Stadtpolitik:Stadtrat beschließt Tram durch den Englischen Garten

Lesezeit: 3 min

Diese Veranschaulichung zeigt, wie sich Planer im Jahr 1926 eine Straßenbahn durch den Englischen Garten vorgestellt hatten. (Foto: oh)

Was seit 100 Jahren geplant wird, ist nun endlich offiziell. Auch wenn die CSU natürlich noch "eine Vielzahl" von Problemen sieht.

Von Heiner Effern

Um die historische Wucht dieser Entscheidung zu betonen, blickte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) weit zurück. Seit 100 Jahren gebe es Pläne, eine Tram durch den Englischen Garten zu bauen, sagte Reiter. In der letzten Stunde vor dem Stadtratsbeschluss zeigte sich dann eindrücklich, warum es so lange gedauert hat und welch heftige Emotionen die geplanten Gleise durch den Park auch heute noch wecken.

Im Feuer steht insbesondere die CSU, die über Jahrzehnte an der Spitze der Gegner stand. Durch eine handstreichartige Ansage kassierte Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer diese Position aber im vergangenen Sommer ein. Letztlich stimmten nur noch vier ihrer Stadträte gegen die Garten-Tram, deren Bau nun mit großer Mehrheit beschlossen ist.

Öffentlicher Nahverkehr in München
:Tram durch den Englischen Garten: Seehofer stellt sich gegen seine Parteikollegen

Der Freistaat werde das Projekt zulassen, verspricht der Ministerpräsident. Doch Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle kündigt bereits an: "Mit mir wird es das nicht geben."

Von Dominik Hutter, Christian Krügel, Lisa Schnell und Andreas Schubert

"Scheißegal. Wir reißen den auseinander."

Am härtesten rechnete mit der CSU einer ab, der ihr lange angehörte, vor knapp zwei Jahren aber in die Bayernpartei flüchtete. Am Mittleren Ring baue die Stadt einen Autotunnel um 130 Millionen Euro, um den Park zusammenzuführen, erklärte Stadtrat Mario Schmidbauer. Bei der künftigen Tram sagten sich die Befürworter nun "scheißegal. Wir reißen den auseinander." Schuld daran sei der von oben erzwungene Richtungswechsel der CSU. "Ihr werdet alle umfallen. Das ist der Hammer", sagte Schmidbauer vor der Abstimmung. Besonders hart attackierte er seinen früheren Bezirkschef, Kultusminister Ludwig Spaenle. Dieser habe immer betont, dass er als zuständiger Landtagsabgeordneter zu den größten Gegnern gehöre. Die Ansage Seehofers habe er dann einfach hingenommen. "Der hatte Angst, dass er seinen Ministerposten verliert", ätzte Schmidbauer über den "zweiten großen Wendehals" in der CSU. Deren Münchner Chef sei einer, "der nach oben kniet und nach unten tritt."

Spaenle verschickte am Nachmittag eine Mitteilung, in der er den Umfaller-Vorwurf zurückwies. "Ich bin nach wie vor hundertprozentig gegen die Idee einer Tram durch den Englischen Garten und präferiere immer noch die Planung eines Elektrobusses", schrieb er. CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl gab sich in der Sitzung bereits gelassen. Man könne die Aufregung wieder "runterzoomen", sagte er. Seine Partei sehe nach wie vor "eine Vielzahl" von Problemen, die noch zu lösen seien.

Das betreffe etwa die Breite der Trasse von der Thieme- bis zur Tivolistraße, auf der jetzt Busse verkehren. Dazu gelte es die im Anschluss betroffenen Straßen mit vielen historischen Häusern zu schützen. Nicht nur im Englischen Garten, sondern auch dort solle die Tram mit Akkus statt Strom aus der Oberleitung fahren. Die weitgehende Zustimmung der CSU sei "kein Umfallen", sondern Folge "einer konstruktiven Auseinandersetzung" mit einer Strecke, der man "einen verkehrlichen Nutzen im beachtlichen Umfang" zuerkenne.

Die FDP positioniert sich als Retter des Englischen Gartens

Die Trasse durch den Englischen Garten wird Teil der Tram-Nordtangente. Diese soll auf 13 Kilometern Länge von Neuhausen über Schwabing nach Bogenhausen führen. Nur etwa zwei Kilometer Gleise zwischen Elisabethplatz und Tivolistraße müssen neu verlegt werden, der Rest existiert schon. Dazu wird eine Verbindung der Parktram mit der Linie 23 an der Münchner Freiheit geprüft. SPD und Grüne lobten ebenso wie später der Fahrgastverband Pro Bahn die Tangente als wichtigen Baustein für den öffentlichen Nahverkehr.

Die FDP hingegen ließ es sich nicht nehmen, sich als Retter des Englischen Gartens und der schönen Straßen auf beiden Seiten des Parks zu positionieren. Der frühere Wissenschaftsminister und jetzige Stadtrat Wolfgang Heubisch, der sich wie Spaenle in Schwabing um ein Landtagsmandat bewirbt, sprach von "einem Umfaller, dessen Namen ich nicht ausspreche".

Demonstrativ eng zeigte sich Heubisch mit Carolina Pougin, die eine Online-Petition gegen die Garten-Tram initiiert und in München 1300 Unterstützer gefunden hat. Sie geißelte als Gastrednerin die Tram und sagte verheerende Folgen für Park und Straßen an der Strecke voraus. Bis zur Landtagswahl im Oktober werden Anwohner und Tramgegner aus der Politik das Thema immer wieder über Bande spielen. Spaenle wird das Stimmen kosten, bleibt abzuwarten, ob die Tram in seinem umkämpften Stimmbezirk sogar dafür sorgt, dass sein Landtagsmandat im Herbst in Richtung SPD abbiegt.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Öffentlicher Nahverkehr
:2025 könnte die erste Tram durch den Englischen Garten fahren

Wie soll die Linie verlaufen? Wie weit sind die Planungen? Und schafft es die Akku-Tram überhaupt durch den Englischen Garten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Alfred Dürr, Dominik Hutter und Andreas Schubert

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: