Es ist eine seltsame Welt, in der Thomas Weigelt lebt. In dieser Welt sind Journalisten, die Fragen stellen, eine "Provokation". Kontinuierliche, kritische Berichterstattung ist eine "Fehde". Und als der Bürgermeister der Kleinstadt Bad Lobenstein am Wochenende auf einen Reporter der Ostthüringer Zeitung zustürmte, in dessen Kamera griff und ihn zu Fall brachte, bestritt er dies hinterher: "Ich gehe mit allen Menschen ruhig und freundlich um. Es ist bedauerlich, wenn diese sich nicht im Gegenzug zu benehmen wissen." So stand es in einer Stellungnahme des Stadtoberhaupts.
Der Satz passt so gar nicht zum Video des Vorfalls am Rande des Bad Lobensteiner Marktfestes, aber er passt zu einem Bürgermeister, der mit Reichsbürgern kungelt und der Regierung bei Facebook vorwirft, sie habe "ihr Volk aufgegeben und verraten". Da ist keinem Dorfpatron im Affekt der Kragen geplatzt. Da hat sich eine Verachtung Bahn gebrochen, die nicht bei der Person des Reporters Peter Hagen endet. In den vergangenen Jahren haben sich ganz unterschiedliche Menschen radikalisiert. Menschen in Funktionsjacken, Menschen in Yogahosen, Bürgermeister. Die meisten eint weniger die Sorge um die Meinungsfreiheit als die Telegram-App und vorsätzliche Faktenresistenz.
Die Stellungnahme aus der Bad Lobensteiner Stadtverwaltung ist der Versuch, das Geschehen umzudeuten, alternative Fakten zu schaffen. Es ist, im ganz Kleinen, die Strategie eines Donald Trump, es ist die Strategie eines Wladimir Putin, eine Strategie, die dazu führt, dass niemand mehr seinen Augen und Ohren glauben mag. Aber die Wahrheit ist nichts Verhandelbares, nichts, das man nach Belieben interpretieren kann. Dass nun bis hin zur Bundesinnenministerin Aufklärung und Konsequenzen gefordert werden, ist gut. Denn wenn selbst Bürgermeister missliebige Journalisten angreifen und im Amt bleiben können, wem rutscht dann demnächst noch alles die Hand aus? Es muss jetzt einsam werden in Weigelts Welt.