Schnee-Walze:Wintereinbruch legt Infrastruktur lahm

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S-Bahnen sind am Montagvormittag zwar vom Dachauer Bahnsteig aus zu sehen, bewegen sich aber nicht vom Fleck. (Foto: Toni Heigl)

Wegen der Schneemassen herrscht am Montag noch Ausnahmezustand am Dachauer Bahnhof. Pendlerinnen und Pendler sind ratlos, wie sie vom Fleck kommen. Schüler schaffen es nicht in den Unterricht und die Eislaufbahn bleibt gesperrt.

Von Anna Schwarz, Dachau

Bei Minusgraden warten Pendlerinnen und Pendler am Montagvormittag in Dachau an den Bussteigen, stapfen durch den Matsch, tippen auf ihren Handys, um Alternativrouten zu recherchieren. Die Bahnsteige sind leer gefegt, aus dem Lautsprecher tönt eine Durchsage: "Aufgrund des Wintereinbruchs ist der Zugverkehr zwischen Petershausen und Obermenzing eingestellt", es wurde ein Schienenersatzverkehr (SEV) eingerichtet mit Großraumtaxen zwischen Dachau und Laim und in umgekehrter Richtung. Gegen zehn Uhr rennt Mustafa Mohamad, der als Friseur in München arbeitet, die Treppen vom Bahnsteig hinunter und sagt: "Man weiß einfach nicht, wo der SEV abfährt."

Eigentlich hätte er schon vor zwei Stunden in seiner Arbeit am Münchner Hauptbahnhof sein sollen und wollte den Bus nach Feldmoching nehmen. Aber der sei auch nicht gekommen, sagt der Dachauer: "Natürlich ist der Winter schön, aber dass gar nichts mehr fährt, hätte ich auch nicht gedacht."

"Das ist eine Katastrophe heute"

Unter den Pendlern spricht sich herum, dass die SEV-Großraumtaxen am Bahnhofsvorplatz abfahren. Hier wird nicht nur gewartet, sondern auch geschimpft: Eine 33-jährige Bauingenieurin aus Dachau ist sauer. Sie arbeite in München und verstehe es nicht, warum die Gleise noch schneebedeckt sind und nicht von der Bahn freigeräumt wurden: "Das ist eine Katastrophe heute." Etwa eine Stunde habe sie auf den Schienenersatzverkehr gewartet. Ein Auto hat sie nicht, der Weg nach München erscheint ihr heute zu beschwerlich: "Ich muss mir heute einen Urlaubstag nehmen", sagt sie verärgert.

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Lola Ajayi ist gegen neun Uhr ebenfalls am Bahnhofsvorplatz gestrandet. Die 55-jährige Putzfrau nimmt eigentlich die S2 nach Erdweg, um zur Arbeit zu kommen. Doch an diesem Vormittag fährt auf dieser Strecke nichts. Zwischen Altomünster beziehungsweise Petershausen und Dachau gibt es keinen SEV. Und der nächste Bus Richtung Erdweg kommt in etwa vier Stunden. Ajayi will versuchen, ein Taxi zu finden, aber das Warten wird zur Qual: "Das Problem ist, dass es so kalt ist."

Die Bahn besitzt in Bayern nur 13 "bahneigene Räumfahrzeuge"

Auf Anfrage der SZ, warum kein SEV zwischen Altomünster beziehungsweise Petershausen nach Dachau eingerichtet wurde, teilt die Bahn mit: "Ein Ersatzverkehr ist leider aufgrund des Umfangs und der großen erforderlichen Kapazitäten nicht vollumfänglich möglich." Wegen des Winterbruchs seien Bahnmitarbeiter derzeit pausenlos unterwegs, um Bäume auf Gleisen zu beseitigen sowie rund 80 Oberleitungsschäden im Großraum München zu reparieren. Zudem würden Gleise und Oberleitungen von Schnee und Eis befreit.

Doch die Kapazitäten sind begrenzt: Wie die Bahn Ende November mitgeteilt hatte, besitzt sie in Bayern nur 13 "bahneigene Räumfahrzeuge" - bei 9800 Streckenkilometern in der Region Süd. "Dazu kommen sieben Fahrzeuge der leichten Schneeräumtechnik - vier multifunktionale Instandhaltungsfahrzeuge für die Schieneninfrastruktur und drei Gleisarbeitsfahrzeuge."

Simon Finsterer hat einen zeitlichen Puffer eingebaut, um bei dem Schneechaos zu seinem Arzttermin nach München zu kommen. (Foto: Toni Heigl)
Die Bahnsteige in Dachau wirken am Montagvormittag ziemlich verlassen. (Foto: Toni Heigl)
Die Pendlerinnen und Pendler sammeln sich am Bahnhofsvorplatz und warten dort auf die Großraumtaxen des Schienenersatzverkehrs. (Foto: Toni Heigl)
Bahnhofskiosk-Betreiberin Ute Schreiber bedient am Montagvormittag weniger Kunden als sonst. (Foto: Toni Heigl)

Simon Finsterer wartet in der Nähe des Bahnhofkiosks. Der 28-jährige Bankkaufmann muss zu einem Arzttermin an der Donnersbergerbrücke, für die Anfahrt hat er einen Puffer eingebaut: "Für mich ist es heute verständlich, dass nichts fährt." Ute Schreiber betreibt den Kiosk und bedient an diesem Vormittag weniger Kunden als sonst: "Wenn normaler Verkehr ist, ist mehr los." Heute seien wohl viele Pendler mit dem Auto gefahren, auch Schulkinder seien ausgeblieben und wurden wohl mit dem Auto gefahren, vermutet Schreiber.

Doch einige Schülerinnen und Schüler hätten es am Montag gar nicht in die Schule geschafft, sagt der Schulleiter des Josef-Effner-Gymnasiums Peter Mareis. Im Durchschnitt hätten etwa zwei Schülerinnen und Schüler pro Klasse gefehlt, weil entweder gar kein Bus ging oder dieser viel zu spät gekommen sei, sodass die Schüler wieder nach Hause gegangen seien, sagt er. Andere Gymnasiasten und sogar Lehrer kamen bei dem Schneechaos etwas zu spät: "Wir waren im Laufe der zweiten Schulstunde vollständig", sagt Mareis.

"Die Eismeister arbeiten derzeit hart daran und werden vom Eissportverein unterstützt"

Vor "größeren Verspätungen" im Busverkehr warnten auch die Stadtwerke Dachau auf Facebook, zudem kam es zu Einschränkungen auf der Linie 718. Wegen umgestürzten Bäumen konnten folgende Haltestellen nicht angefahren werden: Am Rennplatz, Stadtweiher, Graf-Konrad-Straße und Eschenrieder Straße.

Darüber hinaus blieben das Dachauer Hallenbad und die Kunsteisbahn am Montag weiter geschlossen. Auf SZ-Anfrage schreibt Stadtwerke-Sprecherin Cornelia Scheyerl : "Vorsicht ist das oberste Gebot. Wir sind aktuell noch dabei, alles zu besichtigen und mögliche Schäden zu eruieren." Oberbürgermeister Florian Hartman (SPD) teilt mit, dass viel Schnee auf die Kunsteisbahn gefallen sei und dieser nur zentimeterweise mit einer Maschine abgetragen werden könne: "Die Eismeister arbeiten derzeit hart daran und werden von Mitgliedern des Eissportvereins unterstützt."

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