Landtagswahlkampf:"Demokratie unter Beschuss"

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Die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze in Dachau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Spitzenkandidatin der Grünen in Bayern Katharina Schulze stellt sich in Dachau den Fragen der Bürgerinnen und Bürger. Im Gegensatz zum Pfeifkonzert im Bierzelt eigentlich ein Heimspiel, oder?

Von Jonas Junack, Dachau

Das Pflaster ist noch warm auf dem Schrannenplatz, darüber der blaue Abendhimmel. Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, steht dort, neben den Dachauer Landtags- und Bezirkstagskandidaten Martin Modlinger und Dale Carpenter, und kommt aus dem Strahlen kaum raus. Das war in den vergangenen Wochen oft anders. Als Grüne auf Wahlkampftour durch Bayern ist man nicht überall willkommen.

Bei ihren Auftritten in den Bierzelten in Chieming oder Kemnath schallen Schulze Trillerpfeifen und Buhrufe entgegen. Sie ist mit Polizeischutz dort. "Geschockt" sei sie, sagt sie später. Die Stimmung sei "rauer" geworden. Im Kulturraum Bierzelt ist für die Grüne derzeit nichts zu holen, so scheint es. Aber in Dachau stimmten vor fünf Jahren 17 Prozent für ihre Partei und der Schrannenplatz ist eindeutig kein Bierzelt: Heimspiel also, müsste man meinen.

Endlich in Ruhe reden

Das Motto des Abends lautet: "Frag Katharina Schulze". Die Spitzenkandidatin will mit den Menschen ins Gespräch kommen. Ohne Störungen, ganz gesittet. Etwa 50 Zuschauer stehen im Halbkreis um die grüne Delegation herum. "Freunde, Grünwähler und Noch-nicht-Grüne", nennt Schulze sie. Wobei die ersten beiden Gruppen offenbar in der Mehrzahl sind. Der Lärm des Verkehrs auf der Augsburger Straße verschluckt manchmal die Worte der drei Politiker, fast wie im Bierzelt.

Carpenter, Polizist und Bezirkstagskandidat, der den Häuserwahlkampf "richtig geil findet", zählt erst einmal auf, was er alles nicht so geil findet. Der Wohnungsmarkt sei "katastrophal", sagt er. Barrierefreiheit, Pflege und die trockengelegten Moore: Die Landesregierung habe versagt. Und dann kommt Carpenter zu einem Punkt, um den sie an diesem Abend alle zirkulieren werden: Die gesellschaftliche Spaltung schreite voran, sagt er. Bei den bayerischen Grünen, das wird an diesem Abend schnell deutlich, macht man sich ernsthafte Sorgen um den Zustand der Demokratie.

Martin Modlinger spricht auf dem Schrannenplatz. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Martin Modlinger, Dachauer Stadtrat, übernimmt als Zweites und setzt vor allem auf ein Wort, dass schon Olaf Scholz gute Dienste im Bundestagswahlkampf erwiesen hat: Respekt. Vor Natur, Menschen und dem Miteinander. An diesem Abend klappt das ganz gut: Das Publikum applaudiert, viele nicken zustimmend, als Modlinger "klare Kante gegen Rechts" fordert. Er erklärt, mit der CSU läge er überhaupt nicht auf Linie. Da wird zustimmend gelacht. Aber so einfach ist das nicht mit der CSU, denn die bayerischen Grünen wollen ja regieren. Und ohne CSU ist das kaum vorstellbar.

Das Mikrofon wandert zu Schulze. Aus "Frag Katharina" wird für einen Moment "Katharina fragt". "Wie viele Windräder stehen wohl in Bayern?". Sie schaut in die Runde und hält das Mikro grinsend Richtung Publikum. Heitere Empörung über die bayerische Schlafmützigkeit in Sachen Windkraftausbau macht die Runde. Und dann kommt der ernste Teil.

"Richtig Geld in die Hand nehmen"

Die Demokratie sei unter Beschuss, sagt Schulze. Es gäbe Mitbewerber - auch demokratische - "die Öl ins Feuer gießen". Die Menschen hätten Angst vor "amerikanischen Verhältnissen", vor "dem Rechtsruck". Diesen Satz hatte sie zwei Tage zuvor schon im schwäbischen Krumbach gesagt. Sobald die Grünen in Regierungsverantwortung seien, werde man deshalb die Sicherheitsbehörden aufrüsten. Das Stichwort "Innere Sicherheit" fällt. Und plötzlich klingt es, als habe zumindest die Fraktionsvorsitzende dann doch so etwas wie eine gemeinsame Linie mit der CSU gefunden.

Kinder, sagt Schulze weiter, seien "Zukunftsmacher". Von Enttäuschung über die geschrumpfte Kindergrundsicherung ihrer Parteikollegin Lisa Paus, keine Spur. Um Wirtschaft geht es trotzdem: Schulze fordert ein "Kita-Sonder-Investitionsprogramm" und Investitionen in die sozialen Berufe. "Richtig Geld in die Hand nehmen" will sie. Das Gegenteil also vom Haushaltsplan der Ampelregierung, der um etwa 30 Milliarden Euro niedriger ausfällt als im vergangenen Jahr.

Zum Ende der Veranstaltung gibt es dann doch noch die namensgebende Fragerunde. Themen wie der Lehrermangel, das Schulsystem oder die Umrüstung von Verbrennern auf Elektroantrieb werden vom Publikum aufgeworfen. Und schließlich stimmt Schulze ein finales "Loblied auf die Ampel" an, wie sie es nennt: Deutschlandticket, Mindestlohn, Kindergeld. Gut regiert, so lautet ihr Zeugnis. Ein Passant läuft durch die Menge und hält sich demonstrativ die Ohren zu. Auch am Schrannenplatz ist an diesem Abend nicht jeder einverstanden, aber im Gegensatz zu den Bierzelten ist der Widerspruch diesmal geräuschlos.

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