Auf den ersten Blick haben Madeleine von Schweden und "Wetten, dass ..?"-Moderator Markus Lanz nichts gemeinsam, außer dass sie an diesem Samstag die Quotenhoffnung des ZDF waren. Bei genauerem Hinsehen drängen sich allerdings weitere Gemeinsamkeiten auf: Beide sind irgendwie zu schön (nervt sie wegen der Paparazzi; nervt ihn, weil ihn als Polit-Talker niemand ernst nimmt), irgendwie adelig (sie europäischer Hochadel; er deutscher TV-Adel) und stehen irgendwie immer im Schatten - selbst wenn die Scheinwerfer direkt auf sie gerichtet sind.
So erging es am Nachmittag zunächst der Schweden-Prinzessin: Denn die Seufzer entzückter Monarchie-Fans vor den Bildschirmen galten nicht der Braut Madeleine, sondern ihrer anderthalbjährigen Nichte Estelle. Und Markus Lanz? Der hätte sich am Abend endgültig von Vorgänger Thomas Gottschalk emanzipieren und auf Mallorca zum neuen König der deutschen Fernsehunterhaltung krönen können. Schließlich ist das Publikum nirgends so genügsam wie im Dunstkreis des Ballermanns. Doch der Thronfolger konnte oder wollte nicht aus seiner Rolle - und durfte sich am Ende nicht wundern, dass seine Untergebenen ganz offen seinen Sturz planten. Protokoll einer verpatzten Inthronisierung.
Vorlauf
Zunächst verlief alles nach Plan - ja, besser. Die Boulevard-Presse stürzte sich auf eine "Go-go-Tänzerin als Kandidatin" und übernahm unentgeltlich das Marketing für die Mallorca-Sendung. Die Gäste-Mischung folgte dem erprobten Erfolgsrezept: Ein paar internationale Stars (Pamela Anderson, Gerard Butler sowie die beiden ältesten Sprösslinge des verstorbenen "King of Pop", Michael Jackson) sollten das ansonsten mit heimischer Prominenz besetzte Sofa veredeln. Doch dann fiel nicht nur die quotenträchtigste Wettkandidatin kurzfristig aus (ein Schnupfen). Auch der Musiker-Nachwuchs (familiäre Probleme) und die Ex-Baywatch-Nixe (vermutlich was Besseres vor) sagten ab. Pams Korb traf Lanz augenscheinlich am härtesten, in der Show konnte er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Sie hat uns ihren Strand-Buggy geschickt - der hat genauso viel Plastik."
Einzug des Kronprinzen
Kurz zuvor war der Moderator ins Coliseo eingefahren. Lieb- und lustlos wirkte es, wie er im Sand seine Runden drehte - und wirklich herrschaftlich kommt so eine Mischung aus Jeep und Go-Kart auch nicht daher. Man denke da nur zurück an den Einzug seines Vorgängers: Gottschalk kam wahlweise hoch zu Ross (2010) oder auf der Harley (2011), er zelebrierte seine Auftritte in der Arena. Lanz dagegen erinnerte auch mit seinem Outfit (grauer Anzug) eher an eine Trauerfeier, als an einen Triumphzug.
Vielleicht war dem Moderator ja einfach das Wetter aufs Gemüt geschlagen, also nicht das auf Mallorca - sondern das in der Heimat. Dem Regen der vergangenen Tage hatte er es nämlich zu verdanken, dass seine Unterhaltungsshow direkt nach einem Hochwasser-Spezial lief. Was offenkundig nicht nur die Redakteure seiner Sendung überforderte, die nur Sekunden nach Bildern von überschwemmten Landschaften, zerstörten Gebäuden und verzweifelten Flut-Opfern vom "Kick des Jahres" kündeten. Lanz selbst sah sich gezwungen, gleich zu Beginn seine Betroffenheit zu beteuern und einen Spendenaufruf zu initiieren (am Ende kamen mehr als 500.000 Euro zusammen).
Nun kann der Moderator einer Unterhaltungssendung natürlich nichts für aktuelle Ereignisse. Und ernste Themen in einer Gute-Laune-Show zu platzieren ist immer eine Herausforderung - doch es gab schon "Wetten, dass ..?"-Moderatoren, bei denen das weniger bemüht wirkte.
Einzug der Gäste
Die hochkarätigsten Gäste des Abends durften gleich zu Beginn auf der Couch Platz nehmen: ein sichtlich gut gelaunter Stefan Raab und eine mittlerweile sichtbar schwangere Michelle Hunziker. Das Bäuchlein der früheren "Wetten, dass ..?!"-Assistentin, die neben ihren Engagements in Deutschland auch in Italien als Moderatorin tätig ist, veranlasste Raab prompt zur Frage: "Berlusconi kann's nicht lassen, was?"
