Bilanz der Fachstelle "Strong!":Mindestens elf Attacken auf Teilnehmer des Christopher Street Day

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520 000 Menschen waren Ende Juni bei der Pride-Parade des Christopher Street Day in der Innenstadt unterwegs. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus und fordern einen Aktionsplan. In einem Fall fahndet der Staatsschutz der Münchner Polizei nach den Tätern.

Von Martin Bernstein

Während des Christopher Street Day (CSD) in München, den am Wochenende eine halbe Million Menschen feierte, hat es zahlreiche Übergriffe gegen Menschen aus der LGBTIQ*-Community gegeben. Die Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt "Strong!" hat elf Hinweise auf queerfeindliche Vorfälle während des CSD bekommen, vermutet aber, dass die Dunkelziffer erheblich höher gewesen sein könnte.

"Meist geht es um Beleidigungen und Demütigungen, Lächerlichmachen", sagt Bettina Glöggler, die zusammen mit Ben Dutschmann und Annina Eberhardt die Fachstelle leitet. Aber auch Körperverletzung und Sachbeschädigung seien gemeldet worden. Ein Fall sei polizeilich angezeigt worden.

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Betroffen waren ein 19-Jähriger mit Wohnsitz in Augsburg, ein 17-Jähriger aus dem Landkreis Augsburg sowie ein 21 Jahre alter Münchner. Am Samstagabend wurden sie am U-Bahn-Gleis des Münchner Hauptbahnhofs von einer Frau beleidigt und körperlich attackiert. Als ein 24-Jähriger zu helfen versuchte, mischte sich ein Begleiter der Frau ein und bedrohte die vier Männer. Wegen Beleidigung, Bedrohung und versuchter Körperverletzung fahndet der Staatsschutz der Münchner Polizei nach den zwei Verdächtigen, bei denen es sich um Jugendliche oder junge Erwachsene handeln soll.

In einem anderen Fall, in dem Drags sich bedroht gefühlt hätten, hätten die Betroffenen die Polizei ebenfalls hinzugezogen, berichtet die Fachstellenleiterin, die Beamten hätten aber nicht eingreifen wollen. Die meisten Übergriffe während des CSD seien von Jugendliche oder jungen Männern ausgegangen. Auch in den sozialen Medien gab es Hass und Hetze gegen queere Menschen. Weil sich "Strong!" für Trans-Rechte einsetzt, sei die Fachstelle unter anderem auf Twitter als frauenfeindlich diffamiert worden.

"Immer, wenn sich LGBTIQ* zu erkennen geben, kommt es zu Gewalt"

"Wir gehen davon aus, dass bei Weitem nicht alle Vorfälle gemeldet wurden", sagt Dutschmann. Die Dunkelziffer sei hoch. Viele seien derartige Übergriffe gewohnt, andere schämten sich, als Opfer dazustehen. "Ja, es war ein schöner und im Großen und Ganzen friedlicher CSD. Aber wie immer, wenn sich LGBTIQ* zu erkennen geben, kommt es zu Gewalt", wird Annina Eberhardt in einer Pressemitteilung zitiert. Ein queerer Aktionsplan, wie er für Bayern auf dem CSD gefordert wurde, sei deshalb weiterhin dringend nötig.

Während des vergangenen Jahres wurden insgesamt 159 queerfeindliche Vorfälle bei der Fachstelle gemeldet. In 117 Fällen verzichteten die Betroffenen darauf, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Die Polizei registrierte 2022 ihrerseits 45 Fälle von queerfeindlicher Hasskriminalität.

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