Ralph Brinkhaus gibt auf:Friedrich Merz hat nun alles - nur keine Ausrede mehr

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Übertriebene Bescheidenheit ist sein Ding nicht: Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag in Berlin kurz vor seiner Wahl zum neuen Vorsitzenden. (Foto: Michael Kappeler/Picture Alliance/dpa)

Die CDU gibt sich ganz ihrem neuen Vorsitzenden und baldigen Fraktionschef hin. Das verschafft ihm viel Macht. Doch ab jetzt heißt es für den 66-Jährigen: Wehe, er kann nicht liefern, was sich die Partei von ihm erhofft.

Kommentar von Boris Herrmann

Ralph Brinkhaus war eigentlich kein schlechter Fraktionsvorsitzender. Es gibt unter den Abgeordneten des Bundestags nicht viele, die ohne Spickzettel so unfallfreie Reden halten können wie er. Trotzdem ist es richtig, dass Brinkhaus nun den Vorsitz der Unionsfraktion für Friedrich Merz frei macht. Er hatte in der gegenwärtigen Merz-Euphorie, die in der CDU um sich greift, schlichtweg keine andere Wahl. Und es spricht wiederum für Brinkhaus, dass er das gerade noch rechtzeitig eingesehen hat.

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Angesichts dessen, was Friedrich Merz gerade widerfährt, wäre es fast schon wieder untertrieben, von einem Lauf zu sprechen. Es ist eher ein Durchmarsch. Merz hat nun binnen weniger Wochen all das bekommen, was ihm ein Leben lang verwehrt zu bleiben schien. Ziemlich genau ein Jahr, nachdem er zum wiederholten Mal in einer Stichwahl um den Parteivorsitz gescheitert war und er sich nachdrücklich mit der Frage beschäftigt hatte, ob er endgültig aus der Politik aussteigt, hat ihn die CDU mit einem annähernd nordkoreanischen Ergebnis doch noch zum Parteichef gewählt. Und 20 Jahre, nachdem ihn Angela Merkel vom Fraktionsvorsitz verdrängt hatte, holte er sich nun auch diesen wieder zurück - in einem Machtkampf, der sich ausnahmsweise hinter den Kulissen zutrug.

Zwei Gründe erklären seinen raschen Wiederaufstieg

Merz war bisher nicht für eine übertriebene Bescheidenheit bekannt. Aber dass sich ihm die Union bei seinem Comeback so vollumfänglich unterwerfen würde, damit hat er wohl nicht einmal selbst gerechnet, was sich auch in seinen öffentlich vergossenen Tränen bei der Verkündung seines Wahlergebnisses ausdrückte. Es gibt aber zwei wesentliche Gründe, die erklären, wie der Outsider Merz in so kurzer Zeit zu Friedrich dem Großen aufsteigen konnte: seine ganz persönliche Lernkurve sowie der Zustand der CDU.

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Merz ist schon lange nicht mehr so stockkonservativ, wie es einige seiner Ultra-Fans gerne hätten und ihn viele seiner Gegner darstellen. Aber er bietet da neuerdings deutlich weniger Angriffsfläche. Er erliegt offenbar nicht mehr der Versuchung, seine interne Konkurrenz zu unterschätzen, und hat sich erfolgreich darum bemüht, seine vor allem im sozialen Flügel versammelten Skeptiker einzubinden. In der Übergangsphase als designierter Parteichef fand er das richtige Maß aus der gebotenen Zurückhaltung und der nötigen Präsenz. Noch bevor seine Amtszeit am Montag offiziell beginnt, hat er die Parteispitze runderneuert und sich auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, mit dem Ausschlussverfahren gegen den AfD-Paktierer Max Otte ein Exempel am rechten Rand zu statuieren. Es wirkt ganz so, als ob bei Merz alles einer Strategie folgte, was seinem Vorgänger eher selten nachgesagt wurde. Neulich auf dem Parteitag hat sich sogar CSU-Chef Markus Söder für jene Sticheleien bei ihm entschuldigt, die vor allem Armin Laschet hatte erdulden müssen.

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Dagegen hatte am Ende auch Ralph Brinkhaus keine Argumente. Er hat nun seinen geliebten Job geopfert, um der Union die nächste Zerreißprobe zu ersparen. So manche Respektsbekundung, die ihm dafür aus der Fraktion zuteil wurde, klang wie ein Eintrag ins Poesiebüchlein ("Du hast in stürmischer See unsere Bundestagsfraktion immer zusammengehalten"). Es fehlte gerade noch, dass ihm jemand viel Glück und viel Segen auf all seinen Wegen gewünscht hätte.

Und was, wenn's nicht läuft bei den Landtagswahlen?

Der Machtmensch Brinkhaus hätte sich sicherlich mehr versprochen als allgemeines Schulterklopfen, aber nach Lage der Dinge wird er demnächst nur noch einfacher Abgeordneter sein. Damit wird es in den hinteren Reihen der Unionsfraktion allmählich eng vor lauter Prominenten. Da trifft der demnächst ehemalige Fraktionschef Brinkhaus dann die ehemaligen Parteivorsitzenden Laschet und Schäuble sowie den ehemaligen Generalsekretär Ziemiak. Ganz vorne genießt Friedrich Merz dafür umso mehr Beinfreiheit.

Er hat jetzt praktisch alles, was er wollte. Aber damit hat Merz auch erstmals in seiner Karriere keine Ausreden mehr. Es ist niemand mehr da, dem er die Schuld zuschieben könnte, wenn es nicht läuft, beispielsweise bei den anstehenden Landtagswahlen. Das Establishment seiner Partei, über das sich Merz so oft beklagt hat, ist er jetzt selbst. Die Geschichte, und zwar nicht nur die der Union, aber lehrt: Vermeintliche Heilsbringer, die nicht liefern, fallen am härtesten.

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