Ukraine-Krise:Bidens rote Linie

Lesezeit: 2 min

"Präsident Putin hat sich für einen vorsätzlichen Krieg entschieden": US-Präsident Joe Biden. (Foto: AP/AP)

Donald Trump hätte Putin wahrscheinlich per Twitter zum gelungenen Überfall auf die Ukraine gratuliert. Welch ein Glück für den Westen, dass nun sein Nachfolger im Weißen Haus regiert. Aber auf Glück wird sich Europa künftig nicht mehr verlassen können.

Kommentar von Hubert Wetzel

Bei seinem wichtigsten Ziel in der Ukraine-Krise ist Joe Biden gescheitert: Er wollte einen Krieg verhindern. Das ist ihm nicht gelungen. Daran trägt nicht Biden die Schuld, sondern der russische Präsident Wladimir Putin, der die Ukraine angegriffen hat. Aber der Krieg ist jetzt Bidens Problem: Er wird den Rest seiner Amtszeit überschatten, er wird den amerikanischen Präsidenten viel politisches Kapital und Energie kosten. Und er wird Amerika weiter spalten und schwächen.

Biden hat sich bemüht, es nicht so weit kommen zu lassen. Er hat, erstens, Putin wissen lassen, dass auf eine Invasion massive wirtschaftliche Strafmaßnahmen folgen würden. Er hat die Verbündeten in Europa ebenfalls dazu verpflichtet. Und er hat, weil die Bundesregierung zu feige oder zu naiv war, um es selbst zu sagen, klargestellt, dass diese Sanktionen die Gaspipeline Nord Stream 2 treffen werden.

Newsletter abonnieren
:Prantls Blick

Erhalten Sie immer sonntags die politische Wochenschau von Heribert Prantl per E-Mail. Kostenlos anmelden.

Zweitens hat Biden eine militärische Warnung ausgesprochen: Zwar schließt er - völlig zu Recht - aus, dass US-Truppen in der Ukraine kämpfen werden. Zugleich aber hat er die 82. Luftlandedivision mobilisiert und an die Ostgrenze der Nato verlegt. Damit ist eine rote Linie gezogen.

Das Politikverständnis eines Gangsters

Und drittens hat Biden mit Putin verhandelt. Vermutlich war ihm bewusst, dass diese Gespräche nichts bringen würden - er weiß, dass Putins Verständnis von Politik eher dem eines Gangsters gleicht als dem eines Staatsmanns. Trotzdem ist er dem Russen auf der oft zitierten "Augenhöhe" begegnet, die Putin angeblich so wichtig ist. Erfolgreich war das alles nicht. Insofern sind in Washington nun viele enttäuscht, dass trotz aller Bemühungen aus der Krise ein Krieg geworden ist. Aber niemand ist wirklich überrascht.

SZ PlusExklusivVerteidigung
:"Zu Land, zu Wasser und in der Luft"

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht verspricht Litauen Militärhilfe. Doch ist die Bundeswehr für den Ernstfall gerüstet?

Von Mike Szymanski

Joe Biden ist jetzt der Anführer des Widerstands gegen die russische Aggression in Europa - so wie seine Vorgänger es im Kalten Krieg waren. Aber es wäre ein Fehler, die Gegenwart mit der Vergangenheit gleichzusetzen. Die Zeit ist vorbei, in der die USA bereit waren - wie John F. Kennedy es 1961 ausgedrückt hat -, "jeden Preis zu bezahlen, jede Last zu tragen, jeden Freund zu unterstützen und sich jedem Feind zu widersetzen", um Freiheit und Demokratie zu verteidigen.

Der politische Spielraum des US-Präsidenten ist heute sehr viel kleiner. Amerika hat weder das Geld noch den Willen, auf ewig die Ordnungsmacht in Europa zu sein. Das Land ist auch in der Frage, wer der Feind ist, längst nicht mehr geeint. Die Trumpisten unter den Republikanern, die in der Partei den Ton angeben, hassen Biden und die Demokraten mehr, als sie Putin fürchten. Sie unterstützen inzwischen offen den Autokraten im Kreml. Wäre Putin vor zwei Jahren in der Ukraine einmarschiert, hätte der damalige US-Präsident Donald Trump ihm vermutlich per Tweet zum gelungenen Überfall gratuliert.

Die Verteidigung der Nato als "heilige Pflicht" - noch

Die Europäer müssen sich dessen bewusst sein. Im Moment haben sie im Weißen Haus einen Transatlantiker als Partner, der die Verteidigung der Nato für eine "heilige Pflicht" hält. Aber das kann sich in wenigen Jahren ändern. So gesehen, ist das, was derzeit in der Ukraine passiert, vielleicht nur ein Vorgeschmack - darauf, wie es ist, wenn Amerika nicht mehr den Frieden in Europa garantiert.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRussland-Ukraine-Krise
:Wie Ex-Präsident Trump seinem Nachfolger in den Rücken fällt

Trump lobt Putin als "genial". US-Präsident Biden hingegen hat zu kämpfen. Es scheint ihm leichter zu fallen, die internationale Gemeinschaft hinter sich zu bringen, als das eigene Land.

Von Fabian Fellmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: