Kita-Streik:Ja, es muss sein

Lesezeit: 2 min

Viel zu oft müssen wegen des Personalmangels zu wenige Erzieherinnen viel zu viele Kinder betreuen. (Foto: Michael Gstettenbauer via www.imago-images.de/imago images/Michael Gstettenbau)

Nicht schon wieder, nicht nach zwei Jahren Pandemie! Das denken sich viele Eltern angesichts des Streiks der Erzieherinnen und Erzieher - und übersehen dabei: Das Kita-Personal hat berechtigte Gründe.

Kommentar von Benedikt Peters

Viele Eltern werden sich an diesem Dienstag fragen: Muss das sein? Die Erzieherinnen und Erzieher kommunaler Kitas streiken, viele Einrichtungen bleiben deshalb zu - und wahrscheinlich gibt es kaum Eltern, die deshalb zum ersten Mal wichtige Termine absagen müssen. Nahezu jede Mutter und jeder Vater hat die Erfahrung in den vergangenen zwei Jahren ja schon etliche Male gemacht - mal lief dem Kind nur ein wenig die Nase, mal war der Schnelltest fälschlicherweise positiv, mal waren tatsächlich mehrere Kinder und Erzieher mit dem Coronavirus infiziert. In jedem Fall blieb das Kind zu Hause, was ja auch mal schön sein kann. Wenn es aber ständig passiert, so wie vielerorts geschehen seit Ausbruch der Pandemie, dann bringt es viele arbeitende Eltern an den Rand des Nervenzusammenbruchs.

Newsletter abonnieren
:Deutscher Alltag-Newsletter

Erhalten Sie einmal wöchentlich Einblick in deutsche Alltagsmomente - beobachtet und beschrieben von Kurt Kister. Kostenlos anmelden.

Nichts läge also näher, als den streikenden Erzieherinnen und Erziehern zuzurufen: Nein, das muss jetzt wirklich nicht auch noch sein. Es wäre aber trotzdem falsch. Das Kita-Personal darf die Arbeit niederlegen - auch nach zwei Jahren Pandemie, auch wenn die Einrichtungen schon mehrmals schließen mussten, auch wenn das für Eltern unangenehm ist. Die Erzieherinnen und Erzieher dürfen das nicht nur, ebenso wie die mitstreikenden Sozialarbeiter. Sie haben für ihren Arbeitskampf auch gute Gründe.

Die Tarifgespräche werden wegen Corona schon seit zwei Jahren aufgeschoben

Da wäre zunächst einmal ein ganz prinzipieller: Streiken ist ein Grundrecht, und Grundrechte haben selbstverständlich auch in Zeiten der Pandemie ihre Gültigkeit. Sie müssen zwar mitunter eingeschränkt werden; wenn die Intensivstationen überlaufen, darf man sich nicht zu Tausenden versammeln. Der Kita-Streik aber birgt in dieser Hinsicht keine Gefahr. Außerdem hat die aufrufende Gewerkschaft Verdi auch in der Pandemie Verantwortung bewiesen. Eigentlich hätten die Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen von Erziehern und Sozialarbeiterinnen nämlich schon im März 2020 angestanden, seitdem wurden sie wegen Corona ausgesetzt. Ewig nach hinten schieben lassen sie sich aber nicht, dazu sind die Fragen, die geklärt werden müssen, zu wichtig.

Den Erziehern und Sozialarbeitern geht es um eine Aufwertung ihrer Arbeit. Sie wollen anerkannt sehen, dass die Anforderungen an sie gestiegen sind, nicht zuletzt wegen der Pandemie. Tag für Tag verrichten sie ihren Dienst in Kindertagesstätten, Behinderteneinrichtungen oder Wohnheimen - und wer schon einmal ein kleines Kind auf dem Schoß hatte, der weiß, dass Maske-Tragen oder Abstandhalten in solchen Situationen keine Option ist. Entsprechend hoch ist der Krankenstand, einer Studie des Versicherers AOK zufolge erkranken Beschäftigte aus den Sozialberufen so oft an Corona wie niemand sonst. Sie liegen sogar noch vor den Krankenpflegern.

Allerorten fehlt Personal - und das wird noch schlimmer werden

Nun ließe sich einwenden, dass Erzieherinnen und Sozialarbeiter schon einmal eine Anerkennung für ihre Belastungen bekommen haben. Bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen gab es 2020 ein Lohnplus und eine Corona-Prämie. Das ist zwar richtig, greift aber zu kurz. Die Probleme in den Kitas sind noch lange nicht gelöst. Das größte: An allen Ecken und Enden fehlt es an Personal, schon jetzt sind bundesweit Tausende Stellen unbesetzt, was in der Praxis heißt, dass zu viele Kinder von zu wenigen Fachkräften betreut werden. Bis 2030 droht ein Mangel von mehreren Hunderttausend Erziehern. Allein deshalb muss der Beruf dringend attraktiver werden, auch wenn das viel Geld kostet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusErziehung
:Hab ich mein Kind verkorkst?

Viele Erziehungsbücher machen Eltern lieber Angst und ein schlechtes Gewissen, statt sie zu ermutigen. Über das Geschäft mit der Sorge und welche Ratgeber wirklich helfen.

Von Anne Dittmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: