Atomic Café kehrt zurück:"Das wird laut, wenn der was macht"

Lesezeit: 4 min

Ein Abend im ehemaligen Atomic Café. (Foto: Käthe deKoe)

Christian Heine, Betreiber des ehemaligen Atomic Cafés, hat von Club-Chef auf Fahrrad-Schrauber umgesattelt. Nun gibt es ein Feier-Revival in der Fat Cat.

Von Stefanie Witterauf

Das Atomic Café ist in München so berühmt, dass es nach seiner Schließung vor acht Jahren teilweise im Stadtmuseum gelandet ist. Die Bar, die Stühle, Lampen, sogar ein Teil des Paillettenvorhangs sind bei der Ausstellung "Nachts" zu sehen. "Das Publikum im Atomic Café war sehr divers. Es gab die Indie-Fraktion, es gab die Sixtie-Fans, aber auch die Gäste, die Hiphop mochten", sagt Heike Schuffenhauer, die zusammen mit Marc Seibold eine Dokumentation über den Live-Club gedreht hat. "Gemeinsam war die Liebe zur Musik und zum extrem gut kuratierten Programm."

Am Freitag startet nun ein Revival: der Auftakt der neuen Indie-Rock-Partyreihe im Club Live/Evil in der Fat Cat, der Zwischennutzung des ehemaligen Gasteigs. Verantwortliche für den Abend sind die ehemaligen Besitzer Christian Heine und Roland Schunk, die zusammen die Marke "The Atomic Café" aufgebaut haben, sich bis heute die Rechte teilen und nach der Schließung ihres Clubs deswegen noch miteinander Kontakt hatten - aber wenig. Warum gerade jetzt das Comeback?

"Die Antwort ist ganz einfach", sagt Christian Heine, 58, dessen Haare weiß, sein Schnurrbart schwarz und die Hände mit Öl verschmiert sind. "Es ist das erste Mal, dass uns jemand gefragt hat." Nachdem der Club am 1. Januar 2015 schließen musste, nahm sich Heine ein Jahr Auszeit. "Das war alles andere als leicht", erinnert er sich. Er trägt schwarze Vans und ein blaues T-Shirt, hat seine Strümpfe mit grauem Argyle-Muster hochgezogen. Mittlerweile arbeitet Heine als Werkstattleiter eines Fahrradladens in Schwabing mit Rädern, die zum Teil fünfstellig kosten. Geht an denen etwas kaputt, schraubt er es wieder zusammen.

Werkstattleiter und ehemaliger Clubbetreiber Christian Heine. (Foto: Robert Haas)

Schon als Clubbetreiber war Heine in seiner Freizeit ein leidenschaftlicher Radfahrer, im Münchner Verein "RC Concordia 86" aktiv und hat an seinen Cinelli-Rädern rumgeschraubt. "Als Protohipster hatte ich natürlich ein altes Rennrad." Mit einem Freund ist er durch den Perlacher Forst nach Wolfratshausen und zurück geradelt, im Winter in der Halle zum Training im Kreis gefahren und hat an internationalen Rennrad-Wettbewerben teilgenommen. "Tagsüber war das Atomic Café ein Fulltime-Bürojob. Ich habe telefoniert und gefaxt", sagt Heine, der ausgebildeter Grafikdesigner ist, ebenso wie sein Partner Schunk. Gemeinsam gestalteten sie die Poster, Plakate und Grafiken für ihre Parties und Konzerte. "Ich habe die Indie-Bands gebucht, Roland die Sixties."

Es gab eine Zeit, da waren Schunk und Heine zusammen im Urlaub. In Peking, Südfrankreich und Hamburg. Doch wenn es um Entscheidungen ums Atomic Café ging, gab es musikalische Differenzen und Zankereien wie in einer schwierigen Ehe. Als dann Schluss mit dem gemeinsamen Club war, weil der Pachtvertrag nicht verlängert wurde, war Heine 50 und Schunk Vater eines Kleinkinds. 19 Jahre waren sie die Betreiber eines gefragten Clubs, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestritten hatten. "Und auf einmal war es weg. Roland und ich standen ohne Job, ohne Projekt, ohne Geschäft da."

"Ich habe also wieder mein Hobby zum Beruf gemacht"

Wieder einen Laden zusammen aufmachen, war damals undenkbar. Denn nach fast zwei Jahrzehnten haben sie einfach mal Abstand voneinander gebraucht. Heine wollte alleine was starten. Ein Gastro-Konzept, eine Bar mit Küche, doch funktioniert hat das nicht. Dass er als Clubbetreiber über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war, habe ihm nicht geholfen. "Das wird laut, wenn der Heine was macht", hätten sich die Vermieter gedacht und sich lieber für jemand anderen entschieden.

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Also fängt Heine dort an, wo es für ihn in der Arbeitswelt losging, bevor er als Nachtclubbetreiber abgehoben hat. Als Grafiker designte er Prospekte - doch kreativ erfüllend war das für ihn nicht. Außerdem war er seinen Kollegen im Großraumbüro suspekt, sagt Heine, denn die hätten ihn ja als einen der Besitzer vom Atomic Café gekannt. Einer von ihnen wurde er nie. Ein normaler Job scheint also nicht zu passen und Heine steigt in ein Fahrradgeschäft ein. "Ich habe also wieder mein Hobby zum Beruf gemacht", sagt Heine. Doch für den kleinen Laden sind es zu viele Inhaber, als dass es sich finanziell lohnt. Heine steigt wieder aus und beginnt, in verschiedenen Fahrradläden in der Stadt an Premiumrädern für ein bescheidenes Gehalt zu schrauben.

"Wir sind wie die Muppet-Opas"

Ist die Atomic-Clubnacht also eine Art Comeback-Tour, wie sie gealterte Musiker machen, wenn sie finanziell abgebrannt sind? Natürlich nicht, da sind sich Heine und sein Partner einig. Umsonst wolle man es auch nicht machen. "Wir sind ja keine Millionäre", sagt Schunk. Er ist 53, sein Kind mittlerweile zehn, hat in den vergangen acht Jahren als Grafiker gearbeitet und "luxuriös teure" Möbel für Vinylsammler designt und vertrieben. Als Kidd Lando legt Schunk Jazz auf, auch im Live/Evil-Club - aber natürlich nicht beim Indie-Abend. Da wird am Freitag erst die Münchner Britrock-Band Blek le Roc spielen - und nach dem Auftritt werden die DJs Ingo Black, Justin Barwick und Francesco Feilini auflegen. Auch die folgenden Abende sollen Indie-lastig bleiben. Sorgt das nicht gleich wieder für Zoff?

"Wir sind wie die Muppet-Opas", sagt Schunk. Er ist zuversichtlich. Auch Heine, der aber zugibt, dass er eigentlich nicht mehr damit gerechnet hat, dass die nochmal etwas zusammen starten. Aber acht Jahre Auszeit waren wohl genug - in der auch die beiden älter geworden sind. So oft feiern wie damals geht dann nicht mehr. Früher hatte das Atomic nur einen Tag in der Woche zu, nun findet die Reihe nur alle zwei Wochen statt. Aber immerhin: erst einmal unbefristet.

Damals haben sie das Partykontrolle genannt, wenn sie im eigenen Club Konzerte besucht haben und feiern waren. Die werden sie auch wieder machen. Außerdem gebe es Überraschungen. Features, die sie damals gern im eigenen Laden gehabt hätten, sagt Schunk. "Es wird kein Feuerwerk geben, keinen Zauberer, der Hasen aus dem Hut holt", sagt Schunk. Auch keine Lavalampe. Den Glitzervorhang holen die Atomic-Café-Clubnacht-Betreiber auch nicht aus dem Museum. Der soll da bleiben, meint Schunk. Heine sagt: "Wir leben ja noch - und wollen was machen."

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