Landtagswahl in NRW:Olafs später Knappe

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Wer wird's? Am 15. Mai treten Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU, oben) und SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty gegeneinander an. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Lange galt Ministerpräsident Wüst (CDU) als Favorit. Doch seit dem "Mallorca-Gate" holt Herausforderer Thomas Kutschaty von der SPD mächtig auf - dank einer riskanten Strategie.

Kommentar von Christian Wernicke, Düsseldorf

Es lauert ein Showdown am Wahlabend in Düsseldorf - und obendrein ein Drama in den Tagen nach dem 15. Mai. In weniger als vier Wochen wählt das bevölkerungsreichste Bundesland der Republik. Und niemand weiß, wer anschließend mit wem regieren wird zwischen Rhein und Weser.

Bis Mitte März hatte Hendrik Wüst, der noch immer neue CDU-Ministerpräsident von NRW, immerhin lauen Rückenwind verspürt. Der kühle Münsterländer, Nachfolger des gescheiterten Kanzleraspiranten Armin Laschet, lag in den Umfragen vorn. CDU und FDP haben solide regiert seit 2017: 400 000 neue Jobs entstanden, die Kriminalität sinkt stetig. Zudem half Wüst der Zufall: Der 46-Jährige ist turnusmäßig gerade Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Konferenz (MPK). Das hilft, zumal in Corona-Zeiten, um sich darzustellen vor dem Wahlvolk. Da schien ein Amtsbonus zu gedeihen.

Dann kam Mallorca-Gate. Der Skandal um NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser zersetzte Wüsts Strategie, ein wenig landesväterlich über den Niederungen des Wahlkampfs zu schweben. Seine Parteifreundin war kurz nach der Sommerflut vorigen Jahres (mit 49 Toten im Land) zurück unter die Sonne geflogen, während Zehntausende Bürger den Schlamm aus ihren Häusern schaufelten.

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Seither erntet Wüsts Wahlversprechen, er wolle "machen, worauf es ankommt", oft Hohn und Häme. Zumal nachdem herauskam, dass noch zwei weitere Kabinettsmitglieder im Juli 2021 ihrer politisch suizidalen Instinktlosigkeit nachgaben und ebenfalls für drei Tage auf die Insel reisten. Wüst erfuhr von der ministeriellen Fete auf "Malle" offenbar schon zwei Wochen früher als die Öffentlichkeit. Heinen-Esser musste gehen, ihre Partygäste durften bleiben - auch als Anwärter für höchste Ämter nach dem 15. Mai.

Nun ist der Trend wieder ein Genosse. Die Sozialdemokraten liegen inzwischen gleichauf mit der CDU, bei jeweils etwa 30 Prozentpunkten. Der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty, mehr Volljurist als Volkstribun, arbeitet sich langsam heraus aus dem Status eines Nobodys. Drei Jahre hatte er gebraucht, um die nach ihrem Machtverlust 2017 elendig zerzauste NRW-SPD hinter sich zu bringen. Nun bleiben ihm gut drei Wochen, Zutrauen für Höheres auch bei den Wählern zu wecken.

Noch nichts sicher an Rhein und Ruhr

Kutschaty, einst Gegner der Berliner Groko, verfolgt dabei dieselbe Taktik wie Olaf Scholz bei der Bundestagswahl im Herbst. Er umwirbt die SPD-Stammklientel mit niedrigen Einkommen und wachsenden Zukunftsängsten. Kutschaty sagt offen, er wolle dem Ampel-Kanzler das Regieren im Bundesrat "leichter machen". Dass dies eine riskante Wette ist, ahnt er: Das Urteil der Wähler über Scholz, den Zauderer im Ukraine-Krieg, könnte umschlagen bis zum 15. Mai. Dann würde Kutschaty, Olafs später Knappe, Scholz' erster Kollateralschaden.

Doch selbst als Zweite hinter Wüst und der CDU rechnen sich Kutschaty und seine SPD noch Chancen aus auf den Machtwechsel am Rhein - dank der Grünen. Die nämlich dürften (im zweiten Duell dieser Wahl) deutlich vor der FDP auf Platz drei landen. Die NRW-Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Mona Neubaur ticken rot-grün. Und falls zwei Koalitionäre nicht reichen zur Mehrheit in Düsseldorf, würden sie lieber eine Ampel-Koalition aushandeln als sich mit Schwarzen und Gelben auf ein Jamaika-Bündnis einlassen. Berlins Farbenlehre strahlt aus, bis tief in den Westen.

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