Hochwassergefahr im Landkreis:Von acht Gewässern geht Flutgefahr aus

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Vielen Gündingern dürften die Überschwemmungen vom Juni 2013 noch lebhaft in Erinnerung sein. Starkregen hatte die Maisach bei Bergkirchen über die Ufer treten lassen, die braunen Wassermassen überschwemmten Häuser, Gärten und Sportanlagen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nicht nur Bergkirchen und Dachau, auch Gemeinden wie Karlsfeld müssen bei Starkregen mit Hochwasser rechnen. Schon seit Jahren wird bei den Kommunen und im Wasserwirtschaftsamt an Schutzvorkehrungen gearbeitet, doch die Planungen sind kompliziert und langwierig

Von Jacqueline Lang, Dachau

Von der jüngsten Hochwasserkatastrophe ist der Landkreis Dachau verschont geblieben. Doch auch im Dachauer Land gibt es Gewässer, die bei Starkregen über die Ufer treten können und es sind längst nicht nur größere Flüsse wie die Amper, die Glonn oder die Würm, es sind auch die Maisach, der Gröbenbach, der Ascherbach, der Webelsbach und der Ebersbach. In der Folge bedeutet das: Nicht nur Bergkirchen und Dachau, sondern auch Gemeinden wie Karlsfeld müssen bei Starkregen mit Hochwasser rechnen. Zu diesem Ergebnis kommt das zuständige Wasserwirtschaftsamt. Laut Jonas Hürten, Abteilungsleiter für den Landkreis Dachau und München, wird schon seit Jahren daran gearbeitet, die Risiken zu minimieren.

2007 hat die EU die sogenannte Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie erlassen, deren Inhalte wiederum 2010 ins bundesweite Wasserhaushaltgesetz sowie das bayerische Wassergesetz aufgenommen und darin konkretisiert worden sind. Besagte Richtlinie sei, so Hürten, die "zentrale Richtschnur für Behörden und Kommunen zur Beurteilung und den Umgang mit Hochwassergefahren". Für die Landkreiskommunen gibt es demnach vier "Bausteine", um die es sich zu kümmern gilt: die Vermeidung von Hochwasserereignissen, der Schutz davor sowie die Vor- und Nachsorge. Besonders wichtig sei die "Erstellung von Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten für alle Gewässer mit signifikantem Hochwasserrisiko", so Hürten. Diese Karten ergeben, dass gleich acht Gewässer für den Landkreis eine potenzielle Gefahr darstellen.

Im Auftrag des Freistaats ist das Wasserwirtschaftsamt ausschließlich für Gewässer erster und zweiter Ordnung zuständig, das heißt für größere Gewässer und Flüsse wie etwa die Würm, die Amper, die Glonn und die Maisach. Dort ist es für den Bau von sogenannten Hochwasserschutzanlagen verantwortlich. Weil sehr viele Akteure in die Planungsprozesse eingebunden sind, dauern die erforderlichen wasserrechtlichen Planungsfeststellungsverfahren Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte. Deshalb wirkt es manchmal so, als tue sich nichts. Ganz stimmt das natürlich nicht: Im Bereich Günding beispielsweise sind laut Hürten "die Planungen für den Hochwasserschutz an der Maisach bereits fertig und der Planfeststellungsbescheid des Landratsamts Dachau ist ergangen, sodass wir hier mit einem Baustart Ende dieses Jahres rechnen". Des Weiteren plane man derzeit den Hochwasserschutz für die Stadt Dachau an der Amper und am Gröbenbach.

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Allerdings, und das zeigt eben doch, wie langsam es vorwärts geht: Der Gröbenbach ist laut Andreas Meyer, Abteilungsleiter Tiefbau, schon Thema, seit er im Amt ist - und das sind mittlerweile 18 Jahre. Und auch die Amper sei spätestens seit dem großen Hochwasser 1999 im Gespräch. Zumal man bedenken müsse, dass nicht immer nur Starkregen für Hochwasser verantwortlich sei, sondern auch steigendes Grundwasser. Weil aber viele Akteure bei den Maßnahmen involviert seien, dauere alles seine Zeit. "Das sind die ganz dicken Bretter, die man bohrt", so Meyer.

Davon kann auch Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ein Lied singen: Erst Ende Juli fand wieder ein Infoabend zum Hochwasserschutz statt. Vorausgegangen war der Einladung der Stadt ein heftiger Protest der Anwohner in den Bereichen Holzgarten und im Lus, nachdem das beauftragte Münchner Planungsbüro kürzlich drei mögliche Varianten für eine Deichanlage vorgestellt hatte. Die Anwohner fühlten sich nicht ausreichend informiert, also zog Hartmann eine Infoveranstaltung, die erst für Ende des Jahres geplant gewesen war, vor - auch wenn wichtige Untersuchungsergebnisse noch ausstehen.

Er gehe davon aus, dass das Büro Ende des Jahres eine erste Empfehlung für eine der drei Varianten abgeben werde, so Hartmann, dann werde man die Bürger erneut informieren. Fest steht schon jetzt: Auch beim Hochwasserschutz müssen ökologische, wasserwirtschaftliche und finanzielle Vor- und Nachteile abgewogen werden. Wie diese zu gewichten sind, hängt davon ab, wen man fragt. Deshalb kann es noch Jahre dauern, bis an der Amper eine Deichanlage entsteht. Solche Infrastrukturprojekte seien "uferlos", so Hartmann. Im Ernstfall gehe es auch um Enteignung. Neben dem Hochwasserschutzmaßnahmen entlang der Amper und des Gröbenbachs - wo die Planung noch in den Kinderschuhen steckt - will die Stadt Dachau die jüngste Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zum Anlass nehmen, um zu prüfen, an welchen Stellen im Stadtgebiet bei Starkregen eine Gefahr besteht, etwa durch einen Hang, der weggespült wird. Anders als bei Gewässern, wo man Risiken gut berechnen könne, seien Prognosen für Starkregen schwieriger zu treffen. Trotzdem will man es versuchen. Ein Planungsbüro sei aber noch nicht beauftragt worden, so Hartmann.

In Karlsfeld war man 2019 noch überrascht davon, dass weite Teile der Gemeinde hochwassergefährdet sein könnten. Immerhin liegt die Gemeinde in der Münchner Schotterebene, wo Wasser rasch versickert - so jedenfalls lauteten die Einwände einiger Gemeinderäte. Das Wasserwirtschaftsamt betonte damals, dass es bei der Sicherung von Überschwemmungsgebieten auch immer darum gehe, die Bevölkerung für Gefahren zu sensibilisieren. Nicht alles, was möglich sei, müsse auch eintreten. Am Ende gehe es immer um Wahrscheinlichkeiten, erklärt Hürten.

Gut zwei Jahre später ist die Gemeinde, was den Hochwasserschutz anbelangt, schon ein Stück weiter: So wurde laut Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) für das Gelände, auf dem spätestens 2025 das vierte Landkreisgymnasium stehen soll, ein Hochwasserschutzkonzept erstellt, welches das Bauvorhaben trotz Hochwasserrisiko und hohem Grundwasserspiegel möglich machen soll. Grundsätzlich habe sich gezeigt, dass Karlsfeld bereits einiges für den Hochwasserschutz tue, sagt Kolbe, zum Beispiel indem man unnötige Flächenversiegelungen vermeide und die Würm regelmäßig begutachte. Konkrete Maßnahmen seien derzeit aber nicht geplant.

Anders in Altomünster: Für die Gewässer der Marktgemeinde ist zwar nicht das Wasserwirtschaftsamt zuständig, trotzdem soll hier am Halmsrieder Graben ein Rückhaltebecken entstehen, das bis zu 34 000 Kubikmeter Regenwasser aufstauen kann. 2019 war man noch davon ausgegangen, dass das Becken im Herbst dieses Jahres eingeweiht werden könnte. Doch die Pandemie und eine damit einhergehende angespannte Haushaltslage haben die Gemeinde in der Planung zurückgeworfen: Laut Bürgermeister Michael Reiter (FWG) befinde man sich nach wie vor in Abstimmungen mit der Förderbehörde. Denn davon, wie viele Fördermittel die Gemeinde kommt - laut Reiter liegen die Baukosten im siebenstelligen Bereich - hängt auch davon ab, bis wann das Becken fertig wird. In die Berechnungen fließe auch ein, welche Kosten im Schadensfall auf Freistaat und Kommune zukämen. Die Katastrophe in Ahrweiler habe allerdings gezeigt, dass es sich bei dieser Abwägung um eine "Milchmädchenrechnung" handle. Immerhin sei der monetäre Schaden ja nur das eine, die persönlichen Schicksale das andere. Reiter hofft auch deshalb auf einen Baubeginn im kommenden Jahr.

Hochwasserschutz bedeutet aber nicht immer gleich, dass gebaut wird, wie Hürten erläutert: Haimhausen etwa lasse vom Wasserwirtschaftsamt gerade ein Konzept zum "kommunalen Sturzflut-Risikomanagement" erstellen, um Gefahrenpotenziale zu ermitteln. Und auch sonst gibt es einiges, was die Gemeinden tun können: Dazu zählt die Sicherung kritischer Infrastruktur im Katastrophenfall. Neben hauptamtlichen Kräften von Polizei und Rettungsdienst hat der Katastrophenschutz laut Landratsamt Zugriff auf mehr als 2500 Bürger bei den 67 Freiwilligen Feuerwehren sowie 80 Helfer beim THW und mehr als 1000 bei den verschiedenen Bereitschaften des BRK und der Wasserwacht. Außerdem wichtig: Es müssen stets ausreichend Sandsäcke zur Verfügung stehen. Den das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Die Frage ist nur wann.

© SZ vom 16.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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