Brenner-Nordzulauf:"Irgendwann muss es mal gut sein"

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Vor ziemlich genau einem Jahr ist die Entscheidung für die Trasse "Limone" des Brenner-Zulaufs gefallen - der Protest ist seitdem groß. Hier ein gelbes Kreuz an der Trasse nahe Lorenzenberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Bahn äußert sich zum Kritikpapier von Andreas Brandmaier zum Brenner-Zulauf und macht klar: Die Entscheidung für Limone steht.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Es ist ein bisschen wie ein Ping-Pong-Spiel, auf das eine der Parteien schön langsam keine Lust mehr hat: Nachdem der Aßlinger Ingenieur Andreas Brandmaier kürzlich zum zweiten Mal in einem umfassenden Kritikpapier vermeintliche Schwachpunkte und Fehler der Bahn in der Planung der Brennerzulaufstrecke durch den Landkreis dargelegt hatte, antwortet die Bahn nun erneut ebenso umfassend - und langsam auch etwas genervt. "Es muss irgendwann auch gut sein", so DB-Gesamtprojektleiter Matthias Neumaier am Dienstag bei einem Pressegespräch in Ebersberg. Auch in dem neuen Papier habe der Autor der Bahn keine relevanten Planungsfehler nachweisen können; die Ergebnisse des im Juli 2022 abgeschlossenen Trassenauswahlverfahrens seien korrekt und rechtssicher. Die Kritiker der Trassenauswahl sehen das anders, sie fordern eine Streckenführung, die sich näher an den bestehenden Gleisen orientiert, und wollen notfalls vor Gericht gehen.

Die Auswahl war vor ziemlich genau einem Jahr aus fünf Trassenvarianten gefallen. Eine von ihnen, die Trasse Türkis, war nachträglich in die Prüfung aufgenommen worden, weil schon vorab großer Protest aus der Region laut geworden war, nachdem klar wurde, dass die anderen vier Trassen alle in mehr oder weniger großen Kurven durch die Landschaft - jedenfalls weit weg von der Bestandsstrecke - verlaufen würden. Dennoch fiel die Wahl schließlich auf die Auswahltrasse Limone, die nahe an den kleinen Orten Niclasreuth, Dorfen und Lorenzenberg in der Gemeinde Aßling verläuft.

(Foto: SZ-Karte: Mainka/Mapcreator.io/HERE; Quelle: Deutsche Bahn)

Gerade viele Bewohner in den südlichen Ortsteilen Aßlings empfinden dies aber als die schlechteste Wahl. Bauernland werde durchschnitten, Dörfer würden durch die nahe gelegene Trasse beeinträchtigt, Ortsteile abgeschnitten, so nur einige ihrer Argumente. Gegen die geplante Trasse haben die Gegner der Trasse Limone, die auch von der Politik Rückendeckung erhalten, nicht nur mit Demonstrationen und Mahnfeuern mobil gemacht - sie haben auch immer wieder die Planungen der Bahn genau unter die Lupe genommen.

"Lokal motiviert" sei die Arbeit Brandmaiers, sagen die Bahn-Vertreter

Federführend war hier eben jener Aßlinger Projektcontroller Andreas Brandmaier, oder, wie es die Bahn in einer Pressemitteilung spitz formuliert, ein "von der Neubaustrecke betroffener Bürger aus dem Aßlinger Ortsteil Niclasreuth". Auch bei der Pressekonferenz am Dienstag machen die Bahn-Vertreter immer wieder deutlich, dass Brandmaiers Arbeit ihrer Ansicht nach "lokal motiviert" sei und somit mitnichten die neutrale Analyse, als die er selbst seine Papiere darstellt.

Brandmaiers Analyse geht stark ins Detail. 135 Seiten umfasst sein Text, in dem er "Unstimmigkeiten, Fehler und Abweichungen" nachgewiesen haben will. Zum Beispiel habe die Bahn bei der Berechnung des zu erwartenden Lärms mit falschen Zugzahlen gerechnet oder bei der Berechnung des Flächenverbrauchs verschiedene Methoden miteinander vermischt. Insgesamt verwendet Brandmaier in seiner Analyse 139 mal das Wort falsch und 56 mal das Wort Fehler, wie Dieter Müller, Projektabschnittsleiter er DB Netz AG, nachgeprüft hat.

