Erinnerungskultur:Fast 44 Millionen Euro für bayerische KZ-Gedenkstätten

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Mit den Geldern will die KZ-Gedenkstätte die beiden rekonstruierten Baracken umfassend sanieren. (Foto: Toni Heigl)

Der Bund fördert die Einrichtungen in Dachau und Flossenbürg mit 21,8 Millionen Euro. Der Freistaat will die gleiche Summe dazugeben. Damit endet ein monatelanges Gerangel zwischen Bayern und Berlin.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Es ist ein guter Tag für die KZ-Gedenkstätten und die Erinnerungskultur in Deutschland. Von Bundes- und Landespolitikern verschiedener Parteien ist dieser Satz so oder so ähnlich am Donnerstag zu hören. Der Grund: Am Vormittag beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages in Berlin, dass fast 80 Millionen Euro aus dem Förderprogramm "KulturInvest" in Gedenkstätten an ehemaligen Konzentrationslagern oder andere Orte der Erinnerung an die NS-Verbrechen und ihrer Opfer fließen sollen, 51 Millionen davon gehen nach Bayern. Allein die bayerischen KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg erhalten 21,8 Millionen Euro, der Löwenanteil mit 17,5 Millionen geht nach Dachau - mit einer Million Besucher jährlich ist die dortige Gedenkstätte die bedeutendste in Deutschland. Der Freistaat hatte bereits im vergangenen Jahr eine Kofinanzierung in gleicher Höhe versprochen. Bund und Land bezuschussen Dachau und Flossenbürg damit unterm Strich mit fast 44 Millionen Euro.

In den beiden Einrichtungen, wo teilweise Neugestaltungen und dringende Sanierungsmaßnahmen anstehen, ist die Freude über die Nachricht aus Berlin groß. Die Dachauer Leiterin Gabriele Hammermann bedankt sich für "die Wertschätzung der Gedenkstättenarbeit durch diese notwendige Förderung". Auch Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, sagt: "Die authentischen Orte sind Voraussetzung für eine innovative Erinnerungskultur."

Ungewohnte bayerische Dankeshymnen in Richtung Berlin

In Dachau sollen mit den Mitteln von Bund und Freistaat die beiden denkmalgeschützten und in den 1960er-Jahren rekonstruierten Häftlingsbaracken grundlegend saniert werden. Die "Baracke West", die für Besucher bislang unzugänglich ist, soll künftig ein modernes Lernzentrum mit sechs Seminarräumen beherbergen, um etwa Rundgänge über das Gelände mit Schulklassen vor- und nachzubereiten. In der "Baracke Ost" sollen Besucher die Möglichkeit bekommen, sich über die Entstehung der Gedenkstätte und sowie über das Leben der Häftlinge im Barackenlager zu informieren. Zudem werden neue Flächen für das Sammlungsdepot sowie ein neuer Raum für Archiv, Bibliothek und Büros geschaffen. Die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg will mit den Mitteln ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der SS in die Erinnerungsarbeit einbinden.

Mit der Entscheidung im Haushaltsausschuss am Donnerstag endet ein monatelanges Gerangel zwischen Bund und Freistaat um die finanzielle Unterstützung der beiden Gedenkstätten. Im September vergangenen Jahres beantragte Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) bei der Kulturstaatsministerin des Bundes, Claudia Roth (Grüne), eine Förderung für die Sanierung und Neukonzeption der Einrichtungen. Doch im März lehnte Roth den Antrag mit der Begründung ab, die bayerische Staatsregierung habe die Mittel schlicht beim falschen Programm beantragt. Aus München kam heftiger Widerspruch. Der Streit gipfelte in einer öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung zwischen Landes- und Bundespolitikern bei einer Gedenkveranstaltung zum 90. Jahrestag der Errichtung des KZ Dachau.

Intensive Gespräche vor dem Haushaltsausschuss

Anschließend rauften sich beide Seiten zusammen. Im Sommer trudelten zwei überarbeitete Anträge aus Bayern in Berlin ein, die sich an das Förderprogramm "KulturInvest" richteten. Claudia Roth und Landtagsvizepräsident Karl Freller (CSU), der als Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten für Dachau und Flossenbürg verantwortlich ist, zeigten sich bei einem Staatsempfang demonstrativ harmonisch vor einer Kamera.

