen Ausbau der Bestandsstrecke. Sie argumentieren, diese hätte weniger Nachteile - was für ein Irrtum.

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Eine endgültige Entscheidung über das Projekt wird der Bundestag treffen. Auf dessen Agenda wird das Projekt nach derzeitigen Planungen im Jahr 2025 landen, vorher geht es um die Vorplanung der Zulaufstrecke, die 2023 und 2024 erfolgen soll. Gäbe der Bundestag im Jahr 2025 grünes Licht für das Projekt in der geplanten Form, wäre ein Baubeginn Anfang der 2030er Jahre und eine Betriebsaufnahme knapp zehn Jahre später realistisch. Selbst wenn die Gegner den Klageweg beschreiten, würde das nach Einschätzung Neumaiers diesen Zeitplan nicht wesentlich durcheinander bringen. Die Kosten für die Neubaustrecke werden auf 1,48 Milliarden Euro beziffert, Risikozuschläge sind in dieser Kalkulation schon einberechnet.

Die Kritiker haben schon mit dem Anwalt Kontakt

Dass sich an der Trassenentscheidung im Zuge der neuen Überprüfung noch groß etwas ändern würde, damit hatte aber wohl ohnehin kaum einer gerechnet - und zufriedengeben wollen sich die Kritiker mit der Erklärung der Bahn auch jetzt nicht. Die Prüfung sei nicht unvoreingenommen und offen gewesen, so Susanna Koller von der Bürgerinitiative Brenner-Nordzulauf. Die Initiative verweist zudem darauf, dass sich der Abstand der beiden Trassen bei der Punktebewertung nochmals verringert habe: Limone habe mit 49 Punkten nur noch einen kleinen Abstand vor Türkis mit 47 Punkten. Dabei habe die Bahn bei der Neubewertung nur einen Teilbereich berücksichtigt. Man werde sich die Analyse der Bahn nun genau ansehen, habe aber auch schon mit einem Rechtsanwalt wegen einer Klage Kontakt aufgenommen, so Koller.

Auch Politiker in der Region üben Kritik an der aktuellen Entscheidung der Bahn, die Darstellung sei eine "Farce", sagt Landtagsabgeordneter Thomas Huber (CSU), er selbst habe das Vertrauen in die Planer der Deutschen Bahn verloren. Für Limone würde Landschaft zerstört, intakte Natur zerschnitten, man werde auf jeden Fall weiter Widerstand leisten. Huber setzt auch Hoffnungen auf das Signal des Landtags, der sich erst am Mittwoch für die bestandsnahe Trassenvariante ausgesprochen hatte.

Aßlings Bürgermeister Hans Fent beklagt die Spaltung seines Heimatortes

Bestätigt fühlen sich hingegen die Vertreter der Bürgerinitiative "Schützt Aßling und das Atteltal", die gerade dafür kämpfen, dass die Entscheidung eben nicht auf die bestandsnahe Trasse fällt: Diese würde nicht nur wertvolle Landschafts- und Naturschutzgebiete beeinträchtigen, sondern beträfe auch viel mehr Menschen, insbesondere in Aßling selbst, durch das in diesem Fall der gesamte Bahnverkehr führen würde - und zwar sehr nahe an den Häusern vorbei. Auch der Bahnhof Aßling wäre von einem Ausbau mitten durch den Ort massiv betroffen. "Wir begrüßen natürlich, dass unsere Forderungen weitgehend erfüllt werden", sagt Cornelia Drexel, eine der Sprecherinnen der Initiative. Man habe aber auch im Grunde damit gerechnet, die Planungen der Bahn habe man als seriös empfunden.

Aßlings Bürgermeister Hans Fent (parteilos) hat immer betont, dass er keine Präferenz für irgendeine der Trassen äußern werde - schließlich seien von jeder Bürgerinnen und Bürger aus der Gemeinde betroffen. Er könne die Kritik der Gegner von Limone verstehen, aber auch die andere Seite - schließlich lebten zwei Drittel der Aßlinger Bürger im Hauptort und seien somit hier ebenfalls stark vom Lärm betroffen. Wichtig sei für ihn, so der Bürgermeister, dass die Begründung für die Trassenauswahl verständlich und nachvollziehbar sei. Dies sei für ihn nach der Diskussion am Donnerstagabend der Fall gewesen. Allerdings weiß auch Fent, dass die Diskussion nun noch lange nicht vorbei ist. Die Befürworter der beiden Trassen würden gegeneinander ausgespielt, dies entzweie die Menschen in der Gemeinde - "und das ist sehr schade".

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