Naturschutz:Das Ampertal hat eine neue Gebietsbetreuerin

Lesezeit: 3 min

Kerstin Kamm ist die neue Gebietsbetreuerin Ampertal. (Foto: N.P.JØRGENSEN)

Die Biologin Kerstin Kamm ist seit April die neue Gebietsbetreuerin im Ampertal für die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck und Freising

Von Sophie Kobel, Dachau

Mehr als 2000 Hektar Auenlandschaft voller Gräser, Weiden, Flusslandschaften, in denen Libellen, Eisvögel, Biber und viele andere Bewohner leben: Das ist seit April Kerstin Kamms Arbeitsplatz. Die Biologin ist die neue Gebietsbetreuerin im Ampertal für die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck und Freising. Mit der Teilzeitstelle ist dabei ein Traum für sie wahrgeworden. Im Norden von München aufgewachsen fühlt sie sich schon immer sehr mit dem Dachauer Raum verbunden. "Ich bin oft hierher geradelt und kann mich an viele Schlauchbootfahrten auf der Amper erinnern. Später habe ich dann als Studentin bei einem Projekt bei Schnee und Eis in den ehemaligen Kiesabbauseen nach Süßwasserpolypen getaucht und bin dabei auf schlafende Karpfen am Seegrund getroffen", erzählt Kamm, die an der LMU in München studiert hat und mittlerweile in Dachau wohnt.

Das war nicht immer so: Vier Jahre lang lebte die gebürtige Münchnerin mit ihrer Familie in Neuseeland und arbeitete auf der benachbarten Tiritiri Matangi Island. Hier forschte und arbeitete sie nach dem Studium in einem internationalen Vogelschutzreservat und führte Besucher über die Insel. Nach ihrer Rückkehr half sie bei der Organisation der Schmetterlingsausstellung im Botanischen Garten in München. Bis sie für zwei Jahre nach Thüringen zog, um dort bei einer von vielen Natura-2000-Stationen zu arbeiten, einem EU-weiten Netzwerk zur Erhaltung gefährdeter Lebensräume und Arten. Aufgrund ihrer Familie zog es sie aber wieder zurück nach Bayern und schließlich nach Dachau.

Im Unterschied zu ihrem Vorgänger Sebastian Böhm ist Kamm für Ampergebiete in nunmehr drei Landkreisen zuständig. Der 33-Jährige hatte zuvor fünf Jahre lang die Flussareale in Dachau und Fürstenfeldbruck betreut, die Naturräume von Freising gehörten jedoch nicht dazu. Mit dem erneuten Zusammenlegen der Landkreise und 50 Kilometer mehr Flussstrecke verändert sich auch die Art der Arbeit: Böhm habe vorher, Maßnahmen umgesetzt, um Feucht- und Streuwiesen offen zu halten und vor dem Zuwachsen von Büschen zu schützen. "Mein Schwerpunkt ist hingegen ist die Öffentlichkeitsarbeit und die Besucherlenkung", erzählt Kamm. Es ist keine einfache Aufgabe, denn gerade in Zeiten von Corona braucht das Ampertal mehr Schutz: "Die Menschen drängen in die Naturräume und suchen dort nach Erholung, dabei sind das Rückzugsorte für viele sensible Arten. Das führt natürlich zu Konflikten", erklärt Kamm.

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Der Sommer naht und mit ihm kommen die Besucher, denn die Dachauer, Freisinger, Fürstenfeldbrucker und vor allem auch die Münchner lieben ihre Amper. Alle wollten Erholung, und die suchten viele in den verbliebenen Naturräumen. Das sei natürlich "kein mutwilliger Gedanke", es dränge die Menschen eher intuitiv dorthin. Zudem wolle man aber nicht da sein, wo alle sind, also gehe man lieber auf die Nebenwege. "Aber am Ende steht man an der Altwasserschleife und stört unbewusst", sagt Kamm. Sie sorgt sich vor allem um störungsempfindliche Arten wie wiesenbrütende Vögel. "Die Amper ist besonders in diesem Teil Bayerns. Aber leider kommen durch so manche Apps Radfahrer an Orte, an denen sie früher nie aufgetaucht wären", sagt Kamm.

Auch die Digitalisierung verändert die Arbeit von Gebietsbetreuern, das hört Kamm auch von anderen Kollegen. Gerade junge Menschen planen ihre Ausflüge online auf Plattformen, die den Naturschutz oftmals nicht miteinbeziehen, wenn es um das Veröffentlichen von schöne Routen geht. Es gebe Bestrebungen der Bundesregierung, Einfluss auf diese Websites zu nehmen, so Kamm. "Meine Aufgabe ist es, Touren so zu verändern, dass Rückzugsorte für Tiere nicht gestört werden." Überall nur Schilder aufzustellen, das sei für sie keine gute Option. "Wenn schon Schilder, dann zeigt man durch Bilder auf, was für Arten hier leben. Dieses Wissen ist wichtig. Man kann schließlich nur schützen, was man kennt", so Kamm. Gerade ist sie dabei, sich mit den mehr als 100 Kilometern Flussstrecke in ihrem neuen Revier noch besser vertraut zu machen. Ihr Vorgänger Böhm hilft ihr dabei. Er selbst arbeitet seit Januar beim Landschaftspflegeverband Dachau. Dort hilft er Gemeinden bei der Pflege ihrer Hecken und kümmert sich gemeinsam mit Landwirten um den Schutz von Bodenbrütern auf deren Feldern.

Für Kamm hingegen, die seit Jahren im Bereich der Umweltbildung gearbeitet hat, ist "die Schnittstelle zwischen Mensch und Natur schon immer ein Herzensprojekt". Sie freut sich auf die Führungen durch die Amperauen, die diesen Sommer wieder stattfinden sollen. Es seien eben solche gemeinsamen Ausflüge, die am meisten bewirken, wenn es um Naturschutz gehe. Sie wolle Begeisterung für die oftmals ungesehenen Tiere und Pflanzen in der Natur wecken "und Spaziergängern zeigen, dass wir selbst nur eine von vielen Arten im Ampertal sind". Am Ende, so Kamm, müsse sich aber jeder selbst die Frage stellen: "Will ich nur Spaß haben oder kann ich mich selbst zurücknehmen? Wir haben einen Generationenvertrag, wir wollen doch Schönes hinterlassen", sagt sie.

© SZ vom 29.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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