Coronavirus-Pandemie:Münchens Kliniken setzen alles auf Bereitschaft

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Große Krankenhäuser stocken ihre Notfall-Kapazitäten stetig für die erwartete Covid-19-Welle auf. Privatkliniken und Praxen leiden unter verschobenen Operationen.

Von Ekaterina Kel

In Münchens Krankenhäusern herrscht in diesen Tagen ein sonderbarer Zustand. Ärzte und Pfleger halten sich bereit für die große Krise, Vorratsschränke mit medizinischem Material werden so gut wie möglich gefüllt, in bisher ungenutzten Räumen werden frische Betten aufgestellt, und die letzte Lieferung Beatmungsgeräte trudelt demnächst bestimmt auch ein. Man ist gut vorbereitet auf die von Virologen prognostizierte Covid-19-Welle, so hat es zumindest den Anschein. Niemand weiß, wann und wie stark München und die Region betroffen sein werden. Deshalb ist eine sorgfältige Vorbereitung für den Ernstfall notwendig, selbst wenn die große Katastrophe am Ende ausbleibt.

So sieht es auch Axel Fischer, Geschäftsführer der städtischen München Klinik. "Vielleicht kommen wir mit einem blauen Auge davon. Aber es ist besser, gut vorbereitet zu sein", sagt Fischer am Telefon. Am Wochenende hat er einen Appell an die Politik gerichtet, bei der Steuerung der Corona-Krise im medizinischen Bereich stärker die Führung zu übernehmen. Jede Klinik, die jetzt noch elektive Eingriffe durchführe und knappe Ressourcen und Material verbrauche, handle "unsolidarisch und unverantwortlich", lautete sein Urteil.

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Elektiv - das sind alle planbaren Eingriffe, die sich, soweit medizinisch vertretbar, verschieben lassen. Tatsächlich haben Bund und Land schon vergangene Woche die Kliniken aufgefordert, alle elektiven Eingriffe einzustellen. Es gilt, alle Kräfte und Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten aufzusparen. Das bedeutet: Alles auf Bereitschaft zu setzen. Aber auch: Mit großen finanziellen Einbußen zu rechnen. Den Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft mag das womöglich einfacher fallen, da der Anteil von elektiven Operationen, den sie durchführen, geringer ist als bei Privatkliniken. Von diesen wiederum sehen einige jetzt schon die Gefahr einer Insolvenz auf sich zukommen.

"Die Patienten werden nach und nach entlassen, manche Privatkliniken stehen schon leer", berichtet Michael Strobach, Geschäftsführer des Verbands der Privatkrankenanstalten in Bayern. "Die stehen in den Startlöchern." Doch ohne Unterstützung vom Staat könne man so nicht lange durchhalten. "Mein Umsatz ist von hundert auf null gefallen", berichtet beispielsweise der Inhaber einer Fachklinik für plastische und ästhetische Chirurgie im Münchner Norden, der lieber anonym bleiben möchte. Die Soforthilfen für Unternehmen reichten nur für ein Zehntel der laufenden Ausgaben. De facto hätte man ihm und seinen Mitarbeitern ein temporäres Berufsverbot erteilt, sagt der plastische Chirurg.

Der Krisenplan sieht vor, dass alle mithelfen und ihre Betten freihalten müssen. Am Dienstagnachmittag sicherte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den privaten Reha- und Fachkliniken finanzielle Hilfe zu und ergänzte damit den angekündigten Krankenhausrettungsschirm des Bundes. Das gibt vielen Anlass zur Hoffnung.

"Der Freistaat handelt meines Erachtens jetzt richtig", sagt Axel Fischer von der München Klinik. "Da kommt etwas Gewaltiges auf uns zu. Wir Mediziner müssen jetzt zusammenhalten."

Konzentration auf Covid-19

Und das tun sie auch. Jeden Tag kommt, angeleitet von Stephanie Jacobs vom städtischen Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU), eine Runde von Medizinern aus der ganzen Stadt zusammen - natürlich telefonisch, wie die Sprecherin des Referats versichert. So seien im Moment mehr als 50 Einrichtungen täglich in Kontakt, sprächen über den aktuellen Stand und notwendige Maßnahmen. Jeder Teilnehmer melde den Bestand an medizinischem Material und die Zahl der verfügbaren Betten, sodass kurzfristig auf Engpässe reagiert werden könne. Die Verteilung erfolge dann zentral über den Katastrophenschutz, so das RGU. Die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk können, wenn nötig, die Häuser beliefern. Im Moment sei die Bettenlage "absolut ausreichend" in München, heißt es.

Am Klinikum rechts der Isar der TU München zum Beispiel hat man schon vor Wochen Material wie Schutzmasken und Desinfektionsmittel gesichert und vor Diebstahl bewahrt, sagt Christoph Spinner, Oberarzt und Infektiologe. Doch auch er weiß: "Wenn jetzt die Lieferkette abreißt, haben wir ein erhebliches Problem."

Mit Sorge beobachtet Spinner die Zustände in Italien oder Spanien. Er steht im Austausch mit Ärzten vor Ort. "Die Berichte unserer Kollegen aus Italien und Spanien sind für uns sehr schwer zu ertragen", sagt er. Das Gesundheitssystem in Deutschland müsse es schaffen, der kommenden Patientenwelle standzuhalten. Es gehe bei der Vorbereitung aber um weit mehr als nur um Atemschutzmasken. An seinem Klinikum habe man bereits mehr als die Hälfte der Operationen abgesagt, sagt Spinner. Nun gelte es, alle Kräfte auf die Behandlung von Covid-19-Patienten zu konzentrieren. "Wir bauen die Intensivversorgung Stück für Stück über die Normalversorgung auf." Knapp 50 Patienten mit Covid-19 habe man bereits behandelt, einige davon seien gesund wieder entlassen worden.

An vorderster Front steht das Klinikum Schwabing. Seit Anfang vergangener Woche habe sich die Zahl der Patienten auf der Intensivstation dort verdreifacht, sagt Geschäftsführer Fischer. 50 Covid-19-Patienten lägen zurzeit in der Klinik, zehn davon auf einer Intensivstation. Insgesamt sei man gut vorbereitet. Und wenn sich in den nächsten Tagen zunächst eine Art Leerlauf einstelle, dann solle man die Zeit nutzen, um das Personal dafür zu schulen, mit Covid-19-Patienten umzugehen. "Das ist unser großes Glück, dass wir jetzt die Zeit dafür haben", so Fischer.

Auch Spinner bereitet sich nach eigenen Angaben nicht auf einen Sprint, sondern auf einen Marathon vor: "Dieser Zustand ist in zwei Wochen noch nicht vorbei."

© SZ vom 25.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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