Im Hintergrund liefen derweil im politischen Betrieb in Berlin intensive Gespräche zwischen Abgeordneten verschiedener Parteien, um den beiden Anträgen aus Bayern im Haushaltsausschuss zum Erfolg zu verhelfen. Bei haushälterischen Entscheidern und bis in die Spitze seiner Bundestagsfraktion hinein habe er versucht, für die Anträge zu sensibilisieren, sagt der Dachauer Abgeordnete Michael Schrodi (SPD) der SZ Dachau. Er spricht von "langer und intensiver Arbeit". Ähnlich äußern sich auch die Dachauer Abgeordneten Katrin Staffler (CSU) und Beate Walter-Rosenheimer (Grüne). Sie habe sich "argumentativ und mit vollem Herzen eingesetzt", so Walter-Rosenheimer.

Schrodi verweist darauf, dass "KulturInvest" insgesamt über ein Budget von 300 Millionen Euro verfüge. Dass die KZ-Gedenkstätte Dachau solch einen großen Beitrag aus bundesweiten Mitteln erhält, zeige für ihn, wie viel Bedeutung der Erinnerungsarbeit im Landkreis beigemessen wird. "Auch in Zeiten eines Sparhaushalts ist es eine Anerkennung der Ampel für die Bedeutung der Gedenkstätte im Landkreis."

Die Nachricht aus Berlin lässt Landespolitiker aus Bayern am Donnerstag seltene Lobeshymnen in Richtung Bund anstimmen. "Großer Dank gilt dem Haushaltsausschuss", sagt Stiftungsdirektor Karl Freller, "wie auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth", mit der er im Vorfeld im Austausch gewesen sei. Roth selbst nennt es am Donnerstag eine "sehr guten Nachricht", dass der Haushaltsausschuss Mittel für diese "bedeutsamen Projekte in Bayern" ermögliche. Damit werde die Erinnerungskultur in Bayern gestärkt. "Wichtig war, dass die bayerische Seite diesmal die Anträge korrekt und für das richtige Programm eingereicht hat. Jetzt ist es an der bayerischen Landesregierung, auch ihrer Verantwortung bei der Kofinanzierung dieser Vorhaben nachzukommen." Bayerns Kultusminister will daran keine Zweifel aufkommen lassen: "Bund und Freistaat tragen gemeinsam Verantwortung für ihr historisches Erbe", so Piazolo. Er sei sehr froh, "dass wir jetzt die Finanzierung der Erneuerung unserer Gedenkstätten nachhaltig sichern konnten".

Auch bayerische Landtagspolitiker begrüßen die Entscheidung des Haushaltsausschusses. Gabriele Triebel, erinnerungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, spricht von einem "Meilenstein der Erinnerungspolitik in Bayern". Damit sei nach langen Jahren endlich der Weg geebnet, "dass die KZ-Gedenkstätte Dachau als Ort der Erinnerung an die Naziverbrechen und als Lernort für Demokratie auch für künftige Generationen die ihr zustehende Bedeutung behalten wird". Der Dachauer Stimmkreisabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU) teilt mit, es gehe um das Fundament des Staates. "Die Gedenk- und Erinnerungsarbeit gehört zu den wichtigsten Bereichen staatsbürgerlicher Bildung." Aus diesem Grund habe der Freistaat zugesagt, sich an der Neukonzeption in Dachau finanziell zu beteiligen.

Dass der Bund bayerische Erinnerungsorte an die Schrecken der NS-Zeit mit mehr als 51 Millionen Euro ausstattet, gewinnt vor dem Hintergrund der Affäre um das antisemitische Flugblatt aus der Schulzeit von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) zusätzlich an Bedeutung. KZ-Überlebende sowie deren Nachkommen und Akteure der historischen Bildungsarbeit zeigten sich zuletzt entsetzt über Aiwanger und dessen Umgang mit den Vorwürfen. Sie sahen die Erinnerungskultur in Deutschland beschädigt. Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau lehnte einen Besuch Aiwangers im ehemaligen KZ ab - dies hatte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung vorgeschlagen. Am Donnerstag sagte Hammermann: "Nicht nur die zuletzt geführten öffentlichen Diskussionen und der Blick der Weltöffentlichkeit auf die KZ-Gedenkstätten haben verdeutlicht, wie wichtig und unentbehrlich die Arbeit an diesen Orten ist."

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Kommentar von Thomas Radlmaier

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