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Nach Ansicht der Bahn-Fachleute sind aber in den eigenen Unterlagen allenfalls zwei Ungenauigkeiten enthalten, diese seien allerdings "sehr kleinteilig" und hätten keinen Einfluss auf das Ergebnis der Trassenauswahl. Ansonsten sieht man bei der Bahn in dem zweiten Brandmaier-Papier etliche "Fehlinterpretationen und Falschdarstellungen", so Dieter Müller. Viele Irrtümer hätten laut Müller vermieden werden können, wenn Brandmaier mit den Fachleuten der Bahn gesprochen hätte, bevor er sein Werk verfasst hat, "aber es gab im Vorfeld keinerlei Kontaktaufnahme mit uns", so der Projektabschnittsleiter.

Der Salachtunnel könnte deutlich länger ausfallen

Während Brandmaier dem Bahn-Team vorwirft, Faktoren einseitig zugunsten der Limone-Trasse gewertet zu haben, kritisieren die Bahn-Vertreter, dass Brandmaier seinerseits auf einheitliche Standards für alle Trassenvarianten verzichtet habe - so dass Türkis besser und Limone schlechter bewertet werde. "Offensichtliches Ansinnen ist es, das Ergebnis der Trassenauswahl zu delegitimieren", so das Fazit.

Bei der Pressekonferenz nahmen Neumaier und Müller sich unter anderem einige Visualisierungen Brandmaiers vor, in denen Bahn-Bauwerke riesig und dominant in der Landschaft stehen, wo sie tatsächlich nach Angaben der Bahn-Vertreter in Einschnitten verlaufen würden. Nur einige Beispiele, so Neumaier, viele weitere ließen sich in dem Kritikpapier noch finden.

Bei einem Thema gaben die Bahn-Vertreter dem Aßlinger Projektcontroller allerdings indirekt recht: Die Kosten für die Trasse "Limone" könnten möglicherweise durchaus noch durch Modifikationen nach oben gehen. Der Salachtunnel zwischen Lorenzenberg und dem Golfplatz Elkofen könnte nämlich deutlich länger ausfallen als bisher geplant: 3,6 statt knapp 1,6 Kilometer. Dadurch könnten im weiteren Verlauf Richtung Norden Geländeeinschnitte vermieden werden. Mit dem Wasserwirtschaftsamt sei auch diese Variante bereits abgeklärt, weil dieser Streckenabschnitt durch ein Trinkwasserschutzgebiet führt, sagte Müller. Wie die erste Variante sei auch diese "realisierbar und genehmigungsfähig".

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Ebenso soll es zu einer Modifizierung der Planung in Niclasreuth kommen, hier wird die Neubaustrecke tiefer gelegt, in einen "gedeckelten Trog". Dadurch würde die Zugstrecke an dieser Stelle nicht nur die Sichtbeziehungen weniger beeinträchtigen, auch die Dorfstraße könnte mehr oder weniger dort bleiben, wo sie jetzt ist. Auf 80 Metern Länge ist der Trog nun eingeplant; sollte es die Politik zu einer "Kernforderung" erheben, könnte die Bahn auch einen 500 Meter langen Trog-Abschnitt einplanen. Die Entscheidung hierfür würde letztlich der Bundestag treffen.

Wie hoch die Kosten für den Trassenneubau mitsamt dieser Modifikationen ausfallen werden, dazu wollten sich die Bahn-Vertreter am Dienstag nicht festlegen. Eine neue Kostenkalkulation soll im Herbst vorgelegt werden, wenn die Vorplanung abgeschlossen ist. Die ausführliche Antwort der Bahn auf Brandmaiers Kritikpapier wird auf www.brennernordzulauf.eu hinterlegt. Damit ist zumindest aus Sicht der Bahn das Thema erschöpfend behandelt. "Das Trassenauswahlverfahren ist abgeschlossen, jetzt blicken wir nach vorn", sagte Matthias Neumaier.

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