EuGH-Urteil:Die Maut wird zur bitteren Lektion für die CSU

Lesezeit: 2 Min.

Die Partei wollte es den anderen Europäern mal so richtig zeigen. Sie hat sich derart in die Idee verstiegen, dass sie den Zeitpunkt der Umkehr verpasste. Nun ist die ganze Koalition kontaminiert.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Manche Niederlagen sind so glasklar, so verdient und zugleich schmerzlich, dass sich jede Häme verbietet. Die Maut-Niederlage der Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof ist so ein Fall; und genau genommen ist es keine Niederlage Deutschlands, sondern eine der CSU.

Sie wollte die Maut. Sie hat sie gegen große Teile der Schwesterpartei CDU durchgesetzt und auch gegen den Koalitionspartner SPD. Sie hat sich nicht davon anfechten lassen, dass Experten vor dieser Art Maut warnten. Ihr war es egal, dass Nachbarländer aufbegehrten. Was der Begriff "Ausländer-Maut" in einem Europa der offenen Grenzen anrichtet, scherte sie nicht. Sie wollte die Vignette selbst dann noch, als die erwarteten Erlöse im Lichte des Verwaltungsaufwandes dahinschmolzen.

So sehr hatte sich die CSU in diese Idee verstiegen, dass sie den Zeitpunkt der Umkehr verpasste. Nicht gesunder Menschenverstand, sondern Europas oberste Richter mussten den Wahnsinn stoppen. Für eine Regionalpartei, die es den anderen Europäern mit der Maut mal so richtig zeigen wollte, macht das die Sache umso schmerzhafter.

Reaktionen zum Maut-Urteil
:"Die Pkw-Maut ist in dieser Form leider vom Tisch"

Verkehrsminister Scheuer schließt einen neuen Anlauf für eine Abgabe nicht aus. Dagegen sind selbst Koalitionspartner froh, dass die Maut gestoppt wurde.

Von Christina Kunkel

So wird die Maut zur bitteren Lektion für die CSU, die doch ihren Koalitionspartnern allzu oft den Willen Bayerns aufdrängen kann: von der Mütterrente über die Erbschaftsteuer bis jüngst zum unseligen Grundsteuer-Kompromiss. Der Freistaat verschafft sich regelmäßig eine Sonderstellung im Bund. Meist leider auf Kosten des Gemeinwesens.

Die SPD war immer schon dagegen

Im Fall der gescheiterten Maut liegen die Dinge nicht anders. Schon jetzt haben die Vorbereitungen Millionen an Steuergeld verschlungen. Verträge mit Betreiberfirmen hat der CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer bereits Ende vorigen Jahres geschlossen, von ihnen muss der Bund nun zurücktreten. Freilich wäre es für das - europäische - Gemeinwesen noch teurer geworden, hätte der Gerichtshof anders entschieden: Auch andere Staaten hätten eine "Ausländer-Maut" nach deutschem Vorbild einführen können, also samt Kompensation für die jeweiligen Inländer. Westdeutsche hätten dann für den Ausflug ans Ijsselmeer löhnen müssen, und der Alpentransit durch Österreich wäre vielleicht noch etwas teurer geworden als ohnehin schon. Aber mit ihren nationalen Scheuklappen hatte die CSU dergleichen nicht im Blick. Ihre Welt ist eben mitunter recht klein.

Die gute Nachricht ist: Eine deutsche Vignette wird einer besseren, intelligenten Lösung nun nicht mehr im Wege stehen. Denn der Gedanke, für die Nutzung einer Infrastruktur auch Geld zu verlangen, ist ja nicht grundsätzlich falsch. Im 21. Jahrhundert, in dem Autos mit Internetanschluss ausgeliefert werden und Telefone zugleich Navigationsgeräte sind, kann so eine Abgabe dem Gemeinwesen sogar nutzen. Sie könnte etwa je nach Tageszeit und Strecke schwanken - und so besonders belastete Strecken zu Stoßzeiten verteuern. Das würde Autofahrer dazu bringen, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, und Ballungsräume entlasten. Die Verkehrsnachrichten würden wieder kürzer.

Ein solches System könnten auch verschiedene EU-Länder gemeinsam entwickeln - und so den Grundstein dafür legen, Europas Wirrwarr aus Kassenhäuschen, Streckenmaut und Vignetten irgendwann zu überwinden. Das wäre doch mal ein Projekt für die CSU - wie wär's?

Das Abenteuer Maut hingegen straft die Regierung hart. Die Kanzlerin ("Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben") kann zwar ein TV-Duell-Versprechen von 2013 einlösen - allerdings eines, das sie schnell vergessen hatte. Die SPD war immer schon dagegen, hatte ihren Widerstand aber um des Koalitionsfriedens willen aufgegeben. Die Niederlage der CSU kontaminiert so die ganze Koalition. Am Stammtisch aber, wo die CSU mit der "Ausländer-Maut" gewinnen wollte, wird das Urteil aus Luxemburg antieuropäische Ressentiments anfachen. Das nutzt nur der AfD. Was für ein Scherbenhaufen, aus purem Eigensinn.

© SZ vom 19.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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