Wie hart die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen die Pkw-Maut die CSU trifft, konnte man am Dienstag sehr gut an der Reaktion von Horst Seehofer erkennen. Unter seinem Parteivorsitz hatte die CSU das Projekt in Deutschland gegen alle Widerstände durchgesetzt. Am Ende hatten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat die Maut gebilligt - und der Bundespräsident das Gesetz unterschrieben. Auch die EU-Kommission hatte grünes Licht gegeben - und der Generalanwalt am EuGH keine Einwände erhoben. Die CSU hatte sich deshalb darauf eingestellt, nach der Einigung bei der Grundsteuer am Montag den nächsten Triumph feiern zu können.
Doch dann erklärte der EuGH die Pkw-Maut am Dienstag für europarechtswidrig. Entsprechend dünnhäutig reagierte Seehofer. "Mein Gott, man muss Gerichtsurteile akzeptieren, aber man muss sie nicht verstehen", schimpfte der Innenminister. Er verstehe dieses Urteil jedenfalls nicht. Die Entscheidung werde die "Zustimmung gegenüber europäischen Institutionen nicht gerade erhöhen".
Andere CSU-Granden reagierten ähnlich verschnupft. Verkehrsminister Andreas Scheuer klagte, das Urteil sei "ein herber Rückschlag". Und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt - er hatte in seiner Zeit als Verkehrsminister die Maut auf den Weg gebracht - sprach von einer "bitteren Entscheidung", die er zwar akzeptiere, für die er aber "kein Verständnis habe". Dobrindt trifft das Urteil besonders hart. Über seine Bemühungen für die Pkw-Maut hatte Seehofer den zu einiger Berühmtheit gelangten Satz gesagt: "Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht!" Jetzt ist er im letzten Moment doch gescheitert.
Um zu ermessen, wie groß die politische Fallhöhe für die CSU war, reicht die Erinnerung an einige der großspurigen Äußerungen der Partei. Als ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags zu dem Ergebnis kam, dass die geplante Pkw-Maut eine "mittelbare Diskriminierung" ausländischer Autofahrer sei, erklärte Scheuer: "Bei so viel fachlicher Ignoranz muss man die Frage nach dem Sinn des Wissenschaftlichen Dienstes stellen." Dobrindt wiederum hatte 2014 versprochen, dass die Maut "zum 1. Januar 2016 scharf gestellt wird". Und Anfang 2017 hatte die CSU getwittert: "Das Genörgel der Grünen hilft nichts! Die Maut kommt! #GagaGrüne" Seit Dienstag ist klar, dass die Pkw-Maut der CSU nie mehr scharf gestellt werden wird.
"Seehofer und die CSU wollten mit dem Kopf durch die Wand"
Entsprechend hämisch reagierten die politischen Konkurrenten. Der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel bezeichnete das Urteil als "Schlappe" für die CSU. Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte, der EuGH habe erneut "die Notbremse ziehen" müssen, weil Seehofer und die CSU "mit dem Kopf durch die Wand wollten". Und die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt erklärte, jetzt habe es "die CSU schwarz auf weiß": Ihre Pkw-Maut diskriminiere Ausländerinnen und Ausländer. Es sei "schade um Zeit und Ressourcen", die bisher für die Maut aufgebracht worden seien. Die Vorbereitung habe bereits mehr als 140 Millionen Euro gekostet, klagte die FDP.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im Wahlkampf 2013 versprochen: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben." Später hatte die Union dann - genauso wie die SPD - die Maut gebilligt. Die Auflagen waren damals allerdings, dass sie nicht zu Mehrbelastungen für die deutschen Autofahrer führen dürfe und dass sie europarechtskonform sein müsse. Mit dem Urteil ist nun klar, dass sie das nicht ist.
Merkel sagte am Dienstag, das Urteil sei zu akzeptieren. Verkehrsminister Scheuer werde nun die Situation analysieren - "und dann werden wir sagen, wie wir weiter vorgehen." Die CSU hatte sich von der Maut, sie hätte von Oktober 2020 an erhoben werden sollen, Mehreinnahmen von 500 Millionen Euro jährlich erhofft - jetzt wird es erst einmal überhaupt keine zusätzlichen Einnahmen geben.