Modellbahn-Börse:Volldampf voraus für Modelleisenbahnfans

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Marktveranstalter Franz Gruber mit einem originalgetreuen Panoramazug. (Foto: Toni Heigl)

Eine Märklin Eisenbahn unter dem Weihnachtsbaum war für viele Kinder der 60er- oder 70er-Jahre das Nonplusultra. Was wurde aus der Liebe zur Modelleisenbahn? Ein Besuch auf dem Modellbahnmarkt in Dachau zeigt: Die Eisenbahn erfährt eine Renaissance.

Von Morris Zalesjak, Dachau

Es ist einiges los an diesem Samstag auf dem Modellbaumarkt in der ASV Turnhalle an der Gröbenrieder Straße. Auf 800 Quadratmeter reihen sich Tisch an Tisch, Händler und Privatpersonen präsentieren unter dem kalten Neonröhrenlicht ihre Waren. Flohmarktatmosphäre. Nur mit dem Unterschied, dass hier kein Allerlei angeboten wird, sondern ausschließlich Modelleisenbahnen und passendes Zubehör. Es gibt Loks, Waggons, Dekoobjekte wie Bäume oder Steinimitat, aber auch ganze Schienensets von Märklin, Trix oder Roco.

Beim Besuch auf der Modellbahnbörse stellt man außerdem noch etwas fest: Anders als bei Flohmärkten ist das Publikum hier sehr homogen. Man trifft hauptsächlich auf ältere Herren, die am Renteneintrittsalter kratzen oder es schon überschritten haben. Kinder sieht man verhältnismäßig wenige, wenn man bedenkt, dass die Modelleisenbahn ein Spielzeug ist. Noch weniger trifft man aber auf Frauen. Die wenigen, die da sind, sind als Begleitung für den Lebenspartner mitgekommen.

Kinderspielzeug ist die Modelleisenbahn kaum noch

"Diese Zeiten sind vorbei", sagt Franz Gruber, der Veranstalter des Modellbahnmarktes und meint damit die goldene Ära der Modelleisenbahn als Spielzeug für Kinder. Der 63-jährige Münchner ist selber bereits im Ruhestand und organisiert seit über 25 Jahren Modellbahnmärkte und -börsen in ganz Bayern. Seit 1998 finden auch mehrmals im Jahr in Dachau die Märkte statt. "Zuerst waren wir im Ludwig-Thoma-Haus in der Altstadt, aber jetzt sind wir seit 20 Jahren hier in der Halle", sagt Gruber stolz.

Er trägt eine hellbraune Fleeceweste und eine dunkelbraune Kurzhaarfrisur. Er ist einer der Wenigen, der hier noch nicht ergraut ist. Gruber ist 1960 in München geboren. Wenn er spricht, hört man manchmal seinen oberbayrischen Dialekt. "Ich bin Spielbahner", sagt Gruber. Also jemand, der seine Modelle aktiv fahren lässt und benutzt. Es gäbe drei Arten von Modelleisenbahnfans, erklärt er. Den Spielbahner wie ihn, den Schachtelbahner, also der reine Sammler, der seine Loks und Waggons ausschließlich in die Vitrine stellt, und den Modellbauer, auch Vorbildbahner genannt, der um seine Bahnstrecke auch noch eine Landschaft baut. "Früher habe ich den Unterschied auch nicht so eng gesehen", sagt Gruber. "Aber dann bin ich bei manchen angeeckt." Seitdem besteht er auf die klare Trennung.

In der Dachauer ASV-Halle treffen sich mehrmals im Jahr Modelleisenbahn-Fans zum großen Markt. (Foto: Toni Heigl)
Die 17-jährige Lilli ist eines der wenigen Mädchen beim Modelleisenbahnmarkt. Hier bestaunt sie eine Dampflok der französischen Schnellbahn LGV EST, der Verkaufswert liegt bei 679 Euro. (Foto: Toni Heigl)
Auch viel Zubehör geht über die Verkaufstische. (Foto: Toni Heigl)
Die 679 Euro teure Dampflok der französischen Schnellbahn LGV EST in Großaufnahme. (Foto: Toni Heigl)
Hier suchen sich Julian (12) aus Dachau und sein Vater Matthias Höreth ein paar Secondhand-Loks aus. (Foto: Toni Heigl)

Gruber ist wie viele als Kind zur Modelleisenbahn gekommen. Ende der 60er-Jahre hat er eine Märklin-Bahn bekommen. "Das war damals das Ding. Da war man ganz vorn mit dabei", erzählt er. Mit 15 Jahren ist die Faszination etwas kleiner geworden und mit Mitte 20 dann wieder aufgeflammt. Bis heute. Dann kam ihm die Idee, eine Börse für Eisenbahnfans zu veranstalten, mit dem Gewinn hat er sich erst sein Gehalt und jetzt eben seine Rente aufgebessert. Auf dem Eisenbahnmarkt kennt ihn jeder. Immer wieder kommen Leute zu ihm, um ihn was zu fragen, ihn zu begrüßen oder einfach, um sich zu unterhalten.

Gruber deutet auf einen Mann, der seinen Stand inmitten des Gewusels aufgebaut hat. "Das ist unter anderem ein Händler", sagt Gruber. Tobias Meier aus Gilching hat einen Spielzeugladen und hat sich auf Modelleisenbahnen spezialisiert. Über das Geschäft kann er nicht klagen. Stolz präsentiert er eine Seltenheit aus seinem Sortiment. Eine schwarze Dampflokomotive der Serie 13 EST von Märklin. "Das ist der Orientexpress", sagt Meier. Über 600 Euro soll das Modell kosten. "Ja, man kann hier richtig Geld ausgeben", fügt er hinzu. Dafür lassen Loks in dieser Preisklasse aber keine Wünsche offen. Funktionierende Beleuchtung, detaillierte Aufarbeitung aller Elemente und, mit einer Spezialflüssigkeit befüllt kann die Lokomotive auch dampfen. An seinem Stand treffen gleich drei Generationen aufeinander. Neben Meier sind auch seine Mutter und seine Tochter da. Ob sie mal das Geschäft von ihrem Vater übernehmen will, weiß sie aber noch nicht.

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Wenn es nach Gruber und seinen Mitstreitern geht, sind Internet, Smartphones und Spielekonsolen maßgeblich Schuld am abnehmenden Interesse der Kinder an der Modelleisenbahn. Hinzu kommt, dass viele Leute kein Geld oder keinen Platz übrig haben, um sich noch Modellzüge ins Haus zu holen, erzählt ein Börsenbesucher. 2009 stand der größte deutsche Modellbahnhersteller Märklin schon vor dem Aus, nach dem Insolvenzverfahren ging es aber wieder bergauf. Wie die Wirtschaftswoche berichtete, steht das Unternehmen mittlerweile wieder gut da. 2022 erwirtschaftete Märklin einen Gesamtumsatz von 131 Millionen Euro. Laut der Statistik Online-Plattform Statista war es das umsatzstärkste Jahr seit über 15 Jahren.

Am Nachmittag ist es auf dem Modellbahnmarkt ruhiger geworden. Ein Sammler präsentiert Stücke aus seinen Privatbeständen. Ein älterer Herr mit weißem Haarkranz möchte ihm eine rote Lokomotive aus den 60er-Jahren abkaufen. Originalverpackt einigen sich beide auf 45 Euro. Bevor der Kauf durchgezogen wird, kann man alle Züge und Waggons auf einer Testbahn ausprobieren, ob auch alles funktioniert. Die beiden Männer stellen den Zug auf das Gleis, dann rollt er los.

Der nächste Modellbahnmarkt in Dachau findet am 3. März in der ASV Halle an der Gröbenrieder Straße 21 statt.

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