Schon spektakulär, wie die Regie diesem Münchner Tatort gleich mal jede tatorttypische Behäbigkeit ausgetrieben hat. Die Kommissare Batic und Leitmayr (Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl) müssen nicht ewig mit dem Dienstwagen von hierhin nach dorthin schaukeln, sie legen ihre kugelsicheren und noch immer perfekt passenden Westen an und rennen, gemeinsam mit jungen Kollegen vom Spezialeinsatzkommando, durch schmale Hausflure. Sie keuchen Treppen hoch, durchqueren Lagerhallen, die Waffe im Anschlag. Das ist so geschickt gebaut und inszeniert, als hetzten sie durch die Panoramen der Ballerspiele, um die es in "Game over" geht. Eine Polizistin ist bei einer Routinekontrolle erschossen worden, die Mörder sind womöglich selbst Polizisten, die sich online in der Gaming-Gruppe "Munich Sheriffs" treffen. Und vielleicht ist es so gewesen, dass hier jemand zwischen Spiel und Ernst mal wieder nicht hat unterscheiden können: Diese Vermutung liegt immer schnell in der Luft, wenn mal ein "Counter-Strike"-Crack in der Echtwelt Schlimmeres anrichtet.
Armer Rauhaardackel - "Die Kinder wollten ihn nicht - zu alt"
So leicht macht es sich der Film von Regisseur Lancelot von Naso (Buch Stefan Holtz und Florian Iwersen) allerdings nicht, die Gamer sind hier keine potentiellen Amokläufer. Das Stück bleibt vielschichtig, wenn es Gaming auch als Phänomen des Spätkapitalismus beschreibt. Man kann in der Szene gutes und vor allem schnelles Geld verdienen. Man wird von Fans bewundert - wobei Assistent Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) diese Bewunderung etwas zu plakativ auslegt. Man gerät natürlich auch in die Gefahr, abhängig zu werden. Der E-Sport-Hero Oskar Weber (Yuri Völsch) wird von seinem Vater zum Weiterspielen angestachelt, von seiner Mutter aber am Spielen gehindert, was den Jungen komplett austicken lässt - und natürlich einen weiteren Countdown in die Handlung einpflegt: Wird er denn rechtzeitig spielfähig werden? Und wenn ja, zu welchem Preis?
Batic und Leitmayr, klassisch analoge Grauköpfe, betrachten die fremde Welt der Gamer distanziert, allerdings auch mit Interesse. Davon lebt dieser Tatort: Die Ermittler schauen, bei aller Routine, mit frischem Blick auf ihren neuen Fall. Und sie kokettieren diesmal erfreulicherweise nicht mit ihrem Alter - so etwas wird elegant im Beiklang miterzählt. Als ein Rauhaardackel auftaucht, sagt Assistent Ritschy Semmler: "Die Kinder wollten ihn nicht - zu alt." Überhaupt enthält das Buch einige schön doppelbödige Sequenzen, es sagt zum Beispiel eine in die Geschehnisse tief verstrickte junge Frau: "Ich hab Erzieherin gelernt - aber ich hasse Kinder." Denn davon erzählt doch "Game over": wie Menschen sich verzocken.
Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.
Weitere Serienempfehlungen finden Sie hier .