Geldpolitik:Meine Inflation, deine Inflation

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Nur weil Fed-Chef Jerome Powell den Leitzins anhebt, muss EZB-Chefin Christine Lagarde nicht gleich folgen. (Foto: Mike Theiler/Reuters)

Die US-Notenbank erhöht den Leitzins kräftig. Völlig zu Recht. Warum die Europäische Zentralbank dem Beispiel trotzdem nicht sofort folgen muss.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Die US-Notenbank Fed hat ihren Leitzins um 0,5 Prozentpunkte erhöht. Das klingt mickrig, da sich die Inflation bedrohlichen zehn Prozent nähert. Es ist aber ein großer Schritt, den die amerikanische Zentralbank seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gegangen ist. Denn Notenbanker sind vorsichtige Wesen: Die falsche Geldpolitik kann durch zu hohe Zinsen eine Wirtschaftskrise auslösen - oder durch zu niedrige die Inflation außer Kontrolle geraten lassen.

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Zwischen diesen beiden Abgründen liegt ein schmaler Grat, auf dem die Fed nun versucht, nicht abzurutschen. In normalen Zeiten erhöht die Notenbank ihren Leitzins ganz vorsichtig in Viertelprozentpunkten, in Trippelschritten also. Deshalb ist es richtig, dass die US-Zentralbank die Zinsen nun ungewöhnlich stark erhöht. Denn Zeiten und Inflation sind derzeit nicht normal.

Die Europäer dürfen den Fehler von 2011 nicht wiederholen

In Deutschland fordern viele, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) dem sofort anschließt: Rauf mit den Zinsen, und zwar drastisch! Sie wird das auch tun, wohl im Juli. Dass die EZB später reagiert als die Fed, ist aber keine Zauderei, sondern schlicht das korrekte Vorgehen. Denn die USA leiden unter einer ganz anderen Inflation als die Europäer. Diese ökonomischen Unterschiede zu beachten, ist wichtig - damit die EZB nicht ihren Fehler von 2011 wiederholt, als sie zu früh die Leitzinsen erhöhte und dadurch die Euro-Krise erst so richtig schlimm wurde.

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Von Claus Hulverscheidt

Die wirtschaftlichen Daten zeigen eindeutig, dass der Inflationsdruck in den USA schon seit Langem deutlich größer war als in der Euro-Zone. Die Regierung in Washington hat in der Corona-Krise die Bevölkerung mit viel mehr Geld zugeschüttet, als es die Europäer getan haben. Viele amerikanische Konzerne haben sich wegen der Steuersenkung von Donald Trump dusselig verdient. Der Arbeitsmarkt läuft heiß. Somit erleben die Vereinigten Staaten einen satten Nach-Corona-Boom. Das ist es, was die amerikanische Inflation wuchtig in der Breite steigen lässt.

Am Ende wird Deutschland diesmal vielleicht draufzahlen

Der russische Überfall auf die Ukraine hat in Europa nun alles geändert, auch den Ausblick für die Inflation. Die Ausgaben für Energie steigen in absurde Höhen. In Deutschland wollen so viele Unternehmen wie nie seit der Wiedervereinigung ihre Preise erhöhen, aber selbst jetzt melden Supermärkte und Baufirmen, dass sie die gestiegenen Kosten oft nicht an die Kunden weitergeben können. Die Tarifabschlüsse sind bisher ebenfalls nicht außer Kontrolle. Das alles spricht dafür, dass die EZB - anders als vielleicht die Fed - noch nicht zu spät dran ist.

Das größte Problem für die EZB, die die Geldpolitik für die gesamte Euro-Zone steuert, ist nun das russische Gas. Fließt es nicht mehr, folgt der nächste Energiepreisschock. Und der träfe besonders die Bundesrepublik - also das Land, in dem eh viele die EZB skeptisch sehen. Ohne russisches Gas wird die deutsche Inflation noch stärker steigen, während andere Euro-Staaten das vermutlich deutlich besser wegstecken werden. Es kann also sein, dass die Deutschen in der Ukraine-Krise wirtschaftlich mehr leiden müssen als andere Länder. In der Euro-Krise und der Corona-Pandemie war es umgekehrt.

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