Die Grünen im Landkreis Dachau:Ergrünter Landkreis

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Beim Neujahrsempfang der Grünen im Januar zeigte sich bereits, wie gut die Ökopartei im Landkreis mittlerweile aufgestellt ist. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Ökopartei hat neun Rathäuser erobert. Statt zwölf gibt es nun 44 Politiker, die den Klimaschutz vorantreiben wollen

Von Jacqueline Lang, Dachau

In Krisenzeiten vertrauen die Menschen häufig auf Altbewährtes, das hat sich auch bei der Kommunalwahl gezeigt, viele Bürgermeister wurden mit großer Mehrheit wiedergewählt. Und doch deuten die Wahlergebnisse auf einen politischen Wandel hin. Es ist jedoch nicht die große Welle, die in der Vergangenheit häufig beschrieben worden ist. Vielmehr scheint es eine langsame, stetige Woge zu sein. Sie hat die Farbe von Gras. Die Grünen im Landkreis Dachau, deren Ortsverbände sich in Teilen erst im vergangenen Jahr neu gegründet haben, sitzen nun in neun von 17 Gemeinderäten, sowie dem Dachauer Stadtrat - überall dort, wo sie angetreten sind. Im Kreistag sind sie ebenfalls gut vertreten. Für einen Platz auf dem Rathaussessel war es aber offenbar noch zu früh. In sechs Jahren könnte das allerdings schon ganz anders aussehen.

Achim Liebl, Landratskandidat der Grünen, hätte sich insgeheim eine Stichwahl erhofft, das gibt er zu. Illusionen darüber, dass er Amtsinhaber Stefan Löwl (CSU) vom Thron schubsen könnte, hatte er sich aber keine gemacht. Letztlich musste er sich mit 14,8 Prozent der Stimmen zufrieden geben und lag damit zwar weit hinter Löwl (55,3 Prozent), aber doch deutlich vor allen anderen Bewerbern. In Bayern, das traditionell von der CSU regiert wird, braucht man sich als Grüner mit dem Ergebnis wahrlich nicht zu verstecken. Liebl ist vielmehr glücklich darüber, dass seine Partei im Kreistag nunmehr zweistärkste Kraft nach der CSU ist und in vielen Gemeinden gleich mehrere Sitze gewonnen hat - teilweise sogar aus dem Stand.

In Karlsfeld etwa sind die Grünen mit 16,5 Prozent nach der CSU und dem Bündnis für Karlsfeld nun drittstärkste Kraft und haben fünf Sitze ergattert - und das, obwohl sie bislang gar nicht vertreten waren. Michael Fritsch, Sprecher des Ortsverbands, hatte, wie er zugibt, sogar auf mehr gehofft, auch wenn er natürlich mit dem Ergebnis hochzufrieden ist. Die anderen Parteien sind in der Gemeinde bislang einfach "stärker verwurzelt" und waren durch ihre Bürgermeisterkandidaten stärker im Fokus. Ob er es bereut, keinen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt zu haben? Das verneint Fritsch entschieden. Auch wenn das die Grünen in anderen Gemeinden anders gehandhabt hätten, wäre es aus seiner Sicht "nicht professionell" gewesen, einen Bürgermeisterkandidaten ins Rennen zu schicken, der noch nicht einmal Erfahrung im Gemeinderat hat.

Ein Grüner mit Erfahrung ist dagegen der Röhrmooser Biobauer Arthur Stein. Ergründete schon vor gut 30 Jahren die Grüne Unabhängige Liste (GUL). Im vergangenen Jahr ist daraus der Ortsverein der Grünen geworden. Lange, sagt Stein, habe er keiner Partei angehören wollen - auch nicht den Grünen. Doch seit diese auch auf Fragen jenseits vom Klima Antworten finde, sei er da anderer Meinung - und habe den bundesweiten Erfolg auch für sich nutzen wollen. Für das Amt des Bürgermeisters hat es zwar wieder nicht gereicht, aber dafür sitzt Stein nun mit vier Parteifreunden im Röhrmooser Gemeinderat und sogar im Kreistag, wo er seine Gemeinde nun gemeinsam mit Bürgermeister Dieter Kugler (CSU) vertreten wird.

Susanne Vedova, die erst seit 2018 Mitglied der Grünen ist und nun erstmalig mit zwei Parteikollegen in den Pfaffenhofener Gemeinderat einzieht, ist ein gutes Beispiel dafür, dass es auch ohne jahrelange Erfahrung geht. Vedova konnte Amtsinhaber Helmut Zech (CSU) zwar nicht beerben, ihr Ergebnis ist mit 23,2 Prozent aber trotzdem beachtlich. Große Hoffnungen, die erste Grünen-Bürgermeisterin zu werden, habe sie sich ohnehin nicht gemacht, - "diese Kombination aus Grüne und Frau hat viele sicher noch zu stark gefordert" - aber den Bürgern eine Wahlmöglichkeit zu geben, dass sei ihr trotzdem wichtig gewesen, sagt Vedova. Die Wahlerfolge im gesamten Landkreis seien "ein toller Erfolg". "Wir sind zu einer festen politischen Größe geworden", sagt Vedova. Das bestätigen übrigens auch die bayernweiten Zahlen: Die Grünen haben im gesamten Freistaat mehr als 1000 neue Mandate dazu gewonnen. Allein in Dachau wird es künftig 44 Kreis-, Gemeinde- und Stadträte geben statt den bisherigen zwölf.

Sorgen, das ihnen andere Parteien wie etwa die CSU in den kommenden Jahren die Themen klauen könnten, macht sich bei den Grünen im Landkreis Dachau niemand. Schon seit der Europawahl hätten "Grünen-Themen zwar auf einmal Konjunktur", sagt Jasmin Lang, die Sprecherin des Dachauer Ortsverbands. In der Politik gebe es aber die Tendenz, das "politische Original" zu wählen. Richard Seidl, Sprecher des Grünen-Kreisverbands, sieht das ähnlich. Natürlich seien andere Parteien plötzlich "ergrünt" - häufig sei das aber nur der Fall, wenn daraus kein Handlungszwang erwachse. So etwa im Fall des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der nun einen Kohleausstieg bis 2030 fordert - der sein Bundesland eigentlich nicht betrifft. "Unsere Aufgabe wird es auch in Zukunft sein, das aufzuzeigen und zu kritisieren", sagt Seidl. Grundsätzlich, und auch da sind sich alle Grünen-Politiker im Landkreis einig, sei es aber gar nicht schlimm, wenn Themen wie Mobilität und Klimaschutz in Zukunft nicht mehr reine Grünen-Themen seien. Susanne Vedova etwa freut sich schon darauf, demnächst im Pfaffenhofener Gemeinderat das einfordern zu können, was in den Wahlprogrammen der anderen "schwarz auf weiß gedruckt steht". Auch Michael Fritsch will im neuen Karlsfelder Gemeinderat die anderen Parteien "piesacken", damit sie das, was diese im Wahlkampf versprochen haben, umsetzen. Denn eines steht für Fritsch außer Frage: "Wenn auf dem Monte Kienader einen ganzen Winter lang kein Schnee mehr liegt, dann merkt auch der Letzte, dass sich etwas ändern muss."

Sind die Grünen also gekommen, um zu bleiben? Für Achim Liebl steht das außer Frage. Dem Landkreis habe man längst einen "grünen Stempel" verpasst und auch wenn in der jetzigen Situation gerade andere Themen vorrangig seien, "die Themen Mobilität und Klima gehen nicht mehr weg". Durch die 32 Gemeinderatssitze in neun Gemeinden und zusätzlichen zwölf Sitze im Kreistag habe die Kommunalwahl eine gute Grundlage dafür geschaffen, um in Zukunft "in der Fläche gut zusammenarbeiten zu können". Einfach werde das aber wohl trotzdem nicht, befürchtet Fritsch. Am Ende gelte es daher, schlauer zu sein, als Verwaltung und Bürgermeister - und das, obwohl man als ehrenamtlicher Gemeinderat mit einer 40-Stundenwoche nur begrenzt Zeit habe sich in die unterschiedlichen Themen einzuarbeiten. "Machen wir uns nichts vor: Es ist ein hartes Brot." Doch die Grünen wollen die Zukunft des Landkreises mitgestalten.

© SZ vom 23.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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