Zuhause geht das Herz auf. Beim amerikanischen Gitarrengenie Al Di Meola passiert das durchaus in München. Vor acht Jahren war er hierhergezogen, der neu entflammten Liebe wegen zu seiner jetzigen Frau Stephanie. Drei Jahre lang lebten sie an der Isar, bekamen eine Tochter, genossen den Englischen Garten, die Restaurants, und Di Meola ging gern zu Konzerten im Nightclub seines Lieblingshotels, des Bayerischen Hofs. So erzählte er es, als er neulich zurückkam für einen Tag. "Wir liebten München, o mein Gott!"
Vielleicht liegt es eben auch ein bisschen daran, dass sich der Weltstar eingelassen hat auf dieses Projekt mit der nun nicht gerade in aller Welt, ja noch nicht mal daheim berühmten Band Silverpark. Zumindest nahm Di Meola die Gelegenheit gerne wahr, auf seiner Europa-Tournee wenigstens einmal in München vorbeizuschauen, nicht für ein Konzert, aber für einen Videodreh im Bayerischen Hof. Tatsächlich spielte er dann dafür das erste Mal selbst auf der Bühne des Jazz-Kellers. Konzertorte, das sind für einen seiner Größe hier die Philharmonie, das Prinzregententheater und der Circus Krone, an das Konzert 1974 erinnert er sich gut, weil es damals los ging. Mit 19 hatte ihn Chick Corea in seine legendäre Fusion-Band Return To Forever geholt. "50 Jahre auf der Bühne, können Sie sich das vorstellen?" Eher nicht, schon weil Di Meola 20 Jahre jünger aussieht als seine 68.
Während Corona fühlte er sich daheim in seinem Geburtsort New Jersey wie ein Rentner, erzählt er. Er saß mit Freunden auf der Terrasse, trank Wein, wollte für sie kochen, und seine Stephanie sagte: "Warum streamst du das nicht gleich live?" Die Küchenshow kam spontan prima an, er hatte Spaß und sagte im Scherz: "Ihr könnt alle kommen, ich koche für euch!" Fans von Südamerika bis Asien schrieben sofort in die Kommentare: "Wir kommen. Wie viel kostet das?" Die Idee der "Home Events" könnte klappen, dachte er, und tatsächlich ließen sich viele Anhänger durch Preise von 7500 Dollar für Zwei ("Meet, greet & eat") bis 16 500 Euro inklusive eines privaten Konzerts oder einer Lektion und einer von ihm gespielten Gitarre nicht abschrecken.
Wie viel Claus Lehner gezahlt hat, bleibt unbekannt. Der Hobbymusiker und Chef von Silverpark ist schon sehr lange Fan. Ungefähr, seit er das Gitarrengötter-Trio-Album "Friday Night At San Francisco" von Di Meola, Paco de Lucia und John McLaughlin neben Beatles und Pink Floyd einsortierte. Lehner ist ein feinfühliger Singer-Guitarplayer-Songwriter, aber auch tatkräftig (er ist Geschäftsführer des Vermietungsriesen Dawonia). Unbedingt wollte er ein "Home Event" erleben. Und weil das neue Silverpark-Album "Endless Sleep" gerade aufgenommen war, schickte er Di Meola den letzten Song und fragte, ob er nicht Lust hätte, dazu zu spielen. Es war "Chelsea Hotel" von Leonard Cohen, seiner Haupt-Inspirationsquelle. Mit der berüchtigten New Yorker Künstlerabsteige hatte Di Meola zwar nichts am Hut ("Da waren eher die Punks drin, ich kann den Mist nicht ausstehen"), aber das wenige, was er von Cohen kannte, liebte er, neue Erfahrungen seien immer gut, die Cover-Version hielt er für würdig seiner Fingerkünste, und: "Es stellte sich heraus, dass es durchaus spaßig wurde."
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Selbst so ein Premium-Event wird ja für den Anbieter irgendwann zur Routine. Da wollen die Gäste dann was über die Gitarrentechnik wissen, wie man so unfassbar schnell und präzise und perkussiv spielen kann, etwa. Er führt es gerne vor, wobei ihm das nicht mehr wichtig ist, das war die Jugend, sagt er, die rasanten Fusion-Jahre, je älter er werde, desto mehr sieht er sich als entspannter Komponist. Die meisten fragen ihn zu "Friday Night" aus, dem als Live-LP millionenfach verkauften Instrumental-Ereignis. Dabei gab es noch eine "Saturday Night" in San Franciscos Warfield Theatre. Die Aufnahmen hatte Di Meola 40 Jahre lang in seinem Kriechkeller gebunkert, just, als er nun in München war, kamen sie beim Hamburger Label Ear Music heraus: dieselbe Energie, wieder Jazz, Fusion, Flamenco, aber ganz ungehörte Stücke, und wieder die mit aufgezeichnete Publikumsekstase. "Der Samstag war genauso heiß, wir hatten den damals zu früh aussortiert", sagt Di Meola in München.
Richtig emotional wird er aber im Nightclub, wenn er auf die Heimat seiner Ahnen angesprochen wird: Cerreto Sannita in Kampanien. Wie seine Frau Stephanie nach einer Show in Neapel ihn dorthin entführte, wie die Straßen gesäumt waren mit Dorfbewohnern, vom Banner "Welcome home!", von den Di Meola Wappen an vielen Türen, und von der Tür, die sein Großvater, ein Feuerwerksfabrikant, hinter sich schloss, als er in die USA auswanderte. "Ich war zu Hause."
Dann redet er über die Rosinen, die sein Vater in alles hineinkochte, selbst in Fleischklopse. Aber, man schweift ab ... Claus Lehner bekam in New Orleans Burrata, Feigen, importierten Parmaschinken, Pasta nach Mamas Rezept, Kalbskotelett und die Gitarrenspuren, die Di Meola binnen zwei Stunden einspielte - der Höhepunkt einer wirklich feinen, wie bei Cohen erschütternd ruhigen Platte.
Freundschaft steht im Raum und in der Info zur Platte. Wäre Di Meola sonst extra zum Videodreh gekommen und hätte erlaubt, ihn als "Featured Artist" zu nennen? Und einen Tag nach dem Dreh kam eine Mail von Al aus Montreal. Aus seiner Hotelsuite habe er auf ein 30 Meter hohes Leonard-Cohen-Wandbild geschaut, schrieb er: "Es gibt keine Zufälle."