Wenn der ProSieben-Moderator über seine ziemlich banale Erfindung referierte - einen Duschkopf, der die Haare trocken lässt -, war er leidenschaftlicher als der Gastgeber des Abends. Und kurzweiliger allemal! So erklärte er, angesprochen auf seine zahlreichen, in TV-Shows erlittenen Verletzungen: Sein Steißbein-Bruch sei am schmerzhaftesten und langwierigsten gewesen. "Man merkt: Irgendwas ist im Arsch."
Auch Komiker Paul Panzer platzierte mehr Witzchen als Lanz: "Wenn du aussiehst wie George Clooney, kannst du sagen: 'Ich arbeite im Klärwerk.' Und die Frauen schreien: 'Ich liebe Scheiße!'" Unter den Erwartungen zurück blieben hingegen die nachgeladenen Geissens: Das Millionärspaar mit eigener Reality-TV-Show (auf RTL2) hatte Lanz mit seinem Ehegeplänkel jüngst noch die Talkshow gerettet, war in der Live-Sendung aber wohl zu beeindruckt von der Kulisse. Dem Publikum war die Tagesform der trashigen Eheleute indes vollkommen egal: Jedes "Rooobert" von Carmes Geiss wurde mit frenetischem Jubel goutiert.
Mit Zoten konnte der Moderator also nicht punkten und so verstieg er sich schließlich gänzlich aufs Zwischenmenschliche. Bei Michelle Hunziker versuchte er sich als investigativer Klatsch-Reporter: "Hat er schon gefragt?" Mit er war Hunzikers Freund, Mode-Erbe Tomaso Trussardi, gemeint. Zunächst zeigte sich die Angesprochene auch durchaus auskunftsfreudig: Ja, habe er - und wie sich das gehöre: auf Knien. Doch nach kurzer Zeit kassierte Lanz den nächsten Korb von einer Blondine: "Lass uns über Wetten sprechen", ermahnte ihn die einstige Ko-Moderatorin.
Unterhaltungsprogramm
Die Wetten waren tatsächlich durchaus der Rede wert und standen unter dem Motto: Muskelkraft macht's. Ein Thema, das aus Sicht der Show-Planer durchaus sinnig war, schließlich drohte der Sendung mit der Anderson-Absage ein Sexappeal-Defizit. So wurde nicht nur der spätere Wettkönig genötigt, obenrum blankzuziehen. Spärlich bekleidet hangelte er sich eine 60 Meter aufragende Feuerwehrleiter auf der Rückseite hoch. Auch der junge Mann, der aus dem Stand mit Saltos in Badehosen sprang, durfte seinen trainierten Oberkörper zeigen.
Seinen Knackarsch - im wahrsten Sinne des Wortes - stellte ein weiterer Kandidat zur Schau und unter Beweis. Er knackte mit seinem Hinterteil in 60 Sekunden 60 Walnüsse. Zum Schluss gab es dann noch Beinmuskeln zu bewundern: Ein Truppe Bodybuilder (nicht gedopt!) stemmte mit Beinpressen einen Pick-up-Truck 15 Metern weit.
Dass Lanz selbst aus den guten Wetten nicht das volle Kapital schlagen konnte, lag vor allem an den Wetteinsätzen, die er seinen Gästen abverlangte. So musste sich Hollywood-Schauspieler Gerard Butler nach verlorenem Spiel Eiswürfel in die Hose kippen und Goethes "Erlkönig" zitieren. Lanz fand das zum Totlachen - Butler dürfte sich gewünscht haben, die Kritik von Kollege Tom Hanks an "Wetten, dass ..?" ernster genommen zu haben.
Das Komplott hatte auch mit einem Wetteinsatz zu tun: Michelle Hunziker lag mit ihrem Tipp falsch und muss nun für eine Sendung in ihre alte Rolle als Show-Assistentin schlüpfen. "Wenn Cindy mal nicht kann", so Lanz. Ko-Moderatorin Cindy aus Marzahn konterte: "Vielleicht wollen wir beide uns auch mal ohne Sie sehen!" Und nicht nur am Hofe regte sich Widerstand gegen Prinz Lanz, auch im Reich rumorte es. So twitterte ein Zuschauer: "Bisher das beste #Wettendass, aber wieso ist der Lanz noch da?"
Der Abschied
Um 22:59 Uhr war Schluss. Lanz überzog gerade einmal 14 Minuten - das hätte es unter König Thomas nie gegeben.