Celine hält ein Banner. "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" steht darauf. Die 17-Jährige ist mit Schülern der Willy-Brandt-Gesamtschule auf den Jakobsplatz gekommen. "Wir demonstrieren gegen Antisemitismus, weil wir als nächste Generation zeigen wollen, dass das nicht noch mal passieren soll", sagt sie. Ein Kirchenchor singt einen hebräischen Kanon, Mitarbeiterinnen der israelitischen Kultusgemeinde verteilen Kippas.
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat eingeladen zu der Kundgebung vor der Synagoge. Auch er trägt eine der blau leuchtenden Kippas. Rund 2500 Münchnerinnen und Münchner sind seinem Aufruf gefolgt, den die Kirchen und viele zivilgesellschaftliche Initiativen unterzeichnet haben. Reiter erinnert an das Schreckliche, das Münchner den jüdischen Bürgern angetan haben.
Jüdische Geschichte:Wie München vor 80 Jahren seine Synagoge verlor
Das architektonische Kunstwerk in der Herzog-Max-Straße war ein Zeichen dafür, dass Juden ein Teil der Gesellschaft waren. Doch dann deklarierten die Nazis die Synagoge als "Verkehrshindernis".
Vor 80 Jahren, am 8. Juni 1938, wurde die Hauptsynagoge an der Herzog-MaxStraße zerstört. Das war der Auftakt zur Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Gemeinde. "Das Gefühl der Einsamkeit und Schutzlosigkeit von damals darf sich nie mehr wiederholen", sagt der Oberbürgermeister. Aber auch nach 1945, so mahnt Reiter, zeigte sich der Antisemitismus in München. 1970 töteten Brandstifter in einem jüdischen Wohnheim sieben Menschen, zwei Jahre später ermordeten palästinensische Terroristen elf israelische Sportler. Und im Jahr 2003 planten Münchner Neonazis einen Anschlag auf die Grundsteinlegung der neuen Synagoge. Die Leiterin des Demokratiebüros, Miriam Heigl, sagt, dass sich auf dem gut gefüllten Jakobsplatz auch Menschen aus dem Umfeld der Täter befinden - Aktivisten der Pegida und der Neonazi-Partei "Der dritte Weg": "Auch wenn sie hier sind - sie sind nicht Teil dieser Versammlung!"
"Wer Juden hasst, hasst unsere Gesellschaft, das friedliche Zusammenleben, uns alle", ruft der Kabarettist Christian Springer. Um antijüdischer Hetze entgegen zu wirken, auch der in den arabischen Ländern, müsse man jetzt "aufklären und reden, bis es uns zum Hals heraushängt". Und noch eines gibt er der Menge mit auf den Weg: "Ich will, dass ihr beim nächsten Vorfall in der U-Bahn aufsteht, die anderen Leute anquatscht - und dann werdet ihr sehen, wie viele aufstehen. Dann haben die anderen gegen uns keine Chance!"
Ruhe kehrt ein auf dem Platz, der Kantor der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom singt ein Lied. Die Melodie schrieb der letzte Kantor der Münchner Hauptsynagoge Emanuel Kirschner. Der Vorsitzende der liberalen Gemeinde Jan Mühlstein erinnert daran, dass sich "Eltern und Großeltern zu blind auf die gesellschaftliche Gleichstellung verlassen haben". Er fragt: "Übersehen auch wir die Warnzeichen?"
"Ich dachte nicht, dass Antisemitismus je wieder so bedrohlich wird", sagt Charlotte Knobloch. Juden und der jüdische Staat würden leichtfertig be- und verurteilt, stellt die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde fest. Der AfD bescheinigt sie eine "menschenverachtende Haltung, die nie wieder in deutsche Parlamente hätte einziehen dürfen". Knobloch appelliert: "München wurde von der Hauptstadt der Bewegung zur Weltstadt mit Herz. Es ist die Verantwortung der nächsten Generation, dass es so bleibt". Celine und ihre Mitschüler sind bereit, diese Verantwortung zu übernehmen.