Asylrecht:Gezwungen zum Nichtstun

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Mohamed G. und Martin O. kamen vor acht Jahren als Flüchtende. Sie leben und arbeiten im Landkreis Dachau - doch nun wurde ihnen die Arbeitserlaubnis entzogen. Ihre Arbeitgeber wehren sich.

Von Sophie Kobel, Hebertshausen

Es sind harte Monate für Martin O. aus Nigeria und Mohamed G. aus Sierra Leone. Beide leben und arbeiten im Landkreis Dachau, der eine bei einem Unternehmen für Rohrleitungsbau in Hebertshausen, der andere als landwirtschaftlicher Helfer auf einem Hof. Sie werden von ihren Vorgesetzten und den Kollegen gebraucht und sehr geschätzt. Vor acht Jahren kamen die beiden Männer als Flüchtlinge in Deutschland an und beantragten Asyl. Diese zeitliche Einordnung ist wichtig, da sie bei Vollendung des achten Jahres einen Aufenthaltstitel aufgrund ihrer guten Integration beantragen hätten können. Vor Kurzem jedoch entzog die Ausländerbehörde des Landratsamtes Martin O. und Mohamed G. die Arbeitserlaubnis.

Für Peter Barth vom Asylhelferkreis Hebertshausen ist das der Punkt, an dem er sich nach Wochen des Austauschs mit Landrat Stefan Löwl (CSU) in einem offenen Brief an diesen wendet. Es ist eine "Verzweiflungstat", wie der 74-Jährige sagt. "Wie mir berichtet wurde, haben Sie sich als Hardliner geoutet. Kein Verständnis vor den Nöten der Arbeitgeber gezeigt, geschweige denn, vor den menschlichen Schicksalen der Flüchtlinge. Recht und Gesetz würden auf Ihrer Seite stehen. Kein Wort davon, dass Recht und Gesetz auch Alternativen kennen oder Ermessensentscheidungen zugunsten der Geflüchteten ausfallen können. Ich jedenfalls bin tief enttäuscht über Ihre Haltung", schreibt der ehrenamtliche Helfer an den Landrat.

Geschätzt und gebraucht: Mohamed G. (ganz links) hat auch schon für den Bauhof in Hebertshausen gearbeitet. (Foto: privat)

Mohamed G. ging Ende Februar zur Ausländerbehörde Dachau, um seine Duldung, wie bereits in den Jahren zuvor, um drei weitere Monate verlängern zu lassen. Dabei wurde ihm ein Formular mitgegeben, in dem sein Arbeitgeber ausführlich über seine dortige Beschäftigung berichten sollte. Als G. eine Woche später das ausgefüllte Papier abgeben wollte, wurde ihm gesagt, man brauche es dort nicht mehr, und er dürfe in Zukunft nicht mehr arbeiten, so Barth. Der Grund: Ein Pass liegt nicht vor, seine Identität sei daher nur teilweise geklärt.

Es ist ein Schlag ins Gesicht für Mohamed G. und seinen Arbeitgeber. Sie sind sich sicher: Der nächste Schritt ist die Abschiebung, voraussichtlich Ende Mai. "Der Mann hat Sierra Leone mit zehn Jahren verlassen, er hat dort keine Verwandten mehr. Wir haben schon Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um seine Geburtsurkunde zu organisieren. Bei dem Versuch, einen Pass zu beantragen wurde uns die Fälschung einer korrupten Behörde in Sierra Leone zugeschickt", erklärt Barth. Auf diese Problematik ginge Löwl jedoch kein bisschen ein. In seinem Brief wirft Barth Löwl vor, dieser stelle das Visumverfahren dar, "als sei es eben mal möglich, nach Afrika zu reisen und zeitnah wieder legal in Deutschland einzureisen. Die Schwierigkeiten, die mit so einem Verfahren verbunden sind, sind von nur ganz wenigen zu bewältigen und Sie wissen das". Der Landrat habe nie auch nur versucht, eine Einzelfalllösung zu finden. Denn nur einige Wochen nachdem Mohamed G. die Arbeitserlaubnis erzogen wurde, hätte er einen Aufenthaltstitel aufgrund guter Integration beantragen können, denn ab diesem Zeitpunkt wäre er acht Jahre im Land gewesen.

Mohamed G. arbeitete schon für den gemeindlichen Bauhof in Hebertshausen. Sein jetziger Arbeitgeber ist die Firma Franz Wurm in Unterweilbach. Diese stellte dem Landrat ein schriftliches Ultimatum, weil ihr Mitarbeiter seit Wochen nicht mehr arbeiten darf. Man könne manche Projekte nicht wie geplant realisieren ohne den Mitarbeiter, so das Unternehmen. Doch in einer gemeinsamen Videokonferenz mit Löwl, dem Hebertshausener Bürgermeister Richard Reischl und der Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler (beide CSU) wurde der Firma Wurm gesagt, das Gesetz zwinge die Politik, so zu handeln. Das Unternehmen will jetzt selbst aktiv werden und sich mithilfe einer Kampagne weiter für ihren Mitarbeiter einsetzen. Seit Beginn vergangenen Jahres gibt es mit der sogenannten Beschäftigungsduldung eine weitere gesetzliche Möglichkeit für Mohamed G., bleiben und weiterarbeiten zu dürfen. Doch auch hier macht der fehlende Pass den Plänen einen Strich durch die Rechnung. "Von Asyl in Arbeitsmigration zu wechseln, geht nicht so einfach. Und wenn es diesen Weg gibt, dann hängt er vom Pass ab. Wir wissen zwar, dass es da schnell mal zu Betrug kommt. Aber wir sind auch irgendwann am Ende, die Menschen müssen sich selbst drum kümmern", erklärt Löwl die Entscheidung.

Zu Barths schriftlichen Vorwurf, er würde nicht berücksichtigen, dass in Handwerk und Industrie "ein Bedarf besteht, der im Fall Martin O. und Mohamed G. hervorragend gedeckt werde", sagt Löwl: "Natürlich brauchen wir häufig Personen, die in Handwerken arbeiten, aber das geht nicht über das Asylverfahrensrecht. Leider gibt es hier immer wieder den Versuch, durch lange Verfahrensdauern, großzügige Arbeitserlaubnisse und deren immer wieder neuen Verlängerungen, diesen Grundkonsens faktisch zu missachten." Das würden aber viele nicht hören wollen. Zudem sei man im Landkreis Dachau bereits bekannt dafür, möglich zu machen, was ginge und im Vergleich zu anderen Regionen in Bayern sehr großzügig zu sein. Das sieht Peter Barth anders. "Den liberalen Schein, den Sie für sich in Anspruche nehmen, spreche ich Ihnen ab", schreibt er an den Landrat.

Auch bei Martin O. ist Barth nervlich am Ende. In dessen Fall gibt es ein ganz anderes Problem. Der 36-Jährige, der in der Asylunterkunft Deutenhofen lebt, hat einen regulären nigerianischen Pass. Auch ein Aufenthaltstitel wurde ihm vor Jahren zugesprochen, da die Behandlung seiner psychischen Erkrankung in seinem Heimatland nicht fortgesetzt werden kann. Er arbeitet seit fünf Jahren auf dem Bentenrieder Hof in Hebertshausen, oftmals auch an den Wochenenden, wie sein Arbeitgeber betont.

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Mitte Dezember vergangenen Jahres erhielt Martin O. eine Vorladung zu einer amtsärztlichen Untersuchung. Der extra einberufene Arzt habe den Mann jedoch lediglich gefragt, wieso er nicht nach Nigeria zurückgehe. Von einer Untersuchung könne nicht die Rede gewesen sein, kritisiert Barth. Im Anschluss wurden Martin O. sein Pass, seine Arbeitserlaubnis sowie sein Aufenthaltstitel in Form einer eingeschweißten Karte abgenommen. Einen damit einhergehenden Bescheid, er werde in zwei Wochen Deutschland verlassen, unterschrieb er. Barth und zwei weitere Helfer erklären später unter Eid, dass Martin O. mit der Polizei gedroht worden sei, sollte er nicht unterschreiben.

Für Löwl steht jedoch fest: An den gesetzlichen Bedingungen könne man grundsätzlich nichts ändern. "Ich kann und werde meine Mitarbeiter auch nicht anweisen, Recht und Gesetz zu brechen oder nicht anzuwenden", erklärt er. Peter Barth aber ist sich sicher, es gebe kein Gesetz, das die Behörde hier zum Abnehmen des Arbeits- oder Aufenthaltstitels gezwungen hat. Auf seinen Einwand, Martin O. sei im Frühjahr acht Jahre hier und könne dann seinen Aufenthaltstitel aufgrund guter Integration neu beantragen, habe der Landrat erwidert, das sei nur gegangen, wenn Martin O. die gesamte Zeit über in einer Duldung hier gelebt hätte. "Als ich ihm dann genau erläutert habe, weshalb das juristisch einfach nicht korrekt ist, kam keine Antwort mehr", sagt Peter Barth. Der Fall jetzt vor der bayerischen Härtefallkommission. Barth sagt: "Wenn die nein sagt, wird ihm niemand mehr helfen können."

© SZ vom 30.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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