Bunter Lebenslauf:Von Napoleon zu Picasso

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Diana Sandmann vor ihrem Bild "Fair Play". (Foto: Robert Haas)

Diana Sandmann war einmal die Freundin von Franz Beckenbauer, und sie fotografierte einen Bayern-Trainer in der Uniform des französischen Feldherrn. Heute ist sie Malerin und vergibt Kosenamen wie Pablo und Gustav.

Von Gerhard Fischer, München

Es war schon beim Telefonat klar, dass Diana Sandmann sich nicht klein macht. "Reservieren Sie doch für drei Personen", sagte sie, obwohl man zu zweit ins Café Roma gehen würde. "Dann haben wir genügend Raum." Kurze Stille in der Leitung. "Außerdem bringe ich meine Hündin mit."

Vor dem Café Roma stehen zwei Weihnachtsbäume, es fällt Schnee und es herrscht eine festliche Stimmung. Dann schneit Diana Sandmann herein. Sie trägt ihre Hündin auf dem Arm. "Das ist Polina", sagt sie, und die Hunderasse liefert sie sofort nach: "ein Bichon Frisé." Die Hündin sieht proper aus. Mehrmals im Jahr gehe sie mit ihr zum Hundefriseur, sagt Sandmann. Dann legt sie ein Tuch für Polina auf die Eckbank. Die Hündin nimmt Platz.

Diana Sandmann war Sportfotografin und - von 1977 bis 1988 - die Freundin von Franz Beckenbauer. Sie habe immer noch Kontakt zu Beckenbauer, versichert sie, seit der Pandemie "aber leider nur noch telefonischen". Heute ist Sandmann Malerin, und es wurde abgemacht, vor allem darüber zu sprechen. Wobei, "heute ist Sandmann Malerin", das ist falsch. Richtiger wäre: Heute ist sie eine Malerin, die auch Ausstellungen macht und die Bilder verkauft. Gemalt, das hat sie schon immer.

Sandmann wuchs in Bogenhausen auf, die Familie wohnte in der Holbeinstraße. Als die vierjährige Diana fragte, wer dieser Holbein denn sei, wurden ihr Bilder des Malers gezeigt, und sie soll sinngemäß gesagt haben: "Oh, so dunkel möchte ich nicht malen, aber eine Straße möchte ich schon nach mir benannt haben." Sandmann grinst. Die Geschichte gefällt ihr auch heute noch.

Sie malte und zeichnete, und ihr kam zupass, dass ihre Eltern mit Künstlern befreundet waren, in deren Ateliers sie ein- und ausging; und dass ihr Vater, ein Architekt, sein Büro in der Altbauwohnung in der Holbeinstraße hatte. Dort fand sie Zeichenmaterial.

Diana Sandmann lacht plötzlich. Wieder ist ihr eine Anekdote eingefallen. Sie hat ja viele interessante Erinnerungen, und sie ist gut darin, diese abzurufen. Nur manchmal, wenn man etwa Jahreszahlen wissen will, sagt sie: "Das weiß ich doch nicht!" Diese Schärfe ist ihr vermutlich gar nicht bewusst.

Zurück zur Anekdote: "Mein Vater hatte eine Bewerbung für ein Projekt auf dem Tisch liegen", erzählt Sandmann. "Eine Zeichnung, die fertig zur Abgabe war." Man ahnt, was kommen würde. "Ich schlich mich von meinem Kinderzimmer ins Büro, setzte mich auf den Zeichentisch, auf dem Tuschegläser standen, und bemalte die Pläne großzügig mit Tusche und Kreide." Die Bewerbung konnte natürlich nicht abgegeben werden.

Als die Berufswahl anstand, wollte Sandmann - wie viele junge Frauen damals - "den Traumberuf Stewardess machen". Aber der Ehemann hatte was dagegen. "Ich habe sehr jung meine Sandkastenliebe geheiratet, und er wollte nicht, dass ich arbeite." So so war es bei vielen Frauen in den 1960er- und 1970er-Jahren. Konstantin Thoeren, ihr Mann, kam aus der Filmbranche; seine Mutter war die Theater-und Filmschauspielerin Erica Beer.

Nach sieben Jahren ließen sie sich scheiden, Sandmann nahm eine Stelle bei der Sportpresse-Agentur Werek an. Schon nach drei Tagen fragte ihr Chef Werner Rzehaczek, ob sie, weil einige Fotografen ausfielen, "hinters Tor gehen und Fotos machen könne". Sandmann tat das - und ihr erstes Bild wurde sogleich Sportfoto des Monats. "Ich hatte Feuer gefangen", sagt sie, "ich machte bei Rzehaczek ein Praktikum als Sportfotografin und ging dann zu den Spielen." Natürlich war sie oft beim FC Bayern.

Ein anderes Bild von ihr wurde weltbekannt: Sie fotografierte den klein gewachsenen, polyglotten Bayern-Trainer Dettmar Cramer als Napoleon. "Die Abendzeitung wollte das", erzählt Sandmann, "aber Cramer hat fünf Mal abgelehnt. Da hat Rzehaczek zu mir gesagt: Wenn das eine hinkriegt, dann du." Cramer sagte tatsächlich zu.

Sandmann bediente sich im Fundus am Gärtnerplatztheater, um Cramer eine Uniform zu verschaffen, verfrachtete diese in den Kofferraum ihres Autos, fuhr ins Olympiastadion, machte die Bilder des "schlecht gelaunten", verkleideten Trainers und war ebenso wie Cramer überrascht, welche Wirkung sie hatten. "Weltweit berichteten Medien darüber", sagt sie. "Egal, wo er hin kam, er wurde immer mit diesem Foto konfrontiert." Cramer gefiel es nicht, dass er zum Napoleon wurde. "Er war noch Jahre lang sauer auf mich, aber nicht böse", erzählt Sandmann. "Er war ja ein Gentleman, ein charmanter Herr."

Diana Sandmann bestellt ihren zweiten Minztee. Das heißt: Sie will, dass nur heißes Wasser in die Tasse nachgefüllt wird. "Die Minze ist ja noch drin", sagt sie zur Kellnerin. Wenn man es so mache, sei es nachhaltiger.

1977 zog Sandmann mit Beckenbauer nach Amerika, der Libero spielte fortan bei Cosmos New York. Diana Sandmann ging dort auf eine private Malschule. Man traf Weltstars. Nach einem Kampf von Muhammad Ali durfte Beckenbauer in dessen Kabine. "Ali konnte sich kaum bewegen, er hat nur spaßeshalber seine Faust an das Kinn von Franz gehalten." Sandmann machte das Foto dazu.

Anfang der 1980er-Jahre kamen sie nach Deutschland zurück, 1988 trennten sie sich. Diana Sandmann war längst nicht mehr Sportfotografin, wiewohl sie bis heute ein großer Fußballfan ist, sie arbeitete nun als Heilpraktikerin für Psychotherapie, machte eine Astrologie-Ausbildung und später eine zur Trauerpädagogin.

Eine Stunde ist vergangen. Eigentlich sollte es in diesem Gespräch längst um etwas anderes gehen. "Wollten wir nicht über mich als Malerin reden?", fragt Sandmann. Ja, natürlich, aber das mit der Psychotherapie, mit der Astrologie, mit der Trauerpädagogik, das muss wenigstens kurz besprochen werden, oder? Sie ist einverstanden. Also, Sandmann hatte mit einer Kollegin mehr als zwölf Jahre lang eine Praxis für Psychotherapie in Schwabing. Sie sei heute nicht mehr "aktiv", sagt sie, aber einige Alt-Klienten betreue sich nach wie vor, wenn diese etwas brauchten.

Und das mit der Astrologie?

Sie spricht ausführlich darüber, und es bleibt Folgendes hängen: Für Sandmann spielt bei der Betrachtung des Menschen in der Psychologie auch eine Rolle, unter welcher Sternen-Konstellation er geboren wurde. "C. G. Jung und Alfred Adler waren auch Astrologen", sagt sie. Man denkt kurz darüber nach, was Beckenbauer wohl dazu sagen würde. Aber man fragt natürlich nicht danach.

Als Trauerbegleiterin arbeitet sie heute noch, sie macht das ehrenamtlich. "Ich gehe in Familien mit todkranken Kindern und begleite sie vor Ort", sagt Sandmann. Ja, das sei schon heftig, aber es sei eine "sehr intensive und in die Tiefe gehende, wunderbare Arbeit". Von den Kindern könne sie viel lernen. Als sie 2021 eine Ausstellung bei der Münchner Bank in Schwabing hatte, wurde ein Scheck von 7000 Euro an das Ambulante Kinderhospiz München übergeben. Die Bank hatte das Geld über ihre Crowdfunding-Plattform gesammelt.

Womit man doch, endlich, bei der Malerei gelandet ist. Diana Sandmann macht seit 1993 Ausstellungen, sie verkauft Bilder, und sie hat ein Atelier auf einem Bauernhof im Tölzer Land. Wo genau, das will sie nicht sagen. Da kämen sonst Leute vorbei, meint sie. Übrigens hat sie die Hähne dort Pablo (nach Picasso) und Gustav (nach Klimt) genannt. Pablo bekam nach einem Jahr leider einen Herzinfarkt.

Ihr Stil sei expressiv-narrativ, erklärt sie. "Expressiv heißt, dass die Farbe vor der Form kommt. Die Farbe ist mein Elixier. Sie steht im Mittelpunkt meiner Malerei." Die amerikanischen Expressionisten, etwa de Kooning, hätten sie inspiriert. 1993 war Sandmann beim anatomischen Aktzeichnen in der Toskana, und die Leiterin der Sommerakademie, Emö Simonyi, legte ihr dort das Malen mit Ei-Öl-Tempera ans Herz. Fortan arbeitete sie nicht mehr mit Farbe aus der Tube, sondern mischte sie selbst. "Bereits das Anreiben der Pigmente ist für mich ein meditativer Vorgang, den ich so sehr liebe", sagt sie. "Für mich haben die Farben mit dieser Technik eine besondere Strahlkraft und Lebendigkeit."

Und das Narrative in ihren Bildern?

"Meine Malerei bewegt sich vom Gegenständlichen bis hin zum Abstrakten", erklärt Sandmann. "Sie ist dabei meist auch erzählerisch." Seit den 1990er-Jahren malt sie in einem roten Overall. Dieser Arbeitskittel taucht immer wieder in ihren Bildern auf. Er erzählt Geschichten. "Während der WM 2006 habe ich ihn in einer Bilderserie im Tornetz hängend verewigt", sagt sie. "Und als mir mein früheres Atelier in Untergiesing 2019 gekündigt wurde, setzte ich ihn auf einen Stuhl im Giesinger Rosengarten. Das Exponat nannte ich Pause".

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