MVV-Leihräder:"Das ist jetzt schon eine Totgeburt"

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Eine solche Leihradstation wie hier am S-Bahnhof Planegg wird es wohl bald auch in Dachau geben. (Foto: Catherina Hess)

Der MVV möchte sein Leihradsystem auf die Landkreise um München ausdehnen. Im Dachauer Land aber will nur die Stadt mitmachen. Die übrigen Gemeinden sehen das Angebot kritisch.

Von Maxim Nägele und Alexandra Vettori, Dachau

In der Landeshauptstadt und im Landkreis München gehören die silber-blauen Leihräder der Münchner Verkehrsgesellschaft MVG schon seit einigen Jahren zum Ortsbild. Nun möchte der Münchner Verkehrsverbund (MVV) das Angebot neu ausschreiben und auf die übrigen Landkreise um München ausdehnen. Derzeit läuft eine Informationskampagne für die Kommunen. So wie es momentan ausschaut, wird aber nur die Stadt Dachau mitmachen. Einige Gemeinden, etwa Karlsfeld, Altomünster oder Hebertshausen, haben unverbindlich Interesse signalisiert.

In Dachau hat der Verkehrsausschuss des Stadtrats im September den Beitritt zum MVV-Leihradsystem beschlossen, Skepsis gab es trotzdem. CSU-Stadtrat Peter Strauch etwa bezweifelte, dass die festen Standorte des MVV-Leihradsystems den Bedarfen gerecht werden und tendierte eher zu einem "Floating-System", bei dem die Fahrräder nach Gebrauch beliebig abgestellt werden dürfen.

"Wer soll sich denn sowas hier ausleihen?"

Ein weiterer Kritikpunkt waren die hohen Kosten. Sie stehen zwar erst fest, wenn das Ergebnis der Ausschreibung vorliegt. Schätzungen des MVV gehen allerdings von jährlichen Kosten für die Gemeinden in Höhe von 840 Euro brutto für ein mechanisches Rad und 1500 Euro für ein Pedelec aus. Im Betrag enthalten sind die Buchungs-App, Reparatur und Wartungsservice rund ums Rad.

Im Landkreis Dachau haben viele Orte schon abgewunken, auch Petershausen. "Das ist jetzt schon eine Totgeburt", sagt Bürgermeister Marcel Fath (Freie Wähler) und betont, die Idee sei prinzipiell ja gut. Allerdings sage der MVV selbst, dass das System nur Sinn mache, wo es flächendeckend und zuverlässig angeboten werde. "Nachdem so viele Gemeinden abgesagt haben, macht es also keinen Sinn mehr", so Fath. Dazu komme, dass sich die Kommunen fünf Jahre lang verpflichten müssten "und keinerlei Einfluss auf die Erlöse haben. Wenn überhaupt Geld damit verdient wird, was ich bezweifle, dann fließt das Geld an den Betreiber."

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Auch Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU) aus Haimhausen nennt ein einheitliches Leihradsystem im Grunde "eine gute Sache, aber im Landkreis Dachau macht halt keiner mit. Und ich kann das verstehen, weil wer soll sich denn sowas hier ausleihen?" In dieses Horn stößt auch Richard Reischl (CSU) aus dem Nachbarort Hebertshausen: "Wir haben ausgerechnet, dass auf unsere Gemeinde rund 140 000 Euro Kosten im Jahr zukommen. Da können wir schon fast jedem Bürger ein Rad kaufen." Wer in ländlichen Kommunen mit dem Rad etwa zum S-Bahnhof pendele, benutze ein eigenes Rad.

Auch in Röhrmoos hat der Gemeinderat das Angebot des MVV mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt. Bei der Diskussion sei vor allem der hohe Preis zur Sprache gekommen, sagt Patrick Westermair, Geschäftsleiter im Rathaus. Außerdem hätten die Gegenstimmen bezweifelt, dass sich ein Leihradsystem etablieren könne, "weil vor Ort die Bevölkerung schon eigene Räder hat".

Im Landratsamt Dachau, das die Infokampagne für den MVV durchführt, hält man sich mit Bewertungen noch zurück. Hannah Langohr, eine der Projektverantwortlichen, sagt, man könne noch keine endgültigen Zahlen nennen. Fest stehe bislang Dachau, das als Basisgebiet teilnehmen wolle.

Der MVV empfiehlt 2,5 Räder pro 1000 Einwohner

In dem MVV-Konzept können Kommunen zwischen einem "Basisgebiet" und einem "Erweiterungsgebiet" entscheiden. Im Basisgebiet gibt es eine fixe und verbindliche Anzahl an Rädern und Stationen, im Erweiterungsgebiet ist das flexibler. Generell empfiehlt der MVV 2,5 Räder pro 1000 Einwohner. Für die Stationen sind die Kommunen zuständig. Je nach Ausstattungswunsch sind keine tiefbaulichen Maßnahmen erforderlich, die Mindestausstattung beschränkt sich auf Bodenmarkierungen und ein Schild, Kosten rund 1000 Euro. Über Standorte und die Anzahl der Fahrräder entscheiden die Kommunen.

Der Dachauer Kreisverband des Fahrradclubs ADFC begrüßt ein Leihradsystem im Landkreis prinzipiell und kann sich auch vorstellen, dass es dafür Nutzer gibt. Allerdings betont Vorsitzender Simon Schories, das System werde nur dann erfolgreich sein, wenn sich die Leute auf die Verfügbarkeit der Fahrräder verlassen könnten und das nicht nur in Dachau, sondern in allen Gemeinden und Nachbar-Landkreisen. Neben der bloßen Anzahl der Räder spiele vor allem die Dichte der Entleih- und Abgabestationen eine große Rolle.

Der ADFC ist skeptisch, was den politischen Willen anbelangt

"Als Nagelprobe, wie ernsthaft die Verwaltung und die Stadträte die Radförderung verfolgen, wird sich erweisen, in welcher Höhe Mittel dafür in den Haushalt eingestellt werden", betont Schories. Beim politischen Willen zur Förderung des Radverkehrs sei aber Skepsis angesagt: "So hat beispielsweise Dachau längst ein fertiges Radkonzept, das jedoch seit Jahren ohne nachhaltige Finanzierung im Dornröschenschlaf liegt." Die Hauptursache für den geringen Anteil des Radverkehrs sei aus Sicht des ADFC Dachau "nicht die fehlende Verfügbarkeit eines Fahrrads, sondern objektive Mängel in der Radverkehrs-Infrastruktur sowie das subjektive Sicherheitsempfinden beim Fahrradfahren".

Die Nutzerfreundlichkeit stehe auch für den MVV ganz oben, betont Hanna Langohr aus dem Landratsamt. Beim Vorgängermodell, dem MVG-Rad, seien die hohen Preise ein Problem gewesen. Für die verhaltene Resonanz aus den Rathäusern hat sie Verständnis: "Einig sind sich alle, dass es ein gutes Angebot ist, die Frage ist, wie sinnvoll es für die konkrete Gemeinde ist." Offenbar ist der Landkreis Dachau kein Einzelphänomen. Aus der MVV-Pressestelle ist zu erfahren, dass die Frist für Nachrücker nun bis Ende Dezember verlängert wird. Aktuell plant man im Basisgebiet mit 45 Kommunen in sechs Landkreisen. Im Erweiterungsgebiet könnten es bis zu 90 Kommunen werden